Mord, Totschlag, Körperverletzung mit Todesfolge - was in der Öffentlichkeit oft als „Eifersuchtsdrama“ oder „Familientragödie“ bezeichnet wird, nennen Kriminologen Femizid, wenn die Opfer weiblich sind. Frauen werden häufig getötet, weil Männer ihnen kein eigenständiges Leben zugestehen. Zumeist passiert das kurz vor oder nach Trennungen. Die Fraktionen des Bremer Regierungsbündnisses – SPD, Grüne und Linke – fordern jetzt eine gezielte Erfassung von schweren frauenfeindlichen Straftaten in der Kriminalstatistik.
„Geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen muss als solche zukünftig deutlich benannt werden“, heißt es in einer Anfrage an den Senat. „Es muss offenkundig sichtbar werden, welchen Straftaten ein frauenfeindliches Motiv zugrunde liegt.“ Den Abgeordneten geht es aber nicht nur um eine präzisere Statistik, sondern vor allem auch um eine einheitliche, eindeutige und letztlich verschärfte Rechtsprechung.
Für Frauen sei die Gefahr, getötet oder schwer verletzt zu werden, besonders groß, wenn sie ihr Leben nicht mehr mit dem bisherigen Partner verbringen wollen. „Dieser geschlechtsspezifischen Gewalt dürfen weder Justiz noch gesellschaftliches Umfeld mit Nachsicht, Verständnis oder Strafmilderungen begegnen“, fordern die drei Fraktionen. Bei diesen Trennungstötungen gebe es jedoch immer wieder auch höchstrichterliche Urteile, die den Tätern zubilligen, dass sie keine „niedrigen Beweggründe“ gehabt hätten. Damit entfällt ein entscheidendes Mordmerkmal, die Tötung wird dann maximal als Totschlag gewertet - mit einem entsprechend reduzierten Strafmaß.
Die Abgeordneten zitieren aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), nachdem keine niedrigen Beweggründe vorliegen, wenn „Gefühle der Verzweiflung und der inneren Ausweglosigkeit“ tatbestimmend waren und zudem „die Trennung von dem Tatopfer ausgegangen ist“. Dies aber widerspreche einem Abkommen des Europarates zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, der sogenannten Istanbul-Konvention – die allerdings gerade von der Türkei aufgekündigt worden ist. 34 der 47 Mitgliedstaaten des Europarates haben die Konvention ratifiziert, in Deutschland ist sie seit Februar 2018 Bundesgesetz. Was auch bedeutet, „dass bei der Strafzumessung als erschwerend berücksichtigt werden kann, wenn die Tatbegehung durch den früheren oder derzeitigen Ehemann oder Partner erfolgte“, wie die drei Bürgerschaftsfraktionen betonen.
„Bedarf es einer Gesetzesänderung, um Femizide angemessen zu bestrafen?“, lautet eine der 18 Fragen an die Landesregierung. Wird diese vom Senat bejaht, liefe das auf eine entsprechende Initiative Bremens im Bundesrat hinaus.
Zunächst fordern die Parlamentarier aber vom Senat ein klares Lagebild. So will man wissen, wie viele Frauen im Land Bremen seit 2013 Opfer von Mord, Totschlag oder tödlicher Körperverletzung wurden – und zwar „innerhalb einer laufenden oder ehemaligen Partnerschaftsbeziehung“. Und wie viele Personen wegen solcher Taten verurteilt wurden, auch wenn es beim Versuch blieb.
Außerdem interessiert, wie häufig und wie rasch Gerichte Maßnahmen ergriffen haben zum Schutz von Frauen, die Attacken ihrer Partner überlebt haben. Im Rahmen einer Gewaltschutzanordnung können Richter den Tätern diverse Auflagen machen. Den Bereich der Sozialpolitik berührt die Frage, ob insbesondere Frauen mit Migrationsgeschichte, Sexarbeiterinnen, Frauen mit Beeinträchtigung und obdachlose Frauen von Gewalt durch Partner und Ex-Partner betroffen sind.
Bei der Hilfsorganisation Weißer Ring, die im Land Bremen pro Jahr rund 400 Verbrechensopfer betreut, hat man keine detaillierten Erkenntnisse zu Femiziden. Die Landesvorsitzende Margaret Hoffmann betont die gute Vernetzung mit Institutionen wir der Trauma-Ambulanz Bremerhaven, Frauenhäusern oder Terre des Femmes: „Wir verstehen uns da auch als Lotsen, wenn sich Frauen mit Gewalterfahrung an uns wenden.“
Schutz vor Gewalt
Im Rahmen einer Gewaltschutzmaßnahme kann das Gericht anordnen, dass der Täter die Wohnung des Opfers nicht betreten darf oder einen bestimmten Umkreis der Wohnung zu meiden hat. Auch der Aufenthalt an bestimmten Orten, die vom Opfer regelmäßig aufgesucht werden (Arbeitsplatz, Kindergarten, Schule) kann untersagt werden. Selbst die telefonische Kontaktaufnahme zum Opfer kann verboten werden.
Sehr weitreichend ist die Wohnungsverweisung: Dann muss der Täter dem Opfer die gemeinsame Wohnung überlassen. Dies gilt nicht nur für Ehepaare. Zumeist werden solche Anordnungen erst einmal befristet verhängt, um dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu genügen. Bei Bedarf können sie aber auch verlängert oder gar unbefristet angeordnet werden.