Viele deutsche Städte und Gemeinden erwarten im Herbst bundesweit einen verstärkten Zuzug von Geflüchteten. Der Deutsche Städtetag warnt vor drohenden Engpässen bei Schlafplätzen im Winter und forderte nun die Bundesregierung auf, einen neuen Flüchtlingsgipfel einzuberufen. Kommunen in Nordrhein-Westfalen fürchten eine Überlastung der Gemeinden. Auch Bremen steht bei der Flüchtlingsaufnahme vor Herausforderungen.
Laut Sozialressort kamen im August durchschnittlich 50 Personen pro Tag in Bremen an, davon etwa ein Drittel aus der Ukraine. Weitere Herkunftsländer seien hauptsächlich Syrien, Afghanistan, Albanien und die Türkei. "Wir sehen auch beim Zuzug von Geflüchteten aus anderen Herkunftsländern einen Anstieg", sagt Wolf Krämer, Sprecher des Bremer Sozialressorts. Das Sozialressort sucht weiterhin dringend nach Immobilien, die als Flüchtlingsunterkunft taugen. Gerne würde man die Notunterkünfte wie die Zeltstadt abbauen und die Geflüchteten in festen Gebäuden unterbringen, so der Sprecher: "Aber die Notunterkünfte sind gut ausgelastet, wir suchen nach weiteren Unterkünften. Die derzeitigen Zuzugszahlen stellen uns vor Herausforderungen." Die Behörde sucht zum Beispiel nach leer stehenden Hotels, Privatimmobilien oder Firmengebäuden.
Der Deutsche Landkreistag warnte zuletzt mit Blick auf die Flüchtlingsunterbringung vor Zuständen wie in den Jahren der starken Migrationsbewegung 2015 und 2016. Viele Landkreise hätten bei der Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge die Kapazitätsgrenzen erreicht. Viele Städte und Gemeinden sind weiterhin auf die Belegung von Turnhallen angewiesen. In Bremen sind derzeit laut Sozialbehörde keine Flüchtlinge mehr in Sporthallen untergebracht: "Turnhallen sind für uns nur das allerletzte Mittel", so Krämer. Das Sozialressort prüft aber nun, ob und wie die Zeltstadt in der Überseestadt winterfest gemacht werden kann. Die Zelte sollten ursprünglich Ende September abgebaut werden.
Zelte für unbegleitete Minderjährige
Zelte für Geflüchtete gibt es auch in Kattenturm bei der Landesaufnahmestelle für Geflüchtete an der Alfred-Faust-Straße. Sie wurden schon vor Längerem aufgebaut und zur Unterbringung von Erwachsenen und Familien genutzt, stehen derzeit aber leer. Dort sollen nun laut Behörde unbegleitete minderjährige Geflüchtete untergebracht werden. Denn auch ihre Zahl stieg an, laut Sozialressort bereits im vergangenen Jahr. 2022 habe sich der Anstieg verstärkt: In diesem Jahr wurden in Bremen von Januar bis Ende Juli mehr als 430 unbegleitete minderjährige Ausländer in Obhut genommen.
Derzeit kämen pro Tag etwa zwei Minderjährige hinzu, die allein ohne ihre Familie geflüchtet seien und in Bremen Schutz vor Verfolgung und Krieg suchen würden, heißt es vom Bremer Verein Fluchtraum. "Die aktuelle Situation erinnert fast an 2014“, sagt Fluchtraum-Leiterin Dagmar Koch-Zadi. Auch damals kamen viele unbegleitete Minderjährige nach Bremen. Um diese Jugendlichen zu unterstützen, sucht Fluchtraum dringend nach Ehrenamtlichen, die ihnen als Mentoren zur Seite stehen. Mentoren könnten im Alltag unterstützen, beim Deutschlernen helfen, den Jugendlichen die Stadt zeigen oder bei Behördengängen begleiten, sagt Ehrenamtskoordinatorin Hannah Dehning von Fluchtraum.
Fluchtraum: "Die Jugendlichen nicht allein lassen"
Sie fordert, Bremen müsse sich bei der Aufnahme der Jugendlichen besser aufstellen. Es fehle an Sozialarbeitern, die diese professionell begleiten. "Die Versorgung mit pädagogischem Personal ist bei den Neuankömmlingen nicht gegeben", sagt Dehning. Doch die Stadt dürfe "die Jugendlichen nicht alleine lassen". Derzeit laufe die Situation aus dem Ruder: "Es gibt eine Überforderung bei den Jugendhilfe-Trägern." Gerade für die Begleitung der unbegleiteten Minderjährigen habe man es mit einem großen Fachkräfteproblem zu tun, heißt es dazu vom Sozialressort.
Personalsuche und Unterkünfte sind also derzeit zwei Baustellen für Bremen: "Es werden mehr Unterkünfte gebraucht, das spüren wir", sagt auch Anke Wiebersiek, Sprecherin der Arbeiterwohlfahrt Bremen (Awo). In Vorbereitung seien bei der Awo derzeit drei weitere Einrichtungen für Geflüchtete, für die die Awo die Betreuung übernehmen werde. Und insbesondere für die Betreuung der Minderjährigen, die in den Zelten in Kattenturm untergebracht werden, sucht die Awo derzeit dringend pädagogisches Personal.
Die Suche nach Pädagogen und Gebäuden ist auch für das Deutsche Rote Kreuz Bremen (DRK) schwierig, das neben mehreren Wohnheimen die Zeltstadt in der Überseestadt mit zuletzt knapp 1000 Bewohnern betreibt. "Der Strom der Geflüchteten wird im Winter nicht abreißen, von daher sind wir für jede Unterstützung dankbar, sowohl beim Personal als auch bei Räumen", sagt DRK-Sprecher Lübbo Röwer. "Es suchen alle seit Monaten nach festen Unterkünften, denn Zelte und insbesondere Zelte im Winter sind nur die Not-Not-Lösung."