Der kleine Leuchtturm mit dem roten Helm – er war den Bremerhavenern ans Herz gewachsen. Mehr Fernweh und Träumerei von der großen, weiten Welt ging eigentlich nicht, wenn man von dort den großen Erz- oder Getreidefrachtern aus Bremen oder Brake hinterher sah. Und so konnte Oberbürgermeister Melf Grantz (SPD) seine Trauer und Wut kaum verhehlen, als er am Donnerstag zum Einsturz der Geestemole Stellung nahm.
Viele Bremerhavener hätten "eine regelrechte emotionale Beziehung zur Nordmole, die von vielen Menschen genutzt wurde, um sich dort ein wenig Seewind um die Nase wehen zu lassen, und das gerne auch zu zweit", so das Stadtoberhaupt. "Dass dieses Bauwerk nun zusammenbricht, tut richtig weh."
Zwar scheinen sich die wirtschaftlichen Folgen des Desasters in Grenzen zu halten: Die Einfahrt in die Geeste und damit in den Fischereihafen war am Donnerstag gesperrt, sollte aber zumindest für die Berufsschifffahrt am Abend wieder freigegeben werden. Bei der Bredo Werft, deren Schiffe auf dem Weg in die Docks den baufälligen Leuchtturm passieren müssen, blieb man gelassen: Ein- oder Ausdockungen stehen in den nächsten Tagen nicht auf dem Plan. Auch die Lotsen, deren Versetzstation in der Geesteeinfahrt liegt, fanden schnell eine Alternative: "Der Fluss ist lang, da gibt es andere Möglichkeiten", beruhigte Michael Collin, 2. Ältermann der Weserlotsen.
Aber der emotionale Schaden für die "Bremerhavener Seele" ist immens. Zumal es ein "Desaster mit Ansage" war, schimpft der Oberbürgermeister. Seit Jahren sei die Mole wegen Baufälligkeit gesperrt, immer wieder habe er die Verantwortlichen im Senat und bei der Hafengesellschaft Bremenports auf die Dringlichkeit einer Sanierung hingewiesen. "Aber leider ist nichts Sichtbares passiert", beschwert sich Grantz. "Was nun geschehen ist, schadet der Stadt Bremerhaven.“
Der Zusammenbruch der Nordmole reiht sich zudem ein in eine Serie von kapitalen Schäden im maritimen Erscheinungsbild der Stadt. Im April 2021 brach das Tragwerk der Eisenbahn-Drehbrücke am Nordhafen zusammen; das 90 Jahre alte Bauwerk musste abgerissen werden. Eine wichtige Verkehrsachse im Überseehafen fiel damit für mehrere Monate aus; seit April stellt eine Fähre eine provisorische Verbindung zum Kreuzfahrt- und Fruchtterminal her.

Im Mai 2021 wurde die Drehbrücke am Nordhafen nach einem kapitalen Schaden im Tragwerk abgebaut.
Noch immer nicht verdaut hat die Stadt auch den Untergang der "Seute Deern". Das morsche Museumsschiff sank im August 2019 an seinem Liegeplatz im Alten Hafen auf Grund und musste abgewrackt werden. Als Ersatz soll nun für 46 Millionen Euro ein anderes historisches Segelschiff nachgebaut werden. Doch der Bundesrechnungshof lehnt das Projekt ab, wie der WESER-KURIER am Donnerstag berichtete.
Unterstützung bekommt die Forderung nach einem Verzicht auf einen Nachbau von den Linken und der FDP. „Das Projekt war von Anfang an unausgegoren", meint Nelson Janßen, Bremerhavener Abgeordneter und Fraktionsvorsitzender der Linken in der Bürgerschaft. Das Geld sollte lieber für den Erhalt und die Sanierung des Deutschen Schifffahrtsmuseums verwendet werden. Das gleiche fordert der Bremer FDP-Bundestagsabgeordnete Volker Redder, für den der geplante Nachbau "ein völlig sinnloses und seit der Verlagerung des ,Schulschiff Deutschland' auch absurdes Projekt" darstellt.