In Bremen dauert es wieder etwas länger: Eckhart G. (Name der Redaktion bekannt) hat seine Einkommensteuererklärung für das vorige Jahr am 11. März beim Finanzamt abgegeben – elektronisch über das System Elster. Der Ingenieur im Ruhestand rechnet mit einer Steuererstattung von rund 500 Euro, und auf die wartet er nun seit nahezu fünf Monaten.
"2021 sind bei mir keine Besonderheiten gegenüber den Vorjahren enthalten", versichert G. Er sei seit 2014 Rentner und "außer ein paar Handwerkerrechnungen" reiche er bei der Steuererklärung nichts ein. Im Bürgertelefon hänge er regelmäßig endlos in der Warteschleife. Auch das Kontaktformular zum Bearbeitungsstand auf der Homepage des Finanzressorts hilft ihm nicht: Es ist derzeit abgeschaltet.
Wie lange dauert aktuell die Bearbeitung?
"Die durchschnittliche Bearbeitungszeit liegt bei Erklärungen des Jahres 2021 zum 30. Juni bei 41,69 Tagen", sagt Ramona Schlee, Sprecherin des Senators für Finanzen. Im Vergleich zum Stichtag im vorigen Jahr seien dies rund zwei Tage mehr. Das niedersächsische Finanzministerium gibt die Bearbeitungszeit von Erklärungen im Arbeitnehmerbereich zum Stichtag 1. Juli mit 45,93 Tagen an.
Solche Zahlen seien jedoch "nur eine Momentaufnahme", betont man in Bremen. Denn es seien noch viele Erklärungen aus dem vorigen Jahr - also für das Steuerjahr 2020 - unbearbeitet. Es geht um rund 45.000 alte Fälle, und diese zählten nicht mit bei der für das laufende Jahr genannten durchschnittlichen Bearbeitungszeit. Der Bearbeitungsstand für Angestellte und Rentner liegt derzeit beim Finanzamt Bremen beim 7. Februar 2022 und beim Finanzamt Bremerhaven beim 28. März 2022. "Das bedeutet, alle Erklärungen, die nach diesen Terminen eingegangen sind, sind noch nicht bearbeitet", sagt Schlee. Demnach muss Rentner G. sicher noch einige Wochen auf seinen Bescheid warten.
Aus Sicht der Hanseatischen Steuerberaterkammer Bremen ist eine alleinige Betrachtung der Bearbeitungsdauer "nicht sinnvoll", wie Geschäftsführerin Monika Will auf Anfrage mitteilt. "Zwischen dem ,besten' Bundesland Berlin und Bremen liegen in der Bearbeitungsdauer insgesamt lediglich rund zwölf Tage Differenz, bei den Arbeitnehmerveranlagungen rund 15 Tage." Zu berücksichtigen seien unter anderem auch die Qualität der Bescheide und die Zahl möglicher rechtlicher Streitfälle. Bei der Bearbeitungsdauer habe sich Bremen seit 2015 um 19 Tage verbessert, bei der Arbeitnehmer-Veranlagung um rund 23 Tage, "während ein großer Teil der Spitzengruppe sich kaum noch bewegt", betont Will.
Warum dauert es dieses Jahr so lange?
Das Bremer Finanzressort nennt im Wesentlichen drei Corona-bedingte Gründe: Entlastungen, Fristverschiebungen und Kurzarbeitergeld. Wegen der Entlastungen müssten sich die Finanzämter zusätzlich um die Herabsetzung von Vorauszahlungen oder die Gewährung von Stundungen kümmern. Die Verlängerung der Abgabefristen habe "zu einer Zusammenballung der Erklärungseingänge Ende letzten Jahres geführt" – siehe oben. Schließlich sind die meisten, die während der Corona-Pandemie in Kurzarbeit waren, erstmals verpflichtet, eine Steuererklärung abzugeben. "Das sind nach ersten Schätzungen in Bremen mehr als 10.000 zusätzliche Steuererklärungen." Die Hanseatische Steuerberaterkammer nennt zusätzliche Arbeit aufgrund von Hilfeleistungen bei den Coronahilfen als Grund für verlängerte Bearbeitungszeiten.
In Hannover verweist man zudem auch auf mögliche Ausfallzeiten in den Finanzämtern durch Krankheit, Mutterschutz, Elternzeit sowie das Besuchsaufkommen oder auch das unterschiedliche Abgabeverhalten. "Auch können sich notwendige Nachfragen oder fehlende Unterlagen auf die Bearbeitungszeiten auswirken."
Werden die Erklärungen strikt nach Eingang bearbeitet?
Innerhalb der jeweiligen Arbeitseinheit ist das so. Eine Arbeitseinheit umfasst ein bestimmtes Kontingent an Fällen, sortiert nach Steuernummern und/oder Anfangsbuchstaben von Nachnamen, etwa von A bis E. Je nach personeller Situation kann eine Arbeitseinheit in der Abarbeitung bereits weiter sein als eine andere. Daher kann ein Steuerpflichtiger, der früher abgegeben hat, seinen Steuerbescheid später bekommen als sein Nachbar, der später abgegeben hat.
Geht es elektronisch schneller als in Papierform?
Papiererklärungen müssen durch Mitarbeiter einzeln gescannt werden; falsche oder unleserliche Eintragungen sind zu korrigieren. "Das kann einige Tage dauern", sagt Schlee. Erst danach liege eine elektronische Fassung der Papiererklärung vor, die eine maschinelle Bearbeitung ermöglicht. "Ab diesem Zeitpunkt spielt es zeitlich gesehen keine Rolle mehr, ob die Erklärung in Papierform abgegeben worden ist oder elektronisch."
Warum wird kaum vollautomatisch geprüft?
Von Autofall sprechen die Behörden, wenn ein Fall automatisch durch die elektronische Bearbeitung läuft und so auch abgeschlossen wird. In der Autofall-Quote liegt Bremen mit 14,9 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt von 16,2 Prozent. "Alle Steuererklärungen durchlaufen einen maschinellen Risikofilter, der zentral programmiert wird und die Erklärungen in ,risikolos' oder ,risikobehaftet' einstuft", erklärt Schlee. Risikolose Fälle laufen automatisch durch, werden also zum Autofall. Risikobehaftete Fälle sind hingegen von Sachbearbeitern zu überprüfen. Die Einstufung sei vom Inhalt der Erklärung abhängig. Die Autofall-Quote könne vom Finanzamt nicht beeinflusst werden, heißt es in Bremen.
In Hannover hingegen betont man, dass sich die Autofall-Quote in den letzten drei Jahren "insbesondere aufgrund der voranschreitenden Digitalisierung" stetig verbessert habe: "Eine weitere Angleichung an den Bundesdurchschnitt wird in den nächsten Jahren angestrebt."
Wie erfährt man den Bearbeitungsstand?
Das Kontaktformular auf der Homepage des Bremer Finanzressorts bleibt bis auf Weiteres abgeschaltet, da es keine Plausibilitätsprüfung der Eingabefelder enthält. Man konnte also ungültige E-Mail-Adressen, Steuernummern und Jahresangaben eingeben. Dies verursachte "einen hohen Mehraufwand bei der Ermittlung der anfragenden Personen und der betroffenen Besteuerungsjahre", heißt es: "Gerade bei fehlerhaften E-Mail-Adressen konnten häufig keine Auskünfte erteilt werden, da die anfragenden Personen nicht identifizierbar waren." Das Ressort empfiehlt deshalb, Anfragen an die allgemeinen E-Mail-Adressen office@fa-hb.bremen.de und office@finanzamtbremerhaven.bremen.de zu richten.
In Niedersachsen können sich die Steuerpflichtigen durch persönliche oder telefonische Anfrage sowie mittels E-Mail an ihr Finanzamt wenden. Das Finanzministerium verweist zudem auf die Möglichkeit zur Online-Kontaktaufnahme über „Mein Elster“ unter Verwendung des Formulars „Sonstige Nachricht an das Finanzamt“.