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Vulkan-Zentrale: Senatorin übernimmt ersten Trakt / Bis Herbst sollen Plätze für 750 Menschen entstehen Das größte Flüchtlingsprojekt in Bremen

Bremen. Im Februar hat sich Anja Stahmann zum ersten Mal auf der Baustelle umgeschaut. Damals als Besucherin.
09.04.2016, 00:00 Uhr
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Das größte Flüchtlingsprojekt in Bremen
Von Christian Weth

Im Februar hat sich Anja Stahmann zum ersten Mal auf der Baustelle umgeschaut. Damals als Besucherin. Jetzt ist die grüne Sozialsenatorin wieder da. Diesmal als Hausherrin. Fernsehkameras sind auf sie gerichtet und Fotoapparate. Die Behördenchefin will an diesem Freitag in Vegesack nicht irgendeine Notunterkunft übernehmen. Sie gehört zu Bremens größtem Flüchtlingsprojekt: Handwerker sind seit Monaten dabei, aus der früheren Werft-Zentrale des Vulkan eine Anlaufstelle für 750 Frauen, Männer und Kinder zu machen. Und zum Arbeitsplatz für 250 Menschen, die sich um sie kümmern.

Stahmann schüttelt an diesem Nachmittag viele Hände von vielen Leuten. Sie haben sich am Hintereingang aufgestellt, weil vorne noch gebaut wird. Unter ihnen ist Marina Golubew, die später die Notunterkunft für die Arbeiterwohlfahrt leiten wird. Stephanie Pieper-Herbst, die über die Bau- und Zeitpläne wacht. Theo Bührmann, Chef der gleichnamigen Bremer Investorengruppe, der Stahmann einen symbolischen Schlüssel überreicht. Die Architektin und der Geldgeber wollen der Senatorin zeigen, was sich seit deren letztem Besuch getan hat. Und vor allem, dass der erste Komplex fertig ist. „Termingerecht.“ Bührmann sagt, was andere schon vor einer Woche bei einer Baustellenparty für die Handwerker gesagt haben. Und die Architektin macht, was andere bei der Feier gemacht haben: vorangehen beim Rundgang durch den fertigen Flügel.

Gebäudeflügel für Behörden

Stephanie Pieper-Herbst nennt ihn Flügel A. Es gibt noch Flügel B und C. Wo sie liegen, zeigt sie auf einem Plan: Dort der eine, hier die beiden anderen. Und in der Mitte das Zentrum, das alle Flügel miteinander verbindet. Von oben sieht die frühere Konzern-Zentrale wie ein Y aus. Für die Architektin ist die Form des Gebäudes eine ideale Form. Weil sie es möglich macht, jeden Flügel separat zu nutzen und dennoch alles unter einem Dach vereint: „Besser geht es kaum.“ In Flügel B sollen später Flüchtlinge unter anderem registriert und medizinisch versorgt werden, in Flügel C das Bundesamt für Migration, das Jobcenter und die Zast, die Zentrale Erstaufnahmestelle, einziehen. Inklusive Keller misst das Gebäude so viele Quadratmeter wie dreieinhalb Fußballfelder.

Die Behörde plant groß, obwohl die Flüchtlingszahlen kleiner werden. Im vergangenen Monat kamen 195 Frauen, Männer und Kinder nach Bremen. So wenige wie schon lange nicht mehr. In den Zelten im Stadtgebiet sind mittlerweile 515 von 1600 Betten leer. Die Senatorin sagt, dass Bremen trotzdem große Unterkünfte braucht. Um eben künftig keine Menschen in Zelte unterbringen zu müssen. Um noch schneller weitere Turnhallen wieder für Vereine und Schulsport frei machen zu können. Stahmann geht davon aus, dass die Unterkunft in der ehemaligen Vulkan-Verwaltung in sechs bis acht Wochen ausgelastet sein wird. 450 Betten gibt es zunächst, bis Herbst sollen 300 hinzukommen – in einem Übergangswohnheim, das in Flügel B gebaut wird. Bis dahin soll auch das Personal des Bundesamtes, des Jobcenters und der Aufnahmestelle seine Büros bezogen haben. Nach dem Zeitplan der Senatorin werden die ersten Flüchtlinge in der übernächsten Woche in Vegesack erwartet.

Stephanie Pieper-Herbst zeigt die Zimmer für sie. Die größten messen knapp 40, die kleinsten 20 Quadratmeter. Die Wände sind weiß, die Linoleumböden gelb, die Spinte grau wie die Bettgestelle. Auf manchen Matratzen liegt die Bettwäsche bereits obenauf. Sie haben ein Blumenmuster. Die Zimmer sind identisch, auch ihre Anordnung auf den fünf Etagen gleicht sich: Sie liegen außen, wo die Fenster sind. In der Mittel reihen sich die Räume für die Duschen und Toiletten: Weiße Fliesen am Boden, weiße Kacheln an der Wand. Nur die Seifenspender, die schon auf den Waschbecken stehen, haben eine andere Farbe: Gelb. Über manchen Türgriffen klebt noch die Schutzfolie vom Transport.

Die Architektin sagt Notunterkunft zu den Wohnräumen, weil die Wände nicht bis zur Decke reichen. Im Übergangswohnheim, das noch Baustelle ist, sollen sie mit der Decke abschließen. Denn dort, sagt Pieper-Herbst, werden die Flüchtlinge länger sein. Stahmann rechnet damit, dass manche Wochen, andere Monate bleiben. So lange, bis eine Wohnung für sie gefunden ist. Das hat sie auch schon im Februar gesagt, als sie nach ihrem ersten Baustellenbesuch vor 300 Menschen im Vegesacker Bürgerhaus auf dem Podium saß. Sie wollten wissen, was wird, wenn Bremens größtes Flüchtlingsprojekt kommt. Wenn so viele Menschen aus Krisenregionen wie nirgendwo sonst in der Stadt in einem einzigen Gebäude untergebracht werden. Und ob das überhaupt gut gehen kann in einem Ortsteil von Vegesack, der zu den sozialschwächeren zählt: Fähr-Lobbendorf.

Investitionen von 20 Millionen Euro

Beim Rundgang wiederholt Stahmann, was sie den Leuten im Bürgerhaus gesagt hat: „Es wird gut gehen.“ Weil es viele Menschen gibt, die den Flüchtlingen helfen wollen, erklärt sie. Weil sich eine Willkommensinitiative speziell für die frühere Vulkan-Zentrale gegründet hat. Weil das Projekt zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen hat und schaffen wird. Als Beispiel nennt sie die Arbeiterwohlfahrt, die mit 23 Stellen dort beginnen und die Zahl nach und nach ausbauen will. Marina Golubew, die künftige Heimleiterin, nickt. Am Montag ist ihre erster Arbeitstag. Auch wenn dann noch keine Flüchtlinge da sind: „Es gibt viel vorzubereiten.“

Der erste Arbeitstag für die Handwerker war im vergangenen Jahr. Im Oktober hat die Bührmann-Gruppe den früheren Bürokomplex der Werft gekauft, im November und Dezember geplant und zugleich damit begonnen, ihn zu entkernen. Die Architektin sagt, dass er praktisch ein Rohbau war und größtenteils noch ist. Fast 5000 Quadratmeter ist der fertige Flügel groß. Rund 11 000 Quadratmeter haben die Handwerker noch vor sich. Manche von ihnen tragen Einweganzüge, Handschuhe, Mundschutz und betreten den Raum, in dem sie arbeiten, durch eine Schleuse. Asbest, sagt Pieper-Herbst, ist ein großes Thema. Asbest und künstliche Mineralfasern. Das Entsorgen von schädlichen Dämmstoffen des 70er-Jahre-Baus hat die Sache für den Investor teurer gemacht. Nach eigenen Angaben hat die Bührmann-Gruppe mittlerweile 20 Millionen Euro in Kauf und Umbau investiert.

Einen Teil des Geldes wird sie von der Stadt und der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die das Bundesamt für Migration vertritt, zurückbekommen. Beide sind Mieter. Wie viel allein Bremen zahlt, sagt ein Sprecher der Investorengruppe nur so ungefähr: „Die jährliche Summe ist siebenstellig.“ Der Vertrag läuft zunächst über zehn Jahre.

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