Es bleibt spannend. Denn noch liegen nicht alle Auswertungen des Verkehrsversuches in der Humboldtstraße komplett auf dem Tisch. Das dürfte im Dezember der Fall sein, wie Verkehrsplanerin Anne Mechels vom Team Nahmobilität auf der jüngsten Sitzung des Mobilitätsausschusses des Beirates Östliche Vorstadt in Aussicht stellte.
Nahezu alle Überbleibsel des Verkehrsversuches sind inzwischen abgeräumt. Die endgültigen Ergebnisse der Evaluation, die dann auch Verkehrszählungen und Videobeobachtungen beinhalten, werden mit Spannung erwartet. Fürchtet doch besonders die Anwohnerschaft der Nebenstraßen wie der Besselstraße, die in Phase drei beim Experimentieren mit der Einbahnstraßen-Lösung besonders stark frequentiert wurde, eine verkehrspolitische Entscheidung zu ihren Ungunsten. Das wurde an diesem Abend sehr deutlich.
Nachdem es von der Anwohnerschaft entsprechende Rückmeldungen gegeben hatte, war in Phase 3b ein Geradeausfahrgebot für die Bismarckstraße eingeführt worden. Denn die Zählung nach den Sommerferien hatte eine deutliche Zunahme des Kraftfahrzeug-Verkehrs bestätigt. In der Folge wurde ab dem 21. September das Linksabbiegen von der Bismarckstraße in die Besselstraße unterbunden.
Auch wenn die Auswertung zeigt, dass sich Zustimmung und Kritik an dem Verkehrsversuch in etwa die Waage halten, wird die ablehnende Haltung bei der Anwohnerschaft der Nebenstraßen sehr deutlich. Für Phase eins, Anlieger frei, sehen 23 Prozent der Befragten aus den Nebenstraßen eine leichte Verbesserung für den Radverkehr. Für die Humboldtstraße sahen das 20 Prozent so. Eine leichte Verschlechterung für den Autoverkehr sahen 23 beziehungsweise 26 Prozent für die Seitenstraßen. Noch überwogen allerdings die neutralen Äußerungen.
Bei der Befragung zu Phase zwei mit der Anbringung eines Modalfilters stellte sich heraus, dass 56 Prozent der Befragten Neben- und 45 Prozent der Humboldtstraßenanwohner in ihren Bereichen eine deutliche Verbesserung für den Radverkehr ausgemacht haben. Eine überwiegende Verschlechterung für Autofahrer sehen 59 Prozent, rund 50 Prozent haben eine Verschlechterung in den Seitenstraßen ausgemacht.
In der Befragung zu Phase drei (Einbahnstraßen-Lösung) verschlechterten sich die Werte für das Autofahren in dee Humboldtstraße aus Sicht von 67 Prozent dramatisch. Und auch für die Seitenstraßen gaben 58 Prozent an, dass sich die Lage verschlechtert habe.
So kam in der Sitzung immer wieder die Frage auf, weshalb ausgerechnet die Humboldtstraße vom Verkehrsressort für den Verkehrsversuch ausgewählt wurde. Anwohnerin Sandra Veith sprach gar davon, dass die Nebenstraßen in „Geiselhaft“ genommen worden seien. Darauf hatte Anne Mechels eine plausible Antwort: Schließlich handele es sich bei der 900 Meter langen Humboldtstraße mit rund 6500 Radfahrenden pro Tag um eine hoch frequentierte Fahrradroute, die zudem noch den Transfercharakter in andere Stadtteile erfülle. Dem stehen bis zu 3600 Kraftfahrzeuge pro Tag gegenüber.
Immer wieder kommt es in der Humboldtstraße, die als eine der gefährlichsten Radrouten in Bremen gilt, zu Konflikten zwischen Rad-, Auto- und Fußverkehr. Nun ist ein Überholverbot für Kraftfahrzeuge im Gespräch, die künftig nur noch hinter Radfahrenden herfahren sollen.
Und noch eine weitere Frage beantwortete die Verkehrsplanerin, nämlich die nach den Kosten des Versuches: Sie belaufen sich auf rund 50.000 Euro, die aus Mitteln finanziert werden, die die Regierungskoalition zur Stärkung des Radverkehrs in den Haushalt eingestellt hatte. Dazu kommen noch Bundesmittel.
Anwohnerin Hilde Kohake präsentierte zum Ende der Sitzung noch eine Rechenaufgabe: Im Steintor wohnen 30.000 Menschen, im Fesenfeld 7000, also zusammen 37.000. Bei einer Umfrage-Beteiligung zwischen 507 und 869 in insgesamt drei Online-Befragungen ergebe sich eine Bürgerbeteiligung von rund 2,5 Prozent. Sie stellte in Frage, dass das eine repräsentative, demokratische Entscheidung ist. Anne Mechels hielt dagegen, dass rund 5000 Wurfsendungen verteilt worden seien. Da sei die Beteiligungsquote schon ziemlich gut. Kohake monierte zudem das aggressive Verhalten von radfahrenden Rasern in Phase 2, die wütend auf Autodächer getrommelt hätten.