Ein schönes Kästchen hält Matthias Rosenberger da in der Hand. Es sieht von außen noch immer aus wie die Zigarrenkiste, die es einmal war. Das edle Logo, sechs gekreuzte Degen, der Schriftzug Montecristo in Gold auf rotem Grund und das schlichte Weiß des Deckels hat Rosenberger erhalten. Aber wenn er das Kästchen aufklappt, wird aus der Zigarrenschachtel ein Backgammonspiel.
Entstanden ist das Schätzchen im sogenannten Fablab. Das ist die Abkürzung für Fabrication Laboratory, zu Deutsch: Fabrikationslabor. Als offene Hightech-Werkstatt könnte man den Raum in der ersten Etage des alten Postamts 5 am Hauptbahnhof bezeichnen. Mehrere 3-D-Drucker stehen hier, Lasercutter, programmierbare Fräsen, Folienschneider und Stickmaschinen. Jeder darf hierherkommen und die Maschinen nutzen, Tüftler und Bastler tun es, Lehrer und Schüler, Künstler und Erfinder.
Matthias Rosenberger hat hier im vergangenen Jahr als Projektleiter mit zehn Langzeitarbeitslosen aus alten Zigarrenkisten neue Backgammonspiele fabriziert. Geschliffen und lackiert, jedes Stück ein Unikat, ausgelegt mit Linoleum, versehen mit neuen Scharnieren, die Spielsteine aus dem 3-D-Drucker. „Ohne das Fablab“, sagt der Diplom-Psychologe, „wäre dieses Projekt niemals möglich gewesen.“

An einer sogenannten CNC-Fräse im Fablab entstanden: Der Schriftzug Bremen mit Rathaus, Universum und den Stadtmusikanten.
Jetzt steht die Zukunft des Fablabs auf dem Spiel. Der Verein, der die Werkstatt betreibt, kann die Mietkosten nicht mehr aufbringen. Etwas mehr als 25.000 Euro sind das pro Jahr. Ende 2023 ist eine zweijährige Förderung durch das Wirtschaftsressort aus einem Sondertopf während der Corona-Zeit ausgelaufen. Das vergangene Jahr konnte der Verein noch mit eigenen Mitteln überbrücken. „Aber das geht nicht länger“, sagt Antje Moebus vom Vorstand des Vereins, der sich durch Mitgliedsbeiträge, Kursgebühren und Spenden finanziert.
Deshalb hat der Verein eine Petition an den Senat gerichtet mit der Bitte um dauerhafte öffentliche Förderung. Geld für die Miet- und Nebenkosten sowie für zwei halbe Stellen benötigt das Fablab, soll das zwölfte Jahr des Bestehens nicht das letzte sein.

Rolf Steinort, hier an der Fräsmaschine, war früher Lehrer und engagiert sich heute im Vorstand des Fablabs.
Es ist ein kleines Team, das den Verein ehrenamtlich am Laufen hält. Rolf Steinort zum Beispiel gehört dazu. Der ehemalige Biologie- und Chemielehrer hält ein kleines Teilchen in der Hand, das ein wenig an eine Lüsterklemme erinnert. Steinort hat es am 3-D-Drucker erstellt. Es ist der Nachbau eines defekten Sicherheitsteilchens, das in einem Mixer aus den 1970er-Jahren steckte. Ersatz war nicht mehr zu beschaffen, das Gerät wird längst nicht mehr produziert. Also hat Steinort das Teilchen vermessen, aus mehreren Perspektiven fotografiert, gerechnet und den Computer schließlich mit den entsprechenden Daten gefüttert. Der Mixer, über 50 Jahre alt, lebt nun weiter anstatt im Müll zu enden.
Auf einem Tisch am Eingang sind weitere Stücke ausgestellt, die im Fablab über die Jahre entstanden sind. Eine Silhouette Bremens mit Rathaus, Stadtmusikanten und dem markanten Wal-Profil des Museums Universum. Dazu Schmuck, Spielzeug, Mini-Roboter, beleuchtete Deko-Schildchen.

Er bleibt immer auf Linie: ein Ozobot.
Vieles davon haben Schüler geschaffen, Mädchen und Jungen, besonders Mädchen. Denn das ist dem Fablab wichtig: Im „Spannungsfeld zwischen Technologie, Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst, Design und Gesellschaft“ setzt sich der Verein laut Satzung aktiv für Bildung und den Zugang zur digitalen Welt ein, niedrigschwellig nach dem Motto: reinschauen und ausprobieren, gestalten, machen, lernen und teilen.
Das Fablab veranstaltet unter anderem Workshops für Schulen und Kitas, nimmt an Berufsmessen teil und ist jeden Montag zwischen 18 und 21 Uhr und jeden Donnerstag zwischen 15 und 17 Uhr für alle Interessierten geöffnet.
Das Konzept ist in der Vergangenheit mehrfach gewürdigt worden, etwa mit einer Nominierung zum Weiterdenker Award der Metropolregion Nordwest. Auch die lokale Politik war schon zu Gast in den Werkräumen, der Bürgermeister zum Beispiel. Er habe, sagen die Vorstandsmitglieder, anerkennende Worte für ihre Arbeit gefunden. Was fehlt, ist eine dauerhafte Förderzusage, die auch der Beirat Mitte fordert, damit sich das Fablab nicht jahrein, jahraus über befristete Projekte in die nächste Runde retten muss. Die Petition des Vereins, die noch bis zum 21. Januar gezeichnet werden kann, unterstützen bisher 800 Menschen.

Vincent Baumbach absolviert seinen Bundesfreiwilligendienst im Fablab. Die Arbeit, die er hier zeigt, ist am Lasercutter entstanden.
Und wenn dieser Hilferuf ungehört bleibt? Dann würde Bremen, so haben es zum Beispiel die Ortspolitiker im Beirat formuliert, ein für die Stadt einzigartiges Angebot verlieren. Dann wäre Vincent der zehnte und letzte Bufdi, der im Fablab seinen Bundesfreiwilligendienst geleistet hätte. Dann könnte das Fablab das aktuell laufende und vom Bund geförderte Projekt zur Förderung von Mädchen in den MINT-Fächern Mathe, Informatik, Naturwissenschaft und Technik nicht fortsetzen. „Das Fablab darf nicht schließen“, steht für Zigarrenkistenbastler Rosenberger fest. Selbstredend hat er die Petition längst unterzeichnet.