Die Bremer Eiswette gibt es seit 1829, und wohl noch nie hat sie so hohe Wellen geschlagen wie in diesem Jahr. „Weil sie eine Frau ist – Bürgermeisterin darf nicht zu Spendengala“, titelte Spiegel-Online. Großen Widerhall fand der Vorgang auch in vielen anderen Medien und den sozialen Netzwerken.
Bei SPD und Grünen ist der Ärger riesengroß, dass Karoline Linnert (Grüne) nicht zum Eiswettfest eingeladen wurde, obwohl sie die Stellvertreterin von Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) ist, der am Sonnabend nicht in Bremen sein konnte. „Ich war offen entsetzt“, sagte Sieling am Montag im Gespräch mit Radio Bremen. Er habe keinerlei Verständnis für die Entscheidung des Eiswettvereins. „Das ist völlig aus der Zeit gefallen. Wir sind im Jahr 2019“, so der Bürgermeister. Bremen sei eine weltoffene Stadt, in der in jeder Hinsicht Gleichberechtigung gelte. „Mich ärgert zutiefst, was da passiert ist, es wirft ein schlechtes Licht auf uns.“
Nach Darstellung der Senatskanzlei hatte sich Sieling direkt an Eiswettpräsident Patrick Wendisch gewandt, nachdem klar war, dass er nicht am Eiswettfest teilnehmen kann, wie es für den Senatspräsidenten sonst üblich ist. Der Bürgermeister hat am Sonnabend die Beerdigung seines ermordeten Danziger Amtskollegen Pawel Adamowicz besucht. Danzig ist Partnerstadt von Bremen. Auf die Frage von Wendisch, wen man stattdessen als Vertreter des Senats einladen solle, hat Sieling laut Senatskanzlei eine klare Antwort gegeben: „Meine Stellvertreterin ist Frau Linnert.“
Kommentar mit Süffisanz
Doch es kam bekanntlich anders. Noch nie in der Geschichte der Eiswette hat eine Frau an den Tischen der Festgesellschaft Platz nehmen dürfen. Und so sollte es auch dieses Mal wieder sein. Wendisch wählte als Ersatz für Sieling den Bremerhavener Oberbürgermeister Melf Grantz (SPD). „Wir sind ein Herrenklub, machen diesen Gendergaga nicht mit. Selbst der Papst würde nicht eingeladen, wenn er eine Frau wäre“, wird Wendisch in der „Bild“ zitiert.
Linnert kommentiert die Entscheidung mit Süffisanz: „Die Herren der Eiswette legen allergrößten Wert auf Etikette. Das Protokoll spielt dann aber plötzlich keine Rolle mehr, wenn – oh Schreck – die offizielle Vertretung des Bremer Bürgermeisters nun mal die Bremer Bürgermeisterin ist“, notiert sie in einem Eintrag bei Facebook. „Wir feiern in Deutschland 100 Jahre Frauenwahlrecht – und die Eiswette hält es unter dem Deckmäntelchen der Tradition noch immer für richtig, Frauen auszuschließen. Dessen ungeachtet wünsche ich den Herren einen schönen Abend.“
Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) war aus Protest dem Eiswettfest ferngeblieben. Andere Regierungsmitglieder wie Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD) und Bausenator Joachim Lohse (Grüne) feierten jedoch mit. Die Grünen wollen das für den Senat unter den gegebenen Umständen künftig ausschließen, wie aus einem Dringlichkeitsantrag hervorgeht, der dem WESER-KURIER vorliegt. „Wir bitten den Senat, solange nicht mehr an Eiswettfesten teilzunehmen, wie Frauen dort ausgeschlossen sind“, erklärt Grünen-Fraktionschefin Maike Schaefer.
Die Haltung des Bürgermeisters geht in eine ähnliche Richtung. Sieling hat Eiswettpräsident Wendisch am Montag ins Rathaus einbestellt und ihn nach Angaben der Senatskanzlei mit Nachdruck aufgefordert, dass der Verein seine Regeln überprüft, damit so etwas wie am Sonnabend nicht mehr vorkommen könne.