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Interview zur Trauerbewältigung "Das Gefühl geht nicht einfach weg"

Ein langer Weg, bei dem man versuche, sich gegenseitig Hoffnung zu geben - so sieht ein Bremer Pastor die Trauerbewältigung, die Angehörige von Opfern einer Explosion vor 18 Jahren leisten.
22.07.2018, 17:57 Uhr
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Von Kristin Hermann

Herr Sanders, Sie haben als Pastor die Angehörigen der Explosion in der Bremer Neustadt betreut, bei der vor 18 Jahren zwölf Menschen ums Leben kamen. Wie lange dauert es, bis Menschen so einen Schicksalsschlag verarbeiten?

Hans-Günter Sanders: Die räumlichen Narben vergehen, aber die seelischen halten sehr lange an. Man hat ja immer gesagt, dass zwölf Menschen durch die Explosion getötet wurden. Tatsächlich ist ein halbes Jahr später noch eine Person gestorben, die das Erlebte einfach nicht verarbeiten konnte. Das waren damals sehr spezielle Verhältnisse, und man merkte, wie sehr dieser Schock sich in die Seele der Hinterbliebenen eingebrannt hat.

Wie sah damals die Trauerbewältigung aus?

Ich hatte als Pastor der örtlichen Gemeinde einen Vertrauensvorschuss. Wir haben uns regelmäßig danach getroffen, und ich habe die Hinterbliebenen zu Hause besucht. Mit einigen von ihnen bin ich sogar in die Türkei gefahren, weil wir zu einer Reise eingeladen worden waren. Nach einiger Zeit wird die Bewältigung der Erlebnisse oft sehr individuell. Das hat so eine Wucht, die möchte man nicht immer mit allen teilen, weshalb die Gespräche später häufig außerhalb der Gruppe stattfanden. Einige Angehörige der Verstorbenen treffe ich heute noch. Das Thema kommt immer wieder hoch. Das Gefühl geht nicht einfach weg.

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Die Frage nach dem Warum hat vermutlich die Opfer heute wie auch damals sehr beschäftigt.

Diese Frage ist unglaublich fundamental. Was habe ich gemacht, dass ich so bestraft werde? Selbst Leute, die sonst sehr gläubig sind, können daran zerbrechen. Die Mitarbeiter der Heilsarmee, deren Haus zerstört worden ist, hat das zum Beispiel besonders gequält. Es gibt auf diese Frage keine leichte Antwort, und billige Versuche machen mich wütend, denn ich weiß, was es heißt, Schlimmes zu erfahren. Man muss irgendwie lernen, das auszuhalten. Und das ist ein langer Weg, bei dem man nur versuchen kann, sich gegenseitig Hoffnung zu geben. Das kann ich auch den Opfern in Huchting nur raten.

Die Fragen stellte Kristin Hermann.

Zur Person

Zur Person

Hans-Günter Sanders war mehr als 30 Jahre Pastor in der Zionsgemeinde in der Neustadt. Er begleitete vor 18 Jahren die Opfer der schweren Gasexplosion im Geschwornenweg, bei der zwölf Menschen ums Leben kamen.

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