Zugegeben, es hat sich einiges getan bei der Bremer Feuerwehr, seit im Herbst 2020 massive Vorwürfe gegen sie erhoben wurden, bei denen es um Rechtsradikalismus und Rassismus ging, um Sexismus, Homophobie und Mobbing. Eine Sonderermittlerin hat der Feuerwehr eine „rückständige, autoritäre und angstbesetzte Führungskultur“ bescheinigt. Es gibt einen neuen Chef, eine Beauftragte für Antirassismus-Fragen und zwei Beauftragte, die über das Gleichbehandlungsgesetz wachen. Nicht zu vergessen die Workshops und Schulungen zu Themen wie Gender, Diversität und diskriminierungssensible Führung. Und natürlich wird auch ein Leitbild erarbeitet, das Allheilmittel schlechthin, wenn bei Behörden oder Unternehmen der Karren mal so richtig im Dreck steckt.
Zumindest die Oberfläche der Behörde wurde also ordentlich aufpoliert. Ob damit auch Tiefenwirkung erzielt wurde, darf bezweifelt werden. Dafür bräuchte die Feuerwehr Zeit, Ruhe und mehr Personal. Nichts davon hat sie. Beim Personal wird zwar gerade nachgebessert, doch bis das nachhaltig greift, werden Jahre vergehen. Wenn es denn überhaupt gelingt, neues Personal zu rekrutieren, in Zeiten, in denen alle (Berufs-)Welt händeringend Nachwuchs sucht.
Aber auch, was Zeit und Ruhe angeht, ist wenig Anlass für Optimismus. Die Vorwürfe gegen die Feuerwehr kamen erst zutage, nachdem sich zwei Opfer an die Fraktion der Linken gewandt hatten. Die übernahm fortan öffentlichkeitswirksam die Rolle der Chefanklägerin. Dieser politische Druck war gut und richtig, um die Missstände aufzudecken. Und anschließend sicher auch notwendig, um zu verhindern, dass allzu viele der Vorwürfe unter den Teppich gekehrt wurden.
Aber schon in dieser Phase verrückte der Fokus, begann moralischer Rigorismus die sachliche Aufarbeitung von Fehlverhalten zu überdecken. Ein Paradebeispiel dafür, wie gesellschaftliche Erregungskultur funktioniert, liefert der Umgang mit den drei Feuerwehrmännern, über die bislang Disziplinarstrafen in Form von Geldbußen verhängt wurden. Sie haben laut Sonderermittlerin herabsetzend, beleidigend und sexistisch über eine Kollegin gesprochen, was sie auch nicht bestreiten.
Doch wie es zu diesen verbalen Entgleisungen im Rahmen eines Gesprächs unter Kollegen gekommen ist, interessiert offenbar niemanden. Nicht innerhalb der Feuerwehr – bis heute hat niemand aus der oberen Führungsebene der Behörde die drei Männer zu den Vorgängen befragt. Und außerhalb schon gar nicht. Da waren aus den – ohne Frage – üblen Sprüchen ganz am Ende eines rund 20-minütigen allgemeinen Maulens von Männern über eine Kollegin längst „Vergewaltigungs- und Mordfantasien“ geworden. Das reichte für einen Schuldspruch erster Klasse. Warum also tiefer graben und damit riskieren, dass die eindimensionale Version von Tätern und Opfer zerstört wird, die so schön ins eigene politische Weltbild passt?
Der Abschlussbericht des Innensenators war durchaus deutlich. Er benannte die Probleme der Feuerwehr mit Rassismus, Queerfeindlichkeit, Sexismus und thematisierte ausführlich das Führungsversagen innerhalb der Behörde. Er war zugleich aber auch stromlinienförmig auf die Art und Weise zugeschnitten, wie Rot-Grün-Rot in Bremen die Welt betrachtet. Keine Ecken, keine Kanten, keine Differenzierungen. Es gab deutliche Hinweise, die eine eventuelle Mitschuld des Hauptopfers an den Feindseligkeiten ihr gegenüber andeuten. Nur durften die im Abschlussbericht nicht auftauchen. Denn in der Welt derer, die moralisch immer auf der richtigen Seite stehen, wäre das natürlich einer Täter-Opfer-Umkehr gleichgekommen.
Kann man so sehen, ist aber denkbar ungeeignet, um zum Kern der strukturellen Probleme innerhalb der Feuerwehr vorzudringen. Stattdessen stehen Anfang November nach zwei Jahren „Aufarbeitung“ drei (!) Feuerwehrmänner vor dem Verwaltungsgericht. Sündenböcke, auf die die Fehler eines gesamten Systems übertragen werden. Angesichts des doch von höchster Stelle bescheinigten jahrelangen offensichtlichen Führungsversagens und der nachweislichen Beteiligung von Vorgesetzten an den beklagten Missständen ist das eine erstaunlich dürftige Bilanz.