Viele Bremer zieht es bei den warmen Temperaturen an die Badeseen und an die Weser. Allerdings hatten die heißen Monate im vergangenen Jahr auch fatale Folgen: Es gab neun Badetote, sieben mehr als im Jahr zuvor. Der Anstieg an Badeunfällen liege laut DLRG-Präsident Martin Reincke nicht an zu wenigen Rettungshelfern, sondern an dem Leichtsinn vieler Menschen. Die rund 200 ehrenamtlichen Rettungshelfer der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) sind bei dem guten Badewetter daher stark gefordert.
Für die Rettungshelfer war das vergangene Jahr anstrengend. Rund 30 000 Helferstunden haben sie an den acht Bremer Seen geleistet, 17 Menschen konnten sie retten. „Jeder Verunglückte ist einer zu viel“, sagt Reincke. „Die Helfer waren glücklich, als der Sommer vorbei war. Sie sind aber auch an ihre Grenzen gekommen. Es gab viel zu tun."
Smartphone wichtiger als die Kinder im Wasser
Nicht nur im Wasser, auch am Land mussten die Rettungshelfer Einsatz zeigen. Immer wieder mussten sie Eltern darauf hinweisen, aufmerksam zu sein. „Wir stellen an den Seen deutlich fest, dass Eltern und Begleitpersonen lieber auf das Smartphone blicken, anstatt ihre Kinder im Wasser zu beobachten“, sagt Reincke. Eltern würden so auch nicht mitbekommen, wenn ihr Kind untergeht: „Kinder ertrinken still.“ Die Rettungsschwimmer sind zwar als Ersthelfer vor Ort. Die Verantwortung liege laut Reincke aber letztendlich bei den Eltern. Im vergangenen Jahr wurde auf die Kinder, die verunglückt sind oder gerettet wurden, nicht gut genug aufgepasst.
Hinzu komme, dass gut die Hälfte der Grundschüler in Bremen derzeit nicht sicher schwimmen kann. Die rot-grüne Regierungskoalition hatte daher im November 2018 beschlossen, dass Grundschüler ab dem Schuljahr 2020/21 schon ab der zweiten Klasse Schwimmunterricht erhalten sollen und nicht erst ab der dritten Klasse, wie es aktuell noch der Fall ist. Für Martin Reincke ist das zu spät. Schwimmen müsse genauso wie Fahrradfahren im Vorschulalter gelernt werden. Die Verantwortung liege bei den Eltern. Doch viele von ihnen seien der Meinung: Der Staat, die Schule bringe ihrem Kind das Schwimmen bei. Schwimmunterricht müsse laut Reincke nicht viel kosten. „Unterstützende Schwimmbewegungen können auch ganz wunderbar mit dem Kind im See geübt werden – kostenlos.“
Im Juni hat die DLRG in Bremen eine mobile Schwimmschule in einer Kita organisiert – mit einem Schwimmbecken bei einer Wassertiefe von 95 Zentimetern. Das Ziel: Kleinkindern das Schwimmen beizubringen. „Viele Kinder hatten große Angst, ins Wasser zu gehen. Einige waren noch nie in solch einem Becken. Das war erschreckend“, sagt Reincke. Noch diskutiert die DLRG, ob sie das Projekt der mobilen Schwimmschule weiterführen wird. „Letztendlich liegt es an den Eltern. Sie müssen mit den Kindern regelmäßig ins Schwimmbad gehen, ihnen die Angst vor dem Wasser nehmen. Und zwar vor der Grundschule.“ In Bremen sei die Bädersituation laut Reincke verhältnismäßig gut. In fast allen Bremer Stadtteilen befinde sich ein Schwimmbad.
In Niedersachsen sieht die Situation hingegen schon anders aus. „Die Schwimmbadschließungen sind ein Problem. Für viele Kinder und Schulen ist das nächste Bad zu weit weg“, sagt Christoph Penning, Pressesprecher der DLRG-Niedersachsen. Auch in Niedersachsen können immer weniger Kinder schwimmen. „Es muss mehr Schwimmstunden geben, auch die Eintrittspreise sind zu hoch“, sagt Penning. „Bäder sollten niemandem vorenthalten bleiben.“ In Niedersachsen sind im vergangenen Jahr 61 Menschen in fließenden Gewässern ertrunken. Neben der Vernachlässigung der Aufsichtspflicht vieler Eltern sei eine weitere Ursache für Badeunfälle laut Penning auch die Selbstüberschätzung von Menschen, die keine geübten Schwimmer oder gar Nichtschwimmer sind.
Mehr erwachsene Nichtschwimmer
Auch erwachsene Nichtschwimmer sind in den vergangenen Jahren verstärkt zu einem Problem geworden. „Vor allem viele Asylsuchende können nicht schwimmen und überschätzen sich“, sagt Penning. Eine DLRG-Statistik zeigt, dass im vergangenen Jahr 33 Asylsuchende in Deutschland in Fließgewässern ertrunken sind. So gut wie alle von ihnen waren Nichtschwimmer. In anderen Kulturkreisen hätten die Menschen eine andere Schwimmkultur. Daher sei es laut Penning besonders wichtig, diesen Menschen mehr Schwimmkurse anzubieten.
Nicht nur in Niedersachsen, auch in Bremen ist Selbstüberschätzung ein großes Problem. „Viele denken, wenn sie plantschen und sich ein bisschen treiben lassen, dass das schon Schwimmen ist“, sagt Reincke. „Das kann gefährlich werden.“ Aus einer DLRG-Statistik geht hervor, dass gut 80 Prozent der im Jahr 2018 ertrunkenen Menschen Männer sind. Auch hier spiele der Faktor Selbstüberschätzung eine maßgebliche Rolle.
Die Unkenntnis über Seen und Flüsse sei laut Reincke außerdem kritisch zu betrachten. Bis auf den Werdersee gibt es in Bremen ausschließlich Baggerseen. „Was viele nicht wissen: Alle Baggerseen haben irgendwann eine Kante. Da geht es dann plötzlich steil runter“, sagt Reincke. Viele Menschen würden damit nicht rechnen.
Nichtschwimmer und nicht geübte Schwimmer sollten Flüsse ganz meiden, so auch den Weserstrandabschnitt vor dem Café Sand. „Wir haben dort eine Binnenschifffahrtsstraße und eine Fähre. Hinzu kommt das Tidengewässer. Es ist ein gefährlicher Abschnitt“, sagt Reincke. Die Rettungshelfer der DLRG geben ihr Bestes an den Bremer Badeseen. Dennoch: Weniger Leichtsinn wäre laut Reincke wünschenswert und lebensrettend. Er rät daher: „Nichtschwimmer gehören in den Nichtschwimmerbereich, Eltern müssen ihrer Aufsichtspflicht nachgehen und man sollte sich nicht selbst überschätzen.“