Das erste Zusammentreffen des Bremer Parlaments verlief nicht ohne Ärger: Die Abgeordneten der AfD, erstmals in Fraktionsstärke vertreten, verließen am Mittwoch während der konstituierenden Sitzung der Bürgerschaft geschlossen den Saal. Grund war die letzte Rede von der scheidenden Bürgerschaftspräsidentin Antje Grotheer (SPD).
Grotheer hatte die AfD mit den Worten, ihre Vertreter stellten wiederholt demokratische Werte wie Menschenwürde und Meinungsfreiheit infrage, scharf attackiert. „Ihre Worte wirken wie Gift auf unsere Gesellschaft. Sie ist ein Motor für die Verrohung der Sprache“, sagte sie. Während die 79 Abgeordneten von CDU, SPD, Grünen, Linken, FDP und Bürgern in Wut applaudierten, standen die AfDler auf und verließen den Plenarsaal, in dem die Sitzung als letzter Akt vor der Renovierung der Bürgerschaft stattfand. „Sagen Sie Bescheid, wenn Sie fertig sind“, rief Frank Magnitz (AfD) im Gehen Grotheer zu.
Vertreter von CDU, Grünen und Linken kritisierten die Aktion der AfD im Anschluss in den sozialen Netzwerken als undemokratisch – unter anderem auch, weil das AfD-Quintett den Saal nach weiteren kritischen Worten Grotheers erneut verlassen hatte und damit nicht anwesend war, als das Parlament auf Bitte der Präsidentin des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke gedachte. „Wenn die AfD in Bremen den Plenarsaal verlässt, weil sie kritische Worte über Rechtsextremismus und das Gedenken aus Anlass des abscheulichen Mordes an Walter Lübcke nicht erträgt, ist das undemokratisch“, schrieb etwa CDU-Fraktionschef Thomas Röwekamp auf Twitter. Die AfD-Abgeordneten um Fraktionsführer Thomas Jürgewitz sehen sich dagegen zu Unrecht angegangen. „Das war eine Ansammlung infamer Unterstellungen, die sich nicht geziemen und bar jeglichen Bezugs zur Realität sind“, sagte Frank Magnitz. Deshalb habe die Fraktion spontan entschieden, mit dem Auszug aus dem Saal ihren Protest anzuzeigen.
Fraktionen verständigen im Vorfeld sich auf Grotheer
Die AfD hatte auch im Vorfeld der Sitzung nach der Wahl schon für Diskussionen gesorgt. Der Tradition des Hauses gemäß gebührt die Leitung der ersten Sitzung eigentlich dem oder der ältesten Abgeordneten – das ist Magnitz (67). Nach Auskunft der Bürgerschaftsverwaltung hatten sich im Vorfeld allerdings alle Fraktionen auf Grotheer verständigt, die sich nicht mehr als Präsidentin zur Wahl stellte. CDU, SPD, FDP, Grüne und Linke waren sich zudem einig, Magnitz als AfD-Vertreter nicht in den Bürgerschaftsvorstand zu wählen, in dem bisher jede Fraktion vertreten war. Bei der geheimen Abstimmung erhielt Magnitz 68 Nein- und acht Ja-Stimmen. Als übrige Schriftführer gewählt wurden Sandra Ahrens und Christine Schnittker (beide CDU), Ute Reimers-Bruns und Jörg Zager (beide SPD), Mustafa Öztürk (Grüne), Cindi Tuncel (Linke) und Magnus Buhlert (FDP).
Magnitz kündigte nach seiner gescheiterten Wahl an, die AfD behalte sich vor, das Thema Vorstand in einer der kommenden Sitzungen nach der Pause wieder aufzugreifen. „Wir haben damit ja leidvolle Erfahrung im Bundestag in Berlin“, sagte er. „Wir wollen konstruktive Oppositionspolitik leisten. Wenn man uns von vornherein ausschließt, werden wir uns mit allen in diesem Rahmen verfügbaren Mitteln zur Wehr setzen.“
Den Bürgerschaftspräsidenten stellt traditionell die stärkste Fraktion, in der neuen Legislatur also die CDU. Frank Imhoff, bisher Vize-Präsident, startete mit 76 Ja-Stimmen und einer Nein-Stimme sowie sechs Enthaltungen in sein neues Amt. Stellvertreterinnen sind Grotheer und erneut Sülmez Dogan (Grüne).
Der Landwirt aus dem Niedervieland genießt parteiübergreifend viel Respekt. In seiner Dankesrede nach der Wahl versprach Imhoff, sein Amt „parteiisch“ ausüben zu wollen. Er werde „immer dann Partei für dieses Haus, seine Abgeordneten und unseren demokratischen Rechtsstaat ergreifen, wenn es unberechtigterweise angegriffen, verleumdet, diffamiert und oder schlechtgeredet wird“. Imhoff appellierte an die gewählten Volksvertreter, „gemeinsam gegen extremistische, antisemitische und antidemokratische Hetze und Hetzer jeglicher Art zusammenzustehen und unser traditionell weltoffenes und freies Bundesland Bremen gegen solche Art Gedankengut zu verteidigen“.
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