Der Bremer Grünen-Abgeordnete Ralph Saxe fordert mehr Aktivitäten des Senats zur Aufarbeitung der Kolonialzeit. Weil Bremen in der Nazi-Zeit 'Stadt der Kolonien' hieß, sei das besonders wichtig.
Herr Saxe, der Beschluss der Bürgerschaft zu einem Erinnerungskonzept Kolonialismus liegt gut ein Jahr zurück, aber geschehen ist noch nicht viel. Sind Sie als einer der Initiatoren des Antrags damit unzufrieden?
Ralph Saxe: Mit dem Ergebnis kann ich nicht zufrieden sein. Die im Antrag benannten Dinge sind nicht umgesetzt. Es sind zwar Diskussionsprozesse in Gang gekommen, aber ich befürchte, dass es noch sehr lange dauert, bis die Intention dieses Antrags tatsächlich umgesetzt ist.
Warum befürchten Sie das?
Weil es ganz offensichtlich nicht wichtige Leitlinie des Senats ist, in Sachen Erinnerungskultur das Thema Kolonialismus zu bearbeiten – bislang jedenfalls noch nicht. Obwohl viele Verantwortliche sagen: Ja, das ist ein wirklich bedeutsames Thema. Weil sie wissen, dass wir Verantwortung zu übernehmen haben für das, was im Namen Deutschlands und im Namen Bremens an Unrecht geschehen ist.
In der Vergangenheit war das Thema in Bremen schon mal auf Rathausebene vorangetrieben worden.
Ja, es wurde erkannt, dass Erinnerungskultur eine ganz besondere Qualität einer Stadtgesellschaft sein kann. International ist inzwischen anerkannt, dass Deutschland die Aufarbeitung des Holocausts ernst genommen hat. Das kann man beim Kolonialismus nicht sagen. Es hat Ansätze in Bremen gegeben, die bei Bürgermeister Henning Scherf und dem damaligen Senatsrat Gunther Hilliges angesiedelt waren. Damals passierte etwas. Ähnliches auf Senatsebene kann ich derzeit nicht erkennen.
Spielt fehlendes Geld eine Rolle?
Das hängt natürlich auch am Geld. Es sind Gräueltaten in den Kolonien im Namen Deutschlands passiert, dazu muss man sich bekennen und es politisch aufarbeiten. Da Bremen eine besondere Rolle gespielt hat und in der Nazi-Zeit den Titel 'Stadt der Kolonien' trug, haben wir eine besondere Aufgabe. Das bedeutet, dass man an bestimmten Stellen auch mehr Geld dafür bereitstellen muss. Aber ich wünsche mir auch politische Prozesse. Man nimmt das Thema Erinnerungskultur zum Kolonialismus noch nicht ernst genug in dieser Stadt. Da wünsche ich mir deutlich mehr.
In der öffentlichen Diskussion erlebt das Thema Kolonialismus derzeit eine Renaissance, sehen Sie das auch so?
Ja, in der Bremer Stadtgesellschaft ist das präsent. Wir haben gerade die Ausstellung „Homestory Deutschland“ über schwarze Deutsche in der Unteren Rathaushalle, es gibt ein Themensemester an der Uni, es ist gelungen, das Anti-Kolonial-Denkmal Elefant mit erheblichen Mitteln baulich zu sanieren, es gibt Artikel in den Zeitungen und Veranstaltungen. Es ist einiges in Gang gekommen, aber noch nicht in dem Maße, wie ich es mir als einer der Initiatoren des Antrags zum Erinnerungskonzept wünschen würde.
Bei einer Gesprächsrunde Ende 2016 auf Initiative der Staatsrätin für Kultur, Carmen Emigholz von der SPD, wurden Zwischenziele zum Erinnerungskonzept definiert, die bis zum Sommer 2017 erreicht werden sollten. Offenbar ist aber bis jetzt kaum etwas davon realisiert.
Leider nicht. Ich hatte mehr Erwartungen.
Auch die Forderung, bei problematischen Straßennamen wie zum Beispiel der Lüderitzstraße erläuternde Schilder aufzuhängen, ist noch auf der Warteliste.
Ja, das hätte man schon längst machen können und müssen. Warum das nicht passiert ist, kann ich nicht nachvollziehen. Das ist ein Prozess, bei dem die Beiräte schon längst hätten beteiligt werden können.

Ralph Saxe
Was sollte noch geschehen?
Zum einen geht es um die Sichtbarmachung von Kolonialismus im Stadtbild, da gibt es ja einiges, was aber unbedingt noch näherer Erläuterungen bedarf. Wichtig ist aber ebenso, Kolonialismus in der Bildung als Thema aufzunehmen. Das wird bisher eher nur am Rande im Geschichts- oder Politikunterricht gestreift.
Wie sollten Erläuterungen aussehen?
Zum Beispiel könnte rings um das Anti-Kolonial-Denkmal Elefant im Nelson-Mandela-Park, wie er seit einigen Jahren heißt, mehr für die Erinnerungskultur gemacht werden. Doch das kann der Verein Elefant ehrenamtlich nicht auch noch leisten. Aber der Verein würde so einen Prozess selbstverständlich unterstützen.
Sollte die Wirtschaft in das Erinnerungskonzept einbezogen werden?
Ja, ich habe Kontakte mit der Handelskammer und erfahren, dass die Wirtschaft gesprächsbereit ist. Große Begeisterung wird nicht zu erwarten sein, wenn es darum geht, die Rolle der Wirtschaft im Kolonialismus aufzuarbeiten. Lange Zeit war es breiter Konsens in Deutschland, dass Kolonialismus etwas Gutes ist. Das wirkt teilweise bis heute weiter. So wird oft gesagt „Es war gut, dass die Deutschen in Südwestafrika waren“. Dass dabei viele Menschen umgebracht wurden und wir die großen Probleme Afrikas, wie sie heute bestehen, damals erst geschaffen haben, ist vielfach aus dem Blick geraten.