Es war das Jahr 2016 und Katrin Zeise begann, sich über ihren eigenen Plastikkonsum Gedanken zu machen. „Ich habe begriffen, dass ich bei mir anfangen muss, zu reduzieren“, sagt die heute 47-Jährige. Und aus diesem ersten Gedanken ist inzwischen der gemeinnützige Verein „Clean Up Your City“ geworden, der im „Creative Hub“ in der ehemaligen Professor-Hess-Kinderklinik angesiedelt ist. Er hat sich zum Ziel gesetzt, Müll zu sammeln und über Müllvermeidung aufzuklären.
Mittlerweile ist der Verein so stark gewachsen, dass es auch Stadtteilpaten gibt – Menschen also, die mehr Verantwortung in ihrem Wohnumfeld übernehmen und auch eigene „Clean-Ups“ organisieren. „Nahezu jeder und jede von uns putzt auch noch in anderen Stadtteilen“, sagt Katrin Zeise. Die Altersspanne reicht dabei von 18 Jahren bis ins Rentenalter. Gesucht werden aber weiterhin Freiwillige, die organisatorische Aufgaben übernehmen, damit mehr Aufklärungsarbeit geleistet kann. Vor allem will man aufmerksamkeitsstarke Aktionen organisieren. „Vor allem Studierende, die langfristig Lust auf Projektarbeit und Öffentlichkeitsarbeit in unserem Verein haben, sind herzlich willkommen. Wer Lust hat, mit uns Strategien gegen den Plastikmüll zu entwickeln, kann sich bei uns relativ frei entfalten“, versichert Zeise.
„Wir haben viel Spaß und ein gutes Teamgefühl“, berichtet sie, „wir sind nicht zwei Stunden schlecht gelaunt und sammeln Müll. Man lacht viel, kommt mit anderen Leuten ins Gespräch und amüsiert sich über Funde.“ So haben sie zum Beispiel auch einen Magnetfischer dabei, also ein Mensch, der mit einem starken Magneten an einer Leine die Gewässer absucht: „Der hat auch mal ein Fahrrad aus dem Waller See gefischt und mit seinem Vater wieder flott gemacht.“
Weniger skurril, dafür aber gefährlich sind andere Funde: „Aufpassen muss man zum Beispiel in den Wallanlagen oder im Nelson-Mandela-Park, da findet man viele Spritzen. Die packen wir dann in leere Plastikdosen.“ Und was ständig gefunden wird: „Capri-Sonne-Verpackungen, Durstlöscher und Zigarettenkippen.“
Zigarettenkippen sind nicht nur ein ästhetisches Problem, sondern vor allem eine immense Umweltbelastung: Es sind nicht nur die krebserregenden Stoffe, die sich im Filter finden - auch das im Filter enthaltene Nervengift Nikotin ist schädlich: „So kann eine einzelne Zigarettenkippe eine Menge von 1000 Litern Wasser mit Nikotin verseuchen und vergiftet damit den Lebensraum für kleine Wassertiere“, berichtet der Bremer BUND. Der aus Zellulose-Acetat hergestellte Filter selbst schadet der Natur ebenso und letzten Endes auch dem Menschen, der Teil dieser Natur ist: „Die Zerfaserung dieses Materials in kleinste Plastikpartikel kann viele Jahre dauern und trägt in letzter Konsequenz zur Belastung der Meere durch Mikroplastik bei“, erklärt der BUND.
„Wir verschenken auch Taschenaschenbecher“, erzählt Katrin Zeise – noch ein Grund weniger, seine Kippen achtlos wegzuwerfen. Dennoch wundert sie sich: „Es werden anscheinend weniger Raucher, aber nicht weniger Kippen.“ Aufklärung gebe es bereits in den Medien, doch das reiche wohl nicht, sagt sie. Deshalb gebe es nun auch den von ihnen mit angestoßenen „Kippenmarathon“, in dessen Verlauf Gruppen aus verschiedenen Stadtteilen um die Wette Zigarettenkippen sammeln. „Das war im vergangenen Jahr ein voller Erfolg und deshalb gab es den Marathon in diesem Jahr wieder. Und wir wollen dabei auch aufklären, warum Kippen giftig sind.“
Warum die Menschen überhaupt ihren Haus- und Sperrmüll in der Natur oder mitten in der Stadt entsorgen – Zeise versteht es nicht: „Das würde mich auch interessieren, warum bei einigen Menschen so wenig Bewusstsein herrscht. Wir produzieren wohl zu viele Sachen, die wir nicht brauchen und die dann auf dem Müll landen.“ Zudem hat sie eine Vermutung: „Viele Leute glauben, ihr Leben mit Besitztümern aufzuwerten, sie konsumieren und produzieren maßlos Müll. Dabei sind es Erlebnisse und Beziehungen, die das Leben aufwerten. Das haben wir leider in der zivilisierten Welt verlernt.“
Dabei möchte Katrin Zeise keinem Menschen etwas vorschreiben: „Doch ich möchte, dass man sich bewusst macht, woher die Dinge kommen, welche Arbeitsschritte damit in Verbindung stehen und wer daran mitgearbeitet hat. Und ob es regional hergestellt wurde.“ Der Hauptfaktor sei, dass man sich damit befasst: „Wie man sich dann entscheidet, ist eine andere Sache.“
Neben der Vermeidung von anfallendem Müll hat Katrin Zeise auch eine nahe liegende Lösung: „Müll einfach aufheben. Es reicht ja schon, wenn man sich sagt, man hebt täglich nur drei Dinge auf: Da kommt etwas zusammen und es landet nicht im Tiermagen.“ Jeder habe heutzutage Desinfektionsmittel in der Tasche, da brauche man nicht einmal mehr Gummihandschuhe. „Eine kleine Aktion ohne großen Aufwand und doch hat man mit einer Vorbildfunktion großen Einfluss auf seine Mitmenschen. Und vielleicht regt man ja auch eine Diskussion an, indem andere zu Hause erzählen, dass sie einen Müllsammler gesehen haben.“