Herr Prott, immer mehr Menschen reduzieren ihren Fleischkonsum, leben gar vegetarisch oder vegan. Wie blicken Sie auf diese Entwicklung?
Henning Wilhelm Prott: Ich habe 1996 das Geschäft von meinen Eltern übernommen, erste Fälle von BSE, also Rinderwahn, waren bereits bekannt. Da kam die erste Welle Menschen, die seitdem weniger Fleisch isst. Weil ich damals davon ausging, dass es wegen der zunehmenden Massentierhaltung mehr Skandale geben würde, hatte ich mir gesagt: Wenn ich eine Fleischerei führe, mache ich das nur, wenn ich das ethisch vertreten kann.
Wie sieht Ihr ethischer Leitfaden aus?
Seit ich die Fleischerei führe, beziehe ich Fleisch von Höfen, die der Verein Neuland vermarktet. Auf diesen Betrieben werden die Nutztiere artgerecht gehalten. Die Schweine haben dort viel Platz, werden auf Stroh statt auf Spaltböden gehalten, Kastenstände sind verboten und, und, und. Das sind Standards, die meine Unternehmensphilosophie ausmachen. Tiere sollten nach ihren Bedürfnissen leben, nicht nach menschlichen. Viele meiner Fleischerkollegen haben sich stattdessen an die Massentierhaltung gekoppelt und können das Fleisch so billiger ein- und verkaufen.
Viele entscheiden heutzutage, sich vegan zu ernähren, weil die Tierhaltung klimaschädlich ist. Berücksichtigen Sie das in Ihrer Philosophie?
Es spricht derzeit einiges gegen den Fleischkonsum: Klimawandel, weniger Artenvielfalt, Massentierhaltung. Ich kann sehr gut verstehen, dass sich Menschen dazu entscheiden, vegan zu leben. Aber es ärgert mich, dass es offenbar nur zwei Extreme gibt: Diejenigen, die bei jedem Hunger zur nächsten Dönerbude rennen, und diejenigen, die vegan leben. Und scheinbar ist es höher angesehen, wenn man vegan lebt.
Was fehlt Ihnen in den Überlegungen der Bürger und Bürgerinnen?
Die wenigsten machen sich Gedanken darüber, woher das Fleisch stammt, wenn es zubereitet vor ihnen liegt. Da fehlt die Wertschätzung. Meiner Meinung nach wird es Fleischkonsum immer geben. Wir sollten daher darüber sprechen, weniger, dafür aber besseres Fleisch zu essen. Und das will ich in meinem Laden anbieten: Fleisch von extensiv gehaltenen Tieren, die langsam wachsen und sich von Gras ernähren. Landwirte, die auf ihrem Acker das Futter anbauen und ernten, die den Mist als Dünger auf ihren Feldern nutzen. Nachhaltiger geht es nicht. Das Fleisch ist natürlich teurer als das aus der Massentierhaltung. Aber warum sollten wir für Qualität nicht mehr Geld ausgeben?
Wie wirken sich Billigfleisch und zunehmender Veganismus wirtschaftlich auf Ihren Betrieb aus?
Die Inflation und die Energiewende verunsichern viele Kunden, glaube ich. Und wo sparen die Deutschen zuerst? Richtig, beim Essen. Auch wenn ich bisher immer gut durch Krisen gekommen bin, merke ich das im Laden. Zudem habe ich hier in der näheren Umgebung Konkurrenz, die gut aufgestellt ist. In anderen Stadtteilen gibt es oft gar keine Fleischereien mehr. Es sind schwierige Zeiten für die Branche. Zu meinen Hochzeiten hatte ich zwei Marktwagen und bediente elf Wochenmärkte, weil ich genügend Beschäftigte hatte. 15 waren es mal, fast alle in Vollzeit. Seit Beginn des Jahres sind wir noch zu dritt.
Würden Sie sich heute noch für den Beruf des Fleischers entscheiden?
Nein.
Was kann die Regierung machen, damit mehr Betriebe Fleischwaren herstellen, die von art- und klimagerecht gehaltenen Tieren stammt?
Es gibt eine Doppelmoral in der Politik. In den Entscheidungen hat sie Klima- und Tierschutz immer im Blick, aber bis heute können sich die Schweine nicht bewegen, weil die Kästen zu klein sind. Stattdessen werden einige Massenhaltungsbetriebe auch noch bezuschusst, die in Deutschland mehr produzieren als gegessen wird und Billigfleisch exportieren. Das ist doch krank.
Die Rügenwalder Mühle, einst eine klassische Fleischerei, machte 2021 erstmals mehr Umsatz mit vegangen Produkten als mit tierischen. Auch Sie haben vegane Pinkelwurst und Gemüse-Knipp in der Theke liegen. Wie kam es dazu?
Die Pinkel mache ich seit den Nullerjahren. Eine Kundin hatte mich damals darauf angesprochen, ob ich die auch ohne Fleisch verkaufe. Und da Pinkel relativ einfach herzustellen ist, habe ich das einfach probiert und bis heute damit großen Erfolg. Ich habe ein Herz für Veganer und möchte ihnen zu jeder Jahreszeit eine Alternative anbieten können.
Dieses Gespräch führte Elias Fischer.