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Diversität So vielfältig ist die Polizei in Bremen

Viele Behörden wollen vielfältiger werden, auch die Polizei. In der Diskussion geht es vor allem um die Anwerbung von Menschen mit Migrationshintergrund. Wie in Bremen damit umgegangen wird.
01.11.2023, 05:00 Uhr
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So vielfältig ist die Polizei in Bremen
Von Kristin Hermann

Diversität ist ein Wort, das Behörden wie Firmen heute gerne gebrauchen, wenn es um ihre Zukunft geht. Damit gemeint ist, dass alle beruflichen Potenziale unabhängig von Geschlecht, Herkunft, körperlicher Beeinträchtigung oder sexueller Orientierung entfaltet werden können. Auch bei den Polizeistellen im Land wird das Thema seit einigen Jahren vermehrt diskutiert. Dabei geht es oft vor allem darum, den Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund zu erhöhen, um das Vertrauen der Bevölkerung zu stärken und sicherzustellen, dass die Polizeiarbeit gerecht und angemessen ist. Doch wie gut gelingt das?

Welche Rolle spielt Diversität bei der Bremer Polizei?

Bei der Bremer Polizei spielt das Thema Vielfalt nach eigenen Angaben schon länger eine wichtige Rolle. Beispielhaft nennt die Polizeipressestelle unter anderem die intern geschaffene Funktion eines Integrationsbeauftragten oder das Ausrufen eines ganzen Themenjahres zur Antidiskriminierung. Ende 2020 reagierte die Bremer Polizei auf eine anhaltende Debatte über rassistisches und diskriminierendes Verhalten von Polizisten in Deutschland und stellte eine Referentin für Vielfalt und Antidiskriminierung ein. Damals waren unter anderem rechtsextremistische Chatgruppen bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen bekannt geworden. Derzeit wird in Bremen an einem Konzept gearbeitet, wie Antidiskriminierung und Vielfalt im Innen- und Außenverhältnis der Polizei weiter gefördert werden können.

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Sind Vorfälle von Rassismus oder anderen diskriminierenden Handlungen innerhalb der Bremer Polizei bekannt?

In der Vergangenheit haben auch innerhalb der Bremer Polizei Vorfälle von Rassismus oder anderen diskriminierenden Handlungen stattgefunden, heißt es auf Nachfrage bei der Polizei. So wurden etwa vor diesem Hintergrund 2021 und 2022 jeweils zwei Disziplinarverfahren eingeleitet. Darüber hinaus seien dieses Jahr in drei Fällen Dienstaufsichtsbeschwerden wegen vermeintlich rassistischen und diskriminierenden Verhaltens von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten eingereicht und ein sogenannter Prüfvorgang angelegt worden. Weitere Details zu den konkreten Tatvorwürfen wollte die Polizei nicht nennen, da dadurch Rückschlüsse auf die Betroffenen gezogen werden könnten.

Wie viele Personen mit Migrationsgrund arbeiten derzeit bei der Bremer Polizei?

Wie viele Mitarbeiter mit Migrationshintergrund bei der Bremer Polizei arbeiten oder wie hoch der Anteil an Bewerbern mit Migrationsgeschichte ist, darüber liegen nach Angaben der Pressestelle keine Daten vor, da Angaben über die Herkunft seit ein paar Jahren freiwillig sind. Bis 2018 lag der Anteil von Bewerbern mit Migrationshintergrund fast konstant bei etwa 20 Prozent, wie eine Abfrage des Mediendienstes Integration ergeben hat. Etwa 15 Prozent der neu eingestellten Polizeikommissare hatten demnach einen Migrationshintergrund. Zu den Bundesländern mit den meisten Werbemaßnahmen zählt Berlin, entsprechend hoch ist der Anteil unter den Neueinstellungen. 2022 stieg er der Auswertung zufolge auf 37 Prozent und liegt damit über dem Anteil der Berliner Bevölkerung mit Migrationsgeschichte (35 Prozent).

Wird gezielt um Nachwuchskräfte mit Migrationshintergrund geworben?

Wie einige andere Bundesländer bemüht sich Bremen darum, die Zahl migrantischer Po­li­zis­ten zu erhöhen. Die Beamten werben dafür nach eigenen Angaben unter anderem bei Berufsinformationstagen an Schulen, die einen hohen Anteil an Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund haben. In der Vergangenheit fanden außerdem Gesprächsdialoge mit Mitgliedern muslimischer Gemeinden statt. Darüber hinaus prüfe man Werbemöglichkeiten, um die Zielgruppe noch besser anzusprechen. Wie hilfreich Polizeibeamte mit Migrationsgeschichte im Einsatz sein können, bestätigt Bernard Soika, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft Bremen. Po­li­zis­ten mit Migrationshintergrund könnten aufgrund interkultureller und sprachlicher Kompetenzen in manchen Situationen zur Deeskalation beitragen. Aus seiner Sicht muss sich die Polizei weiter öffnen, um den rückläufigen Bewerberzahlen zu begegnen.

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Was sagt Bremens Polizeibeauftragte?

Sermin Riedel arbeitet seit Anfang vergangenen Jahres als unabhängige Polizei- und Feuerwehrbeauftragte für das Land Bremen. Seitdem seien etwa 105 Beschwerden und Vorfälle eingegangen, die die Arbeit der Polizei im Land Bremen betreffen. Diversität sei dabei zwar kein extra ausgewiesener Bereich, „dennoch spielt das in unserer Arbeit natürlich eine große Rolle“, sagt Riedel. Oftmals gehe es dabei um die Frage, wie man verschiedene Lebensrealitäten und Lebensentwürfe zusammenbringen kann. Riedel erlebe die Bremer Polizei als insgesamt diversitätsoffen. „Die Vorteile werden gesehen und auf der individuellen Ebene wird versucht, nach Lösungen zu suchen“, sagt Riedel weiter. Strukturell und organisatorisch sei die Polizei jedoch noch nicht so aufgestellt, um diesem Anspruch auch im großen Stil genügen zu können.

Gibt es Kritik an bisherigen Diversitätskonzepten?

Deutlichere Worte findet Rafael Behr, Professor für Polizeiwissenschaften an der Polizeiakademie Hamburg, der seit Jahren zu dem Thema forscht. Bei der Polizei in Deutschland mutiere das Thema Diversität zur „Vielfalt der Ähnlichen“, dabei praktiziere die Polizei weitgehend Homogenität, so seine These. Die Ähnlichkeit bei der Polizei werde bereits durch die Einstellungsprüfung hergestellt. Alle müssten ein ähnliches Sprachniveau, Sportlichkeit, einen gewissen Bildungsgrad mitbringen und am Ende ähnliche Entscheidungen treffen. „Das wird in der Polizei aber gar nicht thematisiert, sondern man ist froh um jede Person, der man das Etikett ,divers‘ anhängen kann“, sagt Behr. Ganze Personengruppen fehlten bei der Polizei: Menschen aus bildungsfernen Milieus, Menschen mit gesundheitlichen Problemen oder Übergewicht. „Diversität bei der Polizei ist insofern ein Muster ohne Wert“, sagt Behr.

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Wie könnten Alternativen aussehen?

Um tatsächlich Diversität zu fördern, müsste die Polizei laut Behr ihre Einstellungsvoraussetzungen und Ausbildung grundsätzlich reformieren. Die Ausbildung müsse von Anfang an handlungsfeldspezifisch sein, die Auswahlverfahren sollten entsprechend individuell angepasst werden. „Bei der Einstellung sollten die Fähigkeiten abgefragt werden, die später in der Praxis tatsächlich benötigt werden. Ein Bewerber, der in der Abteilung gegen Cyberkriminalität arbeiten möchte, muss 5000 Meter nicht in einer möglichst schnellen Zeit absolvieren“, sagt Behr. Mehr Personen mit Migrationshintergrund könnten grundsätzlich zu mehr Vielfalt beitragen, sagt er weiter. „Aber eben erst dann, wenn sie einen spürbaren Anteil am Gesamtpersonal haben, auch in der Führungsebene.“

Wie steht Bremen im Vergleich zu anderen Bundesländern da?

„Der Norden ist in der Regel toleranter und flexibler in der Überlegung, andere Menschen in den Polizeidienst aufzunehmen als der Süden“, sagt Behr. So würden etwa Bayern und Baden-Württemberg eine deutlich konservativere Personalpolitik verfolgen. „Von den Polizeien in Deutschland gehört Bremen sicherlich zu denen, die sich diesem Thema mit größerem Ernst und Engagement widmen als andere.“ Behr nehme die Bremer Polizeipolitik insgesamt als ausgewogen und angemessen wahr. Der hiesige Polizeiapparat trete weniger martialisch auf als anderswo. "In Bremen werden beispielsweise Kontrollquittungen ausgehändigt, um Racial Profiling zu verhindern." Dabei bescheinigen die Beamten den kontrollierten Personen auf Wunsch, wann, wo und warum sie sie kontrolliert haben.

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