Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Ein Kirchenbesuch bei Pastor Latzel Ein fast normaler Sonntag

Mit Spannung war der Gottesdienst von Pastor Latzel am Sonntag erwartet worden. Und er verlief dann über weite Strecken normal. Keine Proteste, keine direkte Stellungnahme. Dafür aber deutlich mehr Besucher.
09.02.2015, 00:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Ein fast normaler Sonntag
Von Matthias Lüdecke

Mit Spannung war der Gottesdienst in der St.-Martini-Gemeinde am Sonntag erwartet worden. Und er verlief dann über weite Strecken normal. Keine Proteste, keine direkte Stellungnahme von Pastor Olaf Latzel zu seiner umstrittenen Predigt. Dafür aber: Rückendeckung aus der Gemeinde.

Einerseits ist es ein außergewöhnlicher Gottesdienst an diesem Sonntagmorgen in der St.-Martini-Gemeinde in der Bremer Innenstadt. Denn Pastor Olaf Latzel wird das erste Mal wieder auf die Kanzel treten, nachdem seine Predigt vom 18. Januar in die öffentliche Diskussion geriet. Eine heftige Diskussion. Renke Brahms, leitender Theologe der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) sprach von „geistiger Brandstiftung“, viele Pastoren distanzierten sich öffentlich auf den Treppen des Doms und sogar die Staatsanwaltschaft ermittelt. Dies alles, weil Latzel in seiner Predigt unter anderem das islamische Zuckerfest als „Blödsinn“, Buddha als „dicken, fetten Herrn“ und die Verehrung von Gegenständen in der katholischen Kirche als „Reliquien-Dreck“ bezeichnet hatte. Für diese Passagen hat er sich entschuldigt.

Das also ist die Ausgangslage am Sonntag. Sogar die Polizei ist mit einigen Beamten vor Ort. Proteste allerdings gibt es keine. Vor der Kirche hört man Unterstützung für Latzel. „Er hätte es bloß ein bisschen anders formulieren können. Aber sonst denken wir genauso“, sagt etwa ein Ehepaar. Und auch ein anderer Besucher nimmt Latzel in Schutz: „Er neigt zu einer scharfen Formulierung. Das macht er aber nicht um anzuecken, sondern um die Leute mal ein bisschen aufzurütteln.“

Deutlich mehr Besucher

In der Kirche selbst allerdings ist es zunächst einmal ein ganz normaler Sonntag, vielleicht mit Ausnahme der Tatsache, dass etwa 500 Menschen da sind, deutlich mehr als sonst. Die Gemeindemitglieder unterhalten sich, als die Orgel verstummt, hört man Stimmengewirr. Mitunter sind die Ereignisse der vergangenen beiden Wochen natürlich ein Thema in den Kirchenbänken. Dass dieser ganze Zirkus nicht ganz fair sei, hört man etwa. Man hört auch den Namen Renke Brahms. Und dass Latzel wenigstens eine klare Linie vertrete und nicht so viel herumlamentiere.

Als es dann 10 Uhr ist, steht dieser Latzel im Gang der Kirche und wippt auf seinen Füßen vor und zurück. Ein bisschen Anspannung merkt man ihm am Anfang noch an – auch, als er sich wenig später auf seinen Platz setzt und einmal tief durchatmet. Es sind nur diese kurzen Momente, in denen man merkt, dass auch für den Pastor etwas anders ist als sonst. In seiner Predigt wird er sagen, dass die vergangenen Wochen „nicht vergnügungssteuerpflichtig gewesen“ seien. Aber sonst? Ist der Pastor um Normalität bemüht. Inhaltlich sagt er zur Predigt vom 18. Januar nichts.

Lesen Sie einen Kommentar von Daniel Killy zum Bremer Kirchenstreit.

Lesen Sie auch

Immer wieder mal gibt es einen Satz, den man, wenn man will, vielleicht als Anspielung verstehen kann. Das gilt etwa für die Kritik an der evangelischen Kirche in Deutschland, die er in seiner Predigt an diesem Sonntag äußert. Latzel bemängelt, dass die Kirche vieles tue, auch karitativ und gesellschaftlich. Dass diese Dinge wichtig seien. „Aber das wichtigste ist Jesus – und den müssen wir verkündigen!“

Am späten Nachmittag, als er als Gast in der Landeskirchlichen Gemeinschaft predigt, wird er das etwas klarer auf seine umstrittene Predigt beziehen, wird über die kircheninternen Kritiker sagen: „Die jaulen deshalb auf, weil sie genau wissen, dass der Kern von der Predigt getroffen ist.“ Und er wird zugeben, dass dies am Morgen nicht die einfachste Predigt gewesen sei, die er bisher zu halten hatte. Aber am Morgen selbst hält er sich da zurück.

Es bleibt dann am Kirchenvorstand, sich zu den vergangenen beiden Wochen zu äußern. Bauherr Jürgen Fischer verliest nach dem Gottesdienst eine Erklärung, die Latzel deutliche Rückendeckung gibt. Die Kernsätze der Erklärung: „Vorstand und Gemeinde sind dankbar für die klare, bibelorientierte Wortverkündigung ihres Pastors. Der Vorstand steht geschlossen hinter dem Pastor der Gemeinde.“ Und die Gemeindemitglieder tun das auch. Als Fischer geendet hat mit der Erklärung, in der er auch Kritik übt an der Berichterstattung und an einigen Vertretern der BEK, da stehen sie auf und applaudieren, lange. Latzel sieht man die Erleichterung an.

Und in der Tat vertreten viele in der Gemeinde die Meinung des Kirchenvorstands und stützen ihren Pastor. Dass dieser sich vergaloppiert habe im Januar, das könne man schon sagen, findet etwa Henning de Gruyter. Er findet aber auch, dass in der Diskussion der vergangenen Tage auch wichtige Passagen weggelassen worden seien, und man Latzel damit Unrecht tue. Ein anderer Besucher ist sogar extra aus Pinneberg angereist für den Gottesdienst. Er hat im Internet die Diskussion verfolgt und und sich dort die umstrittene Predigt angehört. Inhaltlich stimmt er mit Latzel überein, was sein Plädoyer gegen die Vermischung der Religionen angeht. „Man muss jetzt Stellung beziehen – dafür oder dagegen“, sagt er, „und deshalb bin ich hier.“

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)