Traurig, aber wahr: Am Montag beginnt der Räumungsverkauf bei Eisen Werner in Hemelingen. Der Inhaber konnte wohl keinen Nachfolger für sein Geschäft finden.
Die Hoffnung war da, doch erfüllte sich nicht: Rolf Werner, Inhaber des Traditionsgeschäfts Eisen-Werner, konnte wohl keinen Nachfolger für seinen Laden finden. Nun beginnt der Ausverkauf. Den hatte Werner verhindern wollen, wie er in einem Gespräch mit dem WESER-KURIER erzählte. Hier gibt es den Bericht noch einmal zum Nachlesen:
Das Küchenmesser ist eine Spezialanfertigung, superscharf, rostfrei, der Griff aus Eichenholz und im Stahl eine Gravur: Eisen-Werner, Hemelingen. Rund 300 Stück, die in dem Geschäft jedes Jahr über den Ladentresen gehen. Bald könnten es deutlich mehr werden. Das Messer als Andenken, sollte es tatsächlich wahr werden, was der Schrauber sich gar nicht vorstellen mag: Eisen-Werner vor dem Ende. Der Laden macht dicht, wenn nicht doch noch etwas Überraschendes passiert.
Ende des Jahres soll Schluss sein, vielleicht auch schon früher. Wer je diese eine Schraube gesucht hat, einen speziellen Bolzen oder Bohrer, den Haken, die Öse oder einen Schäkel. Wer im Baumarkt verzweifelt, weil es dort nur den Standard gibt und keine Sondergrößen, der weiß, was mit dem Fachgeschäft verloren geht.
Eisen-Werner, das ist Rolf Werner, ein Mann, der schnacken kann, wenn er will, dann blitzen seine Augen, der aber auch mal den Mund hält, wenn ihm danach ist. Zusammen mit seinem Angestellten steht er hinterm Tresen und bedient die Kunden. Viele sind es nicht mehr, jedenfalls an diesem Tag nicht. „Das ist der Haken“, sagt Werner, „die Leute kommen nur noch zu uns, wenn sie etwas Besonderes wollen, meist Kleinigkeiten.“ Der andere Haken ist er selbst, was man ihm freilich nicht vorwerfen kann. Der Mann ist 88, „alt genug“, sagt er. Und einen Nachfolger gibt es nicht.
Er ging beim Vater in die Lehre. Danach, von 1950 an, hatte Rolf Werner in der Hemelinger Bahnhofstraße seinen eigenen Laden für Eisenwaren, Haushaltswaren und Industriebedarf. Seitdem ist er Herr über mehr als hunderttausend unterschiedliche Artikel, wie die Inventur ergeben hat. Werner wälzt Kataloge, kauft die Ware ein, wird sie wieder los, wenn es gut geht, und berät die Kunden. Eisen-Werner ist Eisen-Werner, durch und durch: „Etwas anderes konnte ich mir nie vorstellen.“
Das Geschäft geht vor
Ein Kunde kommt, das Geschäft geht vor. Der Mann braucht einen Forstnerbohrer, geeignet für besonders große Bohrungen. Es soll ein 26er sein, und der ist offenbar selten. „Das ist ein Kunstbohrer“, erklärt Werner, „sehr präzise!“ Die Größe hat er da, der Kunde zahlt und ist zufrieden. Er heißt Georg Peus und arbeitet als Tischler im Ostertor. „Eisen-Werner ist ein Erlebnis“, sagt der 62-Jährige, „wenn ich etwas Ausgefallenes benötige, ein Schloss oder Zapfenbänder, gibt es das entweder im Laden, und ich kann es kaufen, was fast immer der Fall ist. Oder der Verkäufer geht gar nicht erst los und sucht, weil er genau weiß, was da ist und was nicht.“
Losgehen, das kann auch mal der Gang in den Keller sein, ein eigenes Reich mit Kisten und Kästen in den Regalen, die randvoll sind mit Krampen, Kauschen und Klammern, mit Nietnotgliedern, Wäscheleinenhaken und Schubkastenknöpfen. Rolf Werner zieht an einem Bindfaden, das Licht geht an, und man sieht noch mehr: Ofenrohre und Karabiner, große Rollen mit Draht oder eine Partie Schläuche. Bei den Haushaltswaren sind es Siebe, Tassen und Teller, jede Menge Backformen, und was ist das? „Einmachdosen“, sagt Werner, „für die Intelligenten, die noch selber schlachten oder in ihrem Garten ernten.“ Oben hat er eine altertümliche Dosenverschlussmaschine stehen, bedienen kann nur er sie, der Chef.
Sein einziger Angestellter ist Peter Henningsen. Früher waren es zusammen mit der Tochter, die die Buchhaltung macht, mal vier. Henningsen, 54 Jahre alt, ist bei Eisen-Werner in die Lehre gegangen und hält ihm bis heute die Treue. „Ich habe gedacht, ich bleibe bis zur letzten Schraube“, sagt er. Sein Chef, ganz trocken: „Dann müsste ich 110 Jahre alt werden.“
Dass nun bald Schluss sein soll, kann Henningsen noch gar nicht glauben, er hat erst vor ein paar Wochen davon erfahren: „Ein Schlag ins Kontor.“ Die Arbeit macht ihm Spaß, Kunden etwas verkaufen zu können, was es woanders nicht mehr gibt. Er kennt sich aus im Laden, so gut wie der Chef: „Sie können mich hier im Dunkeln reinschicken, ich finde jeden Artikel.“
Kein Ausverkauf, noch nicht
Morgens um acht wird die Ladentür geöffnet, abends um sechs geht sie wieder zu. Dazwischen zwei Stunden Mittagspause, „muss sein“, sagt Werner. Sonnabends macht er bereits um zwölf zu. Mit 88 Jahren und einem Rücken, der sich immer weiter beugt, ist das viel. „Der Tag ist zu stramm.“ Zumal er für ihn lange vorher beginnt, lange vor acht. Werner ist Frühaufsteher, um fünf klingelt der Wecker. Feierabend ist erst, wenn nach Ladenschluss die Büroarbeiten erledigt sind, er sitzt dann in seinem Kabuff, einem kleinen Büro mit Blick auf den Verkaufstresen.
Jetzt wollen sie sehen, dass das Lager weniger wird. Kein Ausverkauf, noch nicht, aber es muss ja nicht immer gleich nachbestellt werden. Eisen Werner rüstet ab. Und die Zukunft? Der Angestellte muss sich eine neue Arbeit suchen, „das letzte Mal habe ich mich handschriftlich beworben, das geht heute wohl nicht mehr“. Rolf Werner, für den der Laden alles ist, sein Leben, wäre nicht Rolf Werner, Eisen-Werner, würde er über die Zeit danach große Worte verlieren: „Dann lege ich die Füße hoch, das geht auch mal.“