Eine kleine Geburtstagsfeier bei Freunden. Leckeres Essen, gemütliches Licht, leise Gitarren-Musik. Dann geht es auf einmal schnell. Der nächste Song kommt aus der kleinen Bluetooth-Box: ein steinalter Partyschlager, längst zurecht vergessen und mit einem Liedtext, der nur im Bayern-Zelt um 2 Uhr nachts funktioniert. Hochroter Kopf bei der Gastgeberin. Wie konnte das nur auf die Playlist kommen?
Ein Beispiel wie dieses könnte aus der Feder von Frank Harreß kommen, wenn er mal wieder eine Situation vor dem inneren Auge seiner Zuhörer entstehen lässt, um zu verdeutlichen, was er mit seinem Unternehmen EBH in Bremen Horn-Lehe entwickelt. Zusammen mit seinen zehn Mitarbeitern erstellt der Unternehmer im dritten Stock eines schlichten weißen Bürogebäudes situationsangepasste Playlists und entwickelt komplexe Software-Lösungen zur Planung und automatischen Ausspielung von Songs. Seine Kunden: Radiostudios, Reedereien von Kreuzfahrtschiffen sowie bekannte Restaurant- und Einzelhandelsketten in Deutschland und weltweit. Sein Ziel: Überraschende Ausbrüche von Schlagerpartys im Supermarkt um die Ecke verhindern.
Während des Studiums Radiomoderator
„Seit 38 Jahren beschäftigten wir uns mit der perfekten Playlist“, beginnt Harreß im Konferenzraum des Unternehmens vor einem großen Bildschirm für Videoschalten. Dass er Dinge wortgewandt und prägnant auf den Punkt bringen kann, bewies der Unternehmer schon früh, als er während des Studiums bei Radio Bremen als Moderator einstieg. Zusammen mit zwei Kollegen gehörte er kurz darauf nach eigenen Worten zum Gründungsteam von Bremen 4.

Frank Harreß startete sein Unternehmen 1985 noch unter dem Namen EDV Beratung Harreß. Doch die Zeiten haben sich gewandelt. Heute heißt das Unternehmen nur noch EBH und erschließt neue Geschäftsfelder wie innovative Smartphone-Apps.
Jugendsender waren damals noch nicht verbreitet und in Bremen wollte man vieles anders und besser machen. Harreß hatte dabei vor allem die Musikredaktionen im Blick und fasst die Situation heute so zusammen: „Sie spielten nur die Musik, die sie kannten.“ Abwechslung? Fehlanzeige. Harreß wollte weg von langen Apotheker-Schränken mit Tonträgern, hin zu einer digitalen Lösung. Programmieren konnte er damals wie heute nicht. Also behalf er sich anders: Er schrieb ein Benutzerhandbuch für ein Programm, dass die Musik-Planung im Sender erleichtern sollte. Von seinem Moderatoren-Gehalt bezahlte er einen ersten Entwickler, der das Programm realisierte.
Ein halbes Jahr später, im Jahr 1985, war „Repertoire“ geschaffen und die EDV Beratung Harreß gegründet. Fortan verkaufte der junge Unternehmer nicht nur die ersten Computer im Bremer Umland, er vertrieb auch seine eigene Software. Mit zunehmendem Erfolg. In den 80er, 90er und 2000ern hätten sie praktisch jedes größere Radiostudio mit ihrer Software ausgestattet, so Harreß. Auch heute noch spielt das Programm eine wichtige Rolle im Geschäftsalltag von EBH, wie sich das Unternehmen jetzt nennt. Allerdings liegt die Zielgruppe nun eher im Ausland. „Wir haben diesen Markt hier abgegrast“, sagt Harreß und grinst.
Inzwischen hat die Bremer Firma auch neue Geschäftsfelder erschlossen. Frank Harreß beschreibt wieder eine Szene: Eine Tür auf einem Kreuzfahrtschiff öffnet sich. Dahinter: Pflastersteine, Tische aus alten Ölfässern, Stühle aus Aprikosenkisten, nachgebaute, alte Gaslampen am Rand. Ein italienisches Restaurant im Stil eines venezianischen Marktplatzes aus dem 15. Jahrhundert. Und Harreß: „Wir haben die passende Musik dazu.“ Nicht per DJ-Fernleihe, sondern über die Software ROSI BMS sowie ein kleines Gerät, das automatisch die passende Playlist heruntergeladen hat und abspielt. Bis zu 32 Musikkanäle erstellt EBH für ein einziges Kreuzfahrtschiff - und die Nachfrage nach diesem Service steigt stetig. Im vergangenen November verkündete das Unternehmen den größten Auftrag seiner Geschichte: EBH hat sich um die Audio-Ausstattung auf elf neuen Kreuzfahrtschiffen der Reederei MSC gekümmert, und zwölf weitere MSC-Schiffe sollen nun nachgerüstet werden. Um den Ausführungszeitraum von gerade einmal fünf Monaten zu schaffen, setzt EBH inzwischen auf einen Pool aus 15 freien Mitarbeitern, die über den Globus verteilt sind.
EBH aus Bremen sorgt für musikalische Untermalung im Supermarkt nebenan
Das Besondere bei ROSI BMS ist nicht nur, dass das Programm auch auf hoher See funktioniert: „Das ist ein Roboter“, so Harreß. Während Radios selbst ihre Playlists mit „Repertoire“ zusammenbasteln, arbeitet ROSI BMS autark - und hier kommen die Musikredaktion von EBH sowie einige der sieben exklusiven Patente der Firma ins Spiel. Bis zu vier Mitarbeiter sind im Büro tagein tagaus damit beschäftigt, neue Musik zu erwerben und zu katalogisieren. Über ein Programm werden Daten wie Genre, Sprache, Stil, männlicher/weiblicher Gesang und viele andere Stichworte rund um einen Titel erfasst. Anders als Netflix, Spotify und Co. spielt die Software am Ende jedoch nicht immer wieder ähnliche Songs ab, der Fokus liegt auf Abwechslung. Über sogenannte „Drop Ins“ werden etwa in schwedischen Handelsketten neben internationalen Hits auch lokale Songs eingestreut, die Supermarkt-Kette nebenan kann zeitweise Weihnachtslieder und Werbeansagen einstreuen.
Harreß ist nun in dem kleinen Konferenzraum nicht nur aufgrund der defekten, dauerglühenden Heizung auf Betriebstemperatur gekommen. Er erzählt begeistert von weiteren Ideen des Unternehmens und entwirft immer wieder neue Anwendungsszenarien. Die Text-To-Speech-Software „Synthia“ kann nicht nur automatisch Ansagen auf Kreuzfahrtschiffen vorlesen, Supermarkt-Zentralen können deutschlandweit nahezu in Echtzeit Angebote durchsagen lassen, um Produkte zum Tagesende je nach Bestand spontan zu reduzieren.
Im April geht es zur Messe – nach Miami
Die neue Handy-App „Smusic“ soll Radiosendern bald ermöglichen, Hörer in Echtzeit über die nächsten Songs abstimmen zu lassen. Aber auch Stadion-Hymnen im Fußball ließen sich hierüber von den Fans vor einem Spiel abstimmen. Alles mit einem Ziel: die Zufriedenheit und damit Aufenthaltsdauer oder Zuhördauer der Menschen zu erhöhen.
So simpel sich die Ideen von Frank Harreß auch manchmal anhören: Sie treffen einen Nerv. Zahlreiche namhafte Unternehmen setzen auf die Software-Lösungen von EBH aus Bremen. Im April reist das Team zu einer Kreuzfahrt-Messe nach Miami. Warum das kleine Unternehmen aus Norddeutschland mit seinen Produkten auch in Übersee so erfolgreich ist, weiß Harreß manchmal selbst nicht. Vielleicht ist es jedoch nicht nur das Talent seines Chefs, eine Software gleich für mehrere Anwendungsfelder zu entwickeln, vielleicht sind es auch die bildlichen Szenerien, die Harreß immer wieder um seine Produkte herum entwirft.