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Klinikaufenthalt Wie Bremer Krankenhäuser auf Demenz-Patienten vorbereitet sind

Demenz-Patienten stellen die Bremer Kliniken vor Herausforderungen. Wer kümmert sich um die Menschen und deren Angehörigen? Wir geben einen Überblick über die Lage in den Krankenhäusern.
11.07.2022, 05:00 Uhr
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Wie Bremer Krankenhäuser auf Demenz-Patienten vorbereitet sind
Von Monika Felsing
Inhaltsverzeichnis

Ein Klinikaufenthalt ist für Demenzkranke absoluter Stress. Die gewohnte Umgebung fehlt, die tägliche Routine, aber auch der Mensch, der sonst Tag und Nacht auf sie eingeht. Eine enorme Herausforderung für alle Beteiligten. Wie groß der Bedarf an demenzsensiblen Kliniken ist, belegen Studien aus der Zeit unmittelbar vor der Pandemie. Praxisnahe Konzepte wiederum zeigen, wie wichtig Demenzbeauftragte, Schulungen und der Austausch zwischen Angehörigen und Klinikpersonal sind.

Sind Kliniken auf Demente eingestellt?

Zwei von zehn über 65-Jährigen, die in Deutschland in ein Allgemeinkrankenhaus eingeliefert werden, leiden an Demenz. Trotzdem sei die große Mehrheit der Krankenhäuser "noch immer nicht auf die Bedürfnisse dieser Patienten eingestellt", hat Bernadette Klapper, Leiterin des Bereichs Gesundheit in der Robert-Bosch-Stiftung, 2019 bei der Vorstellung des "Praxisleitfadens Demenz" bemängelt.

Wie sieht es in Bremen damit aus?

Im St.-Joseph-Stift wird der angemessene Umgang mit an Demenz erkrankten Menschen "als Grundpfeiler der täglichen Arbeit" bezeichnet. Wie das aussehen sollte, ist in einem Konzept nachzulesen, das Behinderte und Hochbetagte einschließt. Zusätzlich zu Demenzfachleuten sind "Alltagsbegleiter Demenz" in der Klinik tätig, geschulte Ehrenamtliche aus der Christlichen Krankenhaushilfe, die eng mit dem Fachpersonal zusammenarbeiten.

Das Diako hat eine zentrale Koordinatorin für Menschen mit Demenz, informiert online ausführlich und ist dabei, unter der Regie der Krankenhausseelsorge die ehrenamtliche Demenzbegleitung auszubauen.

Das Rotes-Kreuz-Krankenhaus (RKK) hat ein Konzept der "demenzsensiblen Pflege und Betreuung stationärer Patienten" samt Biografiebogen online veröffentlicht.

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In zwei Kliniken der Gesundheit Nord (Geno), Bremen-Ost und Bremen-Nord, gibt es große geriatrische Stationen, in Ost auch eine demenzsensible Station mit einem besonderen Licht- und Farbkonzept und speziell ausgebildetem Personal. Die Demenzbegleiterinnen, die an diesen beiden Kliniken arbeiten, kommen bei Bedarf in die anderen Geno-Krankenhäuser – zum Beispiel, wenn es darum geht, ob jemand auf der Geriatrie besser aufgehoben wäre.

Wie wird ein Klinikaufenthalt vorbereitet?

Wenn absehbar ist, dass ein demenzkranker Mensch ins Krankenhaus muss, wird im "Wegweiser Demenz" des Bundesfamilienministeriums dazu geraten, dies gut vorzubereiten. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft gibt Broschüren, aber auch Informationsbögen zur Aufnahme ins Krankenhaus heraus, die die sogenannten Überleitungsbögen ergänzen können – mit besonderen Hinweisen darauf, was die oder der Demenzkranke mag, braucht und was zum Beispiel gar nicht geht. Auch das Diako hat eine eigene Checkliste online gestellt.

Welche Rechte haben Demenzkranke?

Dieselben wie alle anderen, auch wenn sie nicht mehr in der Lage sein sollten, sie einzufordern. "Sollte der Patient oder die Patientin so dement sein, dass er oder sie das Aufklärungsgespräch, die Diagnose nicht sicher versteht, werden die Angehörigen kontaktiert, und es wird nach dem Vorliegen einer Vorsorgevollmacht gefragt", sagt Geno-Sprecherin Karen Matiszick. Falls ein an Demenz erkrankter Mensch beispielsweise nicht mehr fähig ist, die Chancen und Risiken einer Behandlung einzuschätzen, sind Vorsorgebevollmächtigte oder rechtliche Betreuer gefordert. Dass sie tatsächlich berechtigt sind, auch in Gesundheitsangelegenheiten zu entscheiden, muss aus dem Betreuerausweis oder der Vorsorgevollmacht klar hervorgehen. Bei medizinischen Eingriffen mit besonders hohem Risiko für die Patientin oder den Patienten muss zusätzlich noch ein Betreuungsgericht zustimmen.

Wie wirken sich Corona-Regeln aus?

Während einige Kliniken die Zahl der Besucher regulieren, beispielsweise  eine Person pro Tag zulassen, sind die Regeln in anderen Häusern strikter, und es wird von Fall zu Fall entschieden. "Eine harte Situation für alle Beteiligten", räumt die Geno-Sprecherin ein. "Für die Patienten. Für die Angehörigen. Und für die Pflege, weil Menschen gefehlt haben, die mal am Bett sitzen, eine Hand halten, ein Glas Wasser holen. Wir haben sehr großzügige Ausnahmen gemacht, mussten aber auch Patienten vor dem Virus schützen."

Gibt es einen Anspruch auf Übernachtung im Krankenzimmer mit dem Patienten?

Rooming-In, die Möglichkeit, im selben Klinikzimmer zu übernachten, ist bereits 2014 von Bremer Fachleuten für Angehörige von demenziell Erkrankten gefordert worden. Im St.-Joseph-Stift wird laut aktuellem Konzept die Unterbringung von vertrauten Begleitpersonen "bei vorheriger Planung jederzeit ermöglicht", wenn ein Klinikaufenthalt absehbar war. Ähnliches gilt im Diako. Bescheinige der Hausarzt oder der Krankenhausarzt, "dass eine Begleitung für die Zeit des Aufenthalts aus medizinischen oder therapeutischen Gründen notwendig ist, werden die Kosten von der Krankenkasse übernommen", heißt es im Konzept der Klinik mit dem Verweis auf das Sozialgesetzbuch V. In den Geno-Kliniken wird Rooming-In in der Regel nur auf Stationen mit Neugeborenen und in der Kinderklinik angeboten. Für Angehörige von Demenzkranken sei es "auch vor der Corona-Pandemie aufgrund fehlender räumlicher Kapazitäten nur im Einzelfall möglich" gewesen, sagt Karen Matiszick.

Welche Rolle spielt die Fortbildung?

Für Gerontologin Lilja Helms vom Verein Pro Dem, der zur Deutschen Alzheimergesellschaft gehört und seinen Sitz in Stuhr hat, ist Wissen über Demenz das A und O: "Der Dreh- und Angelpunkt ist geschultes Personal. Nur gut geschultes, empathisches Personal kann das wuppen. Dann ist der Angehörige ein Entstressor. Und es wär ein Traum, auf jeder Station einen ausgebildeten Demenzpaten zu haben, der vermitteln kann, als Bindeglied zwischen Angehörigen und Pflegepersonal." Unter anderem das Erwin-Stauss-Institut (ESI) bildet Beschäftigte aus dem Sozial- und Gesundheitswesen weiter, so im Fachmodul 3 „Demenz“ der staatlich anerkannten Fachweiterbildung zum Fachpfleger oder zur Fachpflegerin für Gerontologie und Gerontopsychiatrie. Diese Weiterbildung im Bildungszentrum der Bremer Heimstiftung ist eine Gemeinschaftsproduktion der Geno und des St.-Joseph-Stifts. Die Diako-Gesundheitsimpulse bieten Fortbildungen auf dem Gebiet an.

Wer hilft Angehörigen weiter?

Im Konfliktfall könnten sich Angehörige an die Patientenfürsprecher der Klinik  – "die Kontaktdaten findet man auf unserer Homepage" – oder an das Beschwerdemanagement wenden, sagt Karen Matiszick für die Geno. Dort, wo es Demenzbeauftragte gibt, sind diese ebenfalls wichtige Ansprechpersonen. Die Demenz Informations- und Koordinationsstelle (DIKS) in der Sögestraße (0421/98 99 52 99) bietet kostenlosen Rat an, dort können pflegende Angehörige und ältere Menschen auch über belastende Situationen sprechen (0421/98 99 52 80). Diese sogenannte Helpline ist montags bis donnerstags von 14 bis 17 Uhr und freitags von 10 bis 13 Uhr geschaltet. Ein bundesweites Beratungsangebot, das Alzheimertelefon der Deutschen Alzheimer Gesellschaft (030/ 2 59 37 95 14) ist montags bis donnerstags von 9 bis 18 Uhr sowie freitags bis 15 Uhr erreichbar.

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