Die Gewerkschaft Verdi hat Ihnen zuletzt – wie zuvor auch schon einige andere – vorgeworfen, als langjähriger Chef der Feuerwehr hätten Sie von den Verfehlungen unter anderem des ehemaligen Personalleiters wissen müssen. Was sagen Sie dazu?
Karl-Heinz Knorr: Ich kann verstehen, dass die Gewerkschaft das so sieht. Die Frage stellt sich ja auch. Ich kann nur sagen, ich habe in Bezug auf den Personalleiter nichts von den Missständen bemerkt, die in dem Bericht der Sonderermittlerin aufgeführt wurden. Das ist auch etwas, das mich massiv umtreibt. Mir lässt die Frage keine Ruhe, warum ich es nicht gesehen und gewusst habe. Das ist für mich ein nicht geklärtes Rätsel.
Beide Sonderberichte kommen zu dem Schluss, bei der Feuerwehr hätte es ein zum Teil „eklatantes Versagen“ des Führungspersonals gegeben, ein von „Druck und Angst“ geprägtes Klima. Wie bewerten Sie die Ergebnisse?
Ich habe keinen Grund, die Berichte infrage zu stellen. Einzelne Kritikpunkte konnte man erwarten, Beschwerden über Kommunikation oder zu wenig Fortbildungen. Aber Teile der Ergebnisse, insbesondere das Thema angstbesetzte Führung, waren für mich nicht erkennbar. Ich hätte auch nicht damit gerechnet. Ich frage mich bis heute ohne Ergebnis immer wieder: Wo hätte man Anzeichen sehen können, gab es überhaupt Anzeichen? Das heißt nicht, dass die Probleme nicht da waren, sie waren nur nicht erkennbar für mich. Ich kann verstehen, dass das für alle von außen Draufschauenden sehr unerklärlich wirkt. Dies ist es ja auch für mich selbst.
Wo sehen Sie vielleicht auch eigenes Versagen? Machen Sie sich selbst Vorwürfe, Alarmzeichen nicht bemerkt oder nicht schnell genug eingegriffen zu haben?
Ich frage mich vor allem, was ich hätte anders machen können. Ich habe jede der 18 Wachabteilungen jedes Jahr mindestens ein Mal besucht. Natürlich sind in den Gesprächen, zum Teil unter vier oder sechs Augen, auch mit der Personalvertretung, immer mal wieder Dinge auf den Tisch gekommen, die nicht gut laufen, die wir ändern müssen, Forderungen und Ähnliches. Das wurde immer artikuliert. Aber das Thema angstbesetzte Führung war nie auf der Tagesordnung. Natürlich äußert man so etwas nicht in der Gruppe, aber dass jemand im Anschluss gesagt hätte: ,Können wir mal reden, speziell über Druck?‘, oder um einen vertraulichen Termin gebeten hat, ist nie passiert.
Wäre ein Erklärungsansatz, dass Sie als Teil dieses Führungssystems wahrgenommen wurden?
Das glaube ich nicht. Ich werde nach wie vor freundlich begrüßt, wenn ich auf der Wache zu Besuch bin. Und ich werde ja auch in dem Bericht der Sonderermittlerin nicht als jemand erwähnt, der zu diesem Angstklima beigetragen hätte.
Ist ein überwiegend männlich geprägtes System wie die Feuerwehr aus Ihrer Sicht anfälliger für das Auftauchen von frauenfeindlichen oder rassistischen Tendenzen als andere?
Ich glaube schon, dass ein System wie die Feuerwehr besondere Stärken und besondere Schwächen hat. Dass sich aus so einer Einsatzstruktur zwingend Frauenfeindlichkeit und Rassismus entwickeln, glaube ich weniger. Ich kann mir aber vorstellen, dass in einer männlich geprägten Organisation, die Einsätze zusammen durchlebt, die Grenze des Rustikalen zum Nicht-mehr-Tolerierbaren schneller überschritten wird als in anderen. Dann bedarf es der Sensibilität der Vorgesetzten, in solchen Fällen schnell einzuschreiten.
Was muss sich aus Ihrer Sicht strukturell bei der Feuerwehr ändern?
Es gibt Bedarf an Fortbildungen und Veränderungen, und es gibt auch Punkte, an denen man externe Unterstützung benötigen wird. Man muss sich jetzt die Strukturen im Detail anschauen, und da wird es Sachen geben, bei denen Fach- und Sachkunde von außen den Prozess begleiten müssen.