Nein, es sind keine Köpfe gerollt, nach dem Vorwürfen wegen Rechtsextremismus, Sexismus, Homophobie und dem von höchster Stelle attestierten Führungsversagen bei der Bremer Feuerwehr. Es gab strafrechtliche Ermittlungen gegen einen Feuerwehrmann (inzwischen eingestellt) sowie Disziplinarverfahren gegen drei weitere Beschuldigte. Die haben Widerspruch eingelegt, Anfang November wird darüber am Verwaltungsgericht entschieden. Aber personelle Konsequenzen in Form von Degradierungen, Abmahnungen oder Versetzungen hat es auf Führungsebene nicht gegeben, beantwortet die Innenbehörde eine entsprechende Anfrage des WESER-KURIER. Dafür sei aber eine Vielzahl von Prozessen und Maßnahmen angestoßen worden, nicht zuletzt auch personeller Art.
Um einzelne Vorgesetzte belangen zu können, hätte ihr Verhalten nachweislich justiziabel sein müssen, sagt Rose Gerdts-Schiffler, Sprecherin von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). "Das war es aber nicht." Der Leiter der Personalabteilung, der für eine bestimmte Unkultur innerhalb der Feuerwehr gestanden habe, war ohnehin bereits ein Jahr vor Bekanntwerden des Skandals in den Ruhestand gegangen. Und der langjährige Leiter der Feuerwehr, dem persönlich nichts vorgeworfen worden sei, war unmittelbar vor Bekanntwerden der Beschwerden aus der Feuerwehr ausgeschieden und ist seither Landesbeauftragter für Katastrophenschutz.
Die Unruhe und Verunsicherung in der Feuerwehr sei damals riesig gewesen, erinnert Gerdts-Schiffler an die Welle der Empörung, die im Herbst 2020 über die Berufswehr hereinbrach. Vorwürfe mussten verifiziert und aufgearbeitet werden, ohne die Arbeitsfähigkeit und Motivation der Gesamtorganisation zu schwächen, was schon aus Sicherheitsaspekten unbedingt zu vermeiden gewesen sei. Abgesehen von den rechtlichen Fragen hätte ein solches Vorgehen auch die jetzt eingeleiteten umfassenden Änderungen erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht, sagt die Behördensprecherin.
Statt einzelne Verantwortliche herauszupicken, sei die Feuerwehr vor zwei Jahren in einen „bislang nie dagewesenen Prozess der Infragestellung, Veränderung und der Neuausrichtung gegangen“, so Gerdts-Schiffler. Viel wichtiger als einzelne Disziplinarverfahren sei, dass das Thema Diskriminierung jeglicher Art bewusster und sensibler durch alle Hierarchien hindurch behandelt werde.
Ein Fehlverhalten Einzelner sei in einer so großen Organisation nie auszuschließen. "Wichtig ist, dass dies als solches erkannt wird und unverzüglich in der richtigen Form darauf reagiert wird." Genau an dieser Stelle habe man strukturell wie personell angesetzt. An der Spitze der Feuerwehr stehe inzwischen ein völlig neues Team, angefangen vom Chef der Feuerwehr, seinem Stellvertreter bis hin zu den neuen Leitungen der Abteilungen „Zentrale Dienste“ und „Personalverwaltung“, die mit zwei externen Frauen besetzt wurden. Um neue Impulse zu setzen, würden Führungsstellen inzwischen grundsätzlich extern ausgeschrieben, betont die Sprecherin des Innenressorts. Was auch für den neuen Chef der Feuerwehr gilt, Philipp Heßemer, der von Köln nach Bremen kam. Seit Mitte 2021 gibt es erstmals eine weibliche Führungskraft in der feuerwehrtechnischen Ausbildung. Zudem wurden zwei Beauftragte für das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ernannt und eine Antirassismus-Beauftragte implementiert. Nicht zu vergessen die Einstellung einer unabhängigen Polizei- und Feuerwehrbeauftragten zum 1. März dieses Jahres.
Um den strukturellen Umbau der Feuerwehr auf den Weg zu bringen, habe es eine Reihe an kurzfristigen, mittelfristigen und langfristigen Maßnahmen gegeben. So habe die Feuerwehr neben ihrem groß angelegten Projekt "Unsere Feuerwehr 2025" und dem Erstellen eines Leitbildes im vergangenen Jahr einen Elf-Punkte-Plan für schnell umzusetzende Änderungen aufgestellt. Dabei geht es unter anderem um das Beurteilungswesens mit Blick auf die Gleichstellung von Frauen, um die Überprüfung des Einstellungs- und Auswahlverfahrens nach Gender-Aspekten und Migrationsanteil oder auch um zeitgemäße Dienstanweisungen, erläutert Gerdts-Schiffler.
Zudem sei – mit Blick auf die erhobenen Vorwürfe – ein regelmäßiges Fortbildungsangebot für alle Mitarbeitende geschaffen worden. Derzeit laufe bereits eine Schulungsserie, die unter anderem Themen wie Diversitätsorientierte- und diskriminierungssensible Führung, Mobbing oder Homofeindlichkeit aufgreife.
"Zu wenig Personal"
"Gute Ansätze", konstatiert auch Tanja Schmidt, Frauenbeauftragte der Feuerwehr. Und es gebe noch viele andere in der Schublade. Doch um diese umzusetzen, fehle es an Geld und Personal. "Wir haben einen so großen Fehlbedarf beim Personal, dass wir die Leute ja gar nicht in die Schulungen schicken können." Was sie durchaus als Botschaft in Richtung Politik verstanden wissen will: Der politische Druck, dass sich in der Feuerwehr etwas grundlegend ändern müsse, sei das eine. "Aber dann muss für solche Prozesse auch Geld da sein."