Kein Weg ist zu weit
Etwa vier Stunden braucht man mit dem Auto aus dem nordrhein-westfälischen Stolberg zum Bremer Freimarkt. Für Jennifer und Tobias Richter ist das kein Hindernis. Jedes Jahr nehmen sie die Fahrt auf sich – schließlich haben sie sich vor dem Riesenrad zum ersten Mal innig geküsst und beschlossen, ein Paar sein zu wollen. "Das wird für uns immer ein ganz besonderer Ort bleiben", schwärmt die 36-Jährige. Kurz davor hat sie ihren heutigen Mann in einer Kneipe in Stolberg kennengelernt. Er ist zu dieser Zeit als Soldat in Delmenhorst stationiert. "Da gehörten Freimarktbesuche jedes Jahr dazu und ich habe Jennifer zu mir eingeladen", sagt er.

Jennifer und Tobias Richter reisen jedes Jahr aus der Nähe von Aachen an.
Sein damaliger Schwarm folgt der Einladung. In der gelösten Atmosphäre des Volksfestes kommen sich die beiden näher und beschließen, es trotz Entfernung miteinander zu versuchen – und das hält mittlerweile seit neun Jahren. "2020 wollte ich Tobias sogar einen Heiratsantrag auf dem Freimarkt machen, aber durch die Pandemie musste ich mir leider etwas anderes einfallen lassen", sagt Jennifer Richter. Geheiratet haben sie mittlerweile trotzdem und sind Eltern von einem Sohn und einer Tochter. Die Auszeit in Bremen gönnt sich das Paar dennoch regelmäßig. "Immer im gleichen Hotel und selbstverständlich auch immer mit einer Fahrt auf dem Riesenrad", sagen sie.
Dreimal ist Bremer Recht
Im Oktober 1981 bereitet Richard Pleskot Bratwurst und Pommes zum Verkauf vor. Der damalige Student hilft in einer Imbissbude auf dem Freimarkt aus, um sich Geld dazuzuverdienen. Da steht auf einmal eine hübsche junge Frau vor ihm und bestellt für sich und ihre Freundinnen, ihr Name ist Hanna. Schnell fällt auf, beide sind Anfang 20 und aus Polen. "Wir fanden uns direkt sympathisch, haben uns aber irgendwie aus den Augen verloren", erzählt Richard Pleskot 41 Jahre später. "Damals hat man noch nicht so einfach Nummern ausgetauscht wie heute." Zu dieser Zeit gehen beide davon aus, zeitnah wieder in ihr Heimatland zurückzukehren.

Hanna und Richard Pleskot sind sich vor 41 Jahren an der Bratwurstbude begegnet.
Doch weil Anfang der 80er-Jahre das Kriegsrecht in Polen verhängt wird, bleiben sie in Bremen – und laufen sich bei einer Ostermesse erneut zufällig über den Weg. Doch es braucht insgesamt drei Anläufe, damit es zwischen den beiden richtig funkt. Im Spätsommer 1982 treffen sie sich auf einer Feier wieder. "Und dieses Mal war klar, dass ich ihn nicht so einfach gehen lasse", sagt Hanna Pleskot. Gesagt, getan. Das Paar ist seit 1984 verheiratet und kehrt jedes Jahr auf den Freimarkt zurück, inzwischen bereits mit dem Enkelsohn. "Wir essen Schmalzkuchen und ein Fischbrötchen. Das hat Tradition. Außerdem gibt es einen Kuss und wir erinnern uns wieder, wie schön das damals war", sagt Hanna Pleskot.
Schornsteinfeger bringen Glück
Seit sie ein kleines Mädchen ist, schaut sich Karolin Dommaschk mit ihrer Familie den Freimarktumzug an. Jahr für Jahr sieht sie dabei auch die Schornsteinfeger, die in ihrer schwarzen Kluft beim Umzug mitlaufen. "Wer hätte damals geahnt, dass ich irgendwann einmal mit einem von ihnen verheiratet bin", sagt die 33-Jährige heute. Doch tatsächlich ist es so gekommen, denn Karolin und Patrick Dommaschk feiern nach dem Freimarktumzug beide im Hansezelt weiter. Und dort begegnen sie sich 2014 das erste Mal. Ein wenig verschwommen ist die Erinnerung daran. "Zugegeben, da war Alkohol im Spiel", sagt der Schornsteinfeger. Doch nicht zu viel, um am besagten Abend nicht bereits die Eltern seiner Zukünftigen anzusprechen und zu verraten: Er hat ein Auge auf ihre Tochter geworfen. Das kommt an, auch bei Karolin Dommaschk und es wird zusammen getanzt, gelacht, und ein bisschen geknutscht.

Karolin und Patrick Dommaschk haben sich im Hansezelt verliebt.
Am Tag darauf ist jedoch längst nicht klar, dass sie sich wiedersehen. "Ich habe ihm zwar das Foto von uns geschickt, das wir an dem Abend zusammen gemacht haben, aber so richtig sicher war ich mir nicht, ob ich ihn nun auch daten will", sagt Karolin Dommaschk. "Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie mich meine Schwester damit aufgezogen hat, dass ich durch die Schornsteinfegeraufmachung gar nicht wüsste, was Patrick eigentlich privat anzieht und mich vielleicht ganz Schlimmes erwartet." Doch ihre Freimarkt-Bekanntschaft bleibt hartnäckig - mit Erfolg. Es folgen erste Verabredungen und schließlich wird klar, die beiden wollen ihr Leben miteinander teilen. Acht Jahre später sind die Dommaschks verheiratet und leben mit ihren Zwillingen gemeinsam in Weyhe. Ihren jährlichen Freimarktbesuch lassen sie sich nicht nehmen. Dazu gehören die obligatorischen Selfies im Festzelt, die sie über die Jahre als Collage sammeln.
Beim ersten Date in die "Wilde Maus"
"Ingenieure haben nicht gerade den Ruf, sehr gut gekleidet zu sein'", sagt Kieran Morley über seinen eigenen Berufsstand. Kurzerhand verpflichtet er deshalb seine Bekanntschaft, ihm beim Shoppen in Bremen zu helfen. Der Tag endet mit einem Kuss im Riesenrad. Das war vor fünf Jahren. Eigentlich wohnen der 45-Jährige und Kathrin Schultze zu dieser Zeit in Wilhelmshaven und arbeiten beide bei der Bundeswehr. Richtig in Kontakt kommen sie aber erst bei einer Laufveranstaltung in Berlin. Wenige Tage später unternehmen sie besagten Ausflug nach Bremen. "Beim Shoppen haben wir uns schon sehr wohl miteinander gefühlt, anschließend sind wir dann weiter auf den Freimarkt, weil Kathrin dort schon immer gerne hingegangen ist", sagt Morley. Ihr erster Stop ist in der "Wilden Maus". Romantischer wird es danach im Riesenrad. "Dort haben wir uns zum ersten Mal geküsst", erinnert sich Schultze.

Kathrin Schultze und Kieran Morley hatten ihr erstes Date auf dem Freimarkt.
Seitdem sind die beiden unzertrennlich, vor zwei Jahren kommt ihr Sohn zur Welt. Auch in diesen Oktober steht wieder ein Besuch auf dem Freimarkt an. "Wir spüren dort jedes Mal den Zauber des Anfangs und reflektieren gleichzeitig, was im vergangenen Jahr alles passiert ist. Das ist für uns immer ganz besonders", sagt Morley.