Wie viel Fleisch gehört auf den Tisch? Für Aufruhr sorgte ein Bericht, in dem es hieß, dass Bürgerinnen und Bürger einer neuen Studie der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zufolge ihren Fleischkonsum auf zehn Gramm täglich reduzieren sollten. Zwar betonte die Gesellschaft, dass es sich dabei nicht um konkrete Empfehlungen handelt. Dennoch stehen ihre Zeichen eindeutig auf einen reduzierten Fleischkonsum.
Woran arbeitet die DGE derzeit?
Die DGE setzt sich vor allem aus Ernährungswissenschaftlern und Medizinern zusammen. Sie erarbeitet mit wissenschaftlichen Methoden Empfehlungen, wie sich die Bevölkerung ausgewogen ernähren kann. Derzeit feilt die DGE laut Antje Gahl, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, an einem Modell, das nicht nur Ernährungs- und Gesundheitsaspekte einberechnet. „Auch Kriterien für Umwelt- und Klimaeffekte, wie etwa Treibhausgasemissionen, sollen berücksichtigt werden“, so Gahl. Was sich abzeichnet: Der Anteil pflanzlicher Lebensmittel in den Empfehlungen wird steigen.
Wie viel Fleischverzehr ist gesund?
Bisher empfiehlt die DGE Erwachsenen, wöchentlich zwischen 300 und 600 Gramm Fleisch zu essen – je nach Kalorienverbrauch. Für Betriebe und Kliniken gibt die DGE gesonderte Qualitätsstandards heraus, die sich am Mittel der eigenen Empfehlungen orientieren. Wenn die Küchen in den Einrichtungen ihren Speiseplan nach diesen Leitlinien aufstellen, können sie sich von der Fachgesellschaft zertifizieren lassen.
Gleiches gilt für Kitas und Schulen. Jedoch variieren die Qualitätsstandards je nach Altersgruppe: Küchenleitungen in Kitas sollten Kindern zwischen vier und sieben Jahren keine Fleisch- und Wurstwaren zum Frühstück servieren, zum Mittagessen maximal einmal pro Woche bis zu 35 Gramm. Grundschüler sollten bis zu 100 Gramm Fleisch und Wurstwaren pro Woche essen, Sekundarschüler maximal 190 Gramm.
Welche Rolle spielen die Empfehlungen in der Bremer Politik?
Die Fachgesellschaft finanziert sich überwiegend aus Mittel des Bundes und der Länder, Regierungen nehmen die Ratschläge in ihre Programme auf: beispielsweise in den „Aktionsplan 2025 – Gesunde Ernährung in der Gemeinschaftsverpflegung der Stadtgemeinde Bremen“. Damit verfolge der Senat den Ansatz, Speisepläne in den Gemeinschaftsverpflegungen vermehrt saisonal und regional auszurichten, sagt Linda Neddermann, Pressesprecherin des Umweltressorts. Zudem wolle man Umwelteffekte, Tierwohl und Gesundheitsfolgen in der Bewertung der Fleischmengen zeitgemäß berücksichtigen. „Die DGE-Empfehlungen sind eine der Säulen, auf denen die nachhaltige Gemeinschaftsverpflegung der Zukunft in Bremen steht“, sagt Neddermann.
Wie setzen Gemeinschaftsverpflegungen in Bremen derzeit die Empfehlungen um?
Laut Neddermann ist die Situation in der Gemeinschaftsverpflegung sehr heterogen: „Manche Einrichtungen bieten Fleisch wie nach aktueller DGE-Empfehlung nur einmal die Woche an. In anderen Einrichtungen liegt der Fleischanteil wesentlich höher“, sagt sie. Frischküchen erfüllten die Standards der Fachgesellschaft wesentlich häufiger.
„Das Verpflegungskonzept von Kita Bremen entspricht weitestgehend den Empfehlungen der DGE“, sagt Antje Schreiner, Referentin der Geschäftsführung von Kita Bremen. Der Eigenbetrieb der Stadtgemeinde werde in der zweiten Jahreshälfte 2023 sein Ernährungsprogramm überarbeiten und veränderte DGE-Empfehlungen beachten. „Gemäß des vom Senat beschlossenen Aktionsplans 2025 ist zudem ein einheitlicher Standard für Bremen zu vereinbaren“, sagt Schreiner. Auch über eine Zertifizierung nach DGE-Standards denke Kita Bremen nach.
Welche Auswirkungen hat ein sinkender Fleischkonsum auf die Bremer Landwirte?
Damit es tierische Lebensmittel gibt, braucht es Viehwirtschaft. Diese ist klimaschädlich, insbesondere durch den Ausstoß des Treibhausgases Methan. Bremens Agrikultur hängt von der Tierhaltung ab. „Ohne den Konsum von Fleisch und Milchprodukten wird es keine Bremer Landwirtschaft mehr geben“, sagt Christian Kluge, Geschäftsführer des bremischen Landwirtschaftsverband.
Er fordert Lösungen, die die Versorgung sicherstellen, den Umweltschutz einbeziehen und die landwirtschaftlichen Familienbetriebe in Bremen erhalten. Deutsche äßen zu viel Fleisch, die DGE-Standards seien wichtig. Aber: „Eine Grammzahl vorzuschreiben, davon halten wir nichts“, sagt Kluge stellvertretend für den Bauernverband. Er plädiere stattdessen dafür, dass wieder mehr Bewusstsein für regionale Lebensmittel und deren Produktion geschaffen werde. „Damit wir pflanzliche Bioprodukte regional produzieren können, brauchen wir Tiere vor Ort, die den natürlichen Dung ausscheiden“, sagt Kluge.
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten sieht bereits einen Wandel in der Fleischindustrie. „Die Betriebe reagieren auf das Verhalten der Konsumenten, indem sie vegetarische, vegane und Bioprodukte anbieten. Auch konventionelle Fleischprodukte sind weiterhin gefragt“, sagt Iris Münkel. Die Betriebe müssten sich vielseitig aufstellen, dann werde ein verändertes Konsumverhalten keinerlei Auswirkungen auf sie haben.