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Schulsystem Hunderte Schüler wiederholen in Bremen freiwillig

Auch wenn Bremen das Sitzenbleiben abgeschafft hat, können Schüler freiwillig wiederholen. Allerdings reicht nicht einfach ein Antrag der Erziehungsberechtigten.
28.08.2022, 05:00 Uhr
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Hunderte Schüler wiederholen in Bremen freiwillig
Von Frank Hethey

Für manche Eltern war das Zeugnis ihrer Kinder eine böse Überraschung. Ein paar Fünfen und etliche Vieren – das tut weh. Erst recht, wenn es sich um das Zeugnis eines Neuntklässlers aus der Oberschule handelt. Immerhin muss so ein 15-Jähriger sich damit schon um einen Ausbildungsplatz bewerben. Was liegt da näher als der Gedanke, ihn das Jahr freiwillig wiederholen zu lassen? Laut Schulgesetz ist das möglich, auch wenn das Sitzenbleiben in Bremen seit dem Schuljahr 2008/09 abgeschafft ist.  

Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass in Bremen dennoch Jahr für Jahr mehrere Hundert Schülerinnen und Schüler eine Klasse wiederholen. Vorläufigen Zahlen zufolge waren es im Schuljahr 2021/22 genau 550, das ist eine Quote von 1,1 Prozent. Unter ihnen befanden sich 160 Oberschüler, was einer Quote von 0,7 Prozent entspricht. Die meisten Wiederholer sind mit 324 in der Grundschule zu finden, auf dem Gymnasium drehten 66 Kinder und Jugendliche eine Ehrenrunde. Seit Jahren sind die Wiederholerzahlen mehr oder weniger stabil, die Pandemie hat keinen erkennbaren Einfluss genommen.

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Doch weniger gute Schülerinnen und Schüler können nicht einfach wiederholen, weil die Eltern es wollen. Das Schulgesetz schreibt vor, dass Einvernehmen zwischen Schule und Erziehungsberechtigten herrschen muss. Und zwar unter der Voraussetzung, "dass die Schülerin oder der Schüler in der neuen Jahrgangsstufe hinsichtlich seiner oder ihrer Fähigkeiten angemessener gefördert werden kann". Näheres dazu sei im Schulrecht nicht geregelt, sagt Ressortsprecherin Maike Wiedwald. Es bedürfe daher einer analogen Anwendung bestehender Regelungen.

Tragen sich Eltern mit dem Gedanken, ihr Kind wiederholen zu lassen, muss laut Bildungsbehörde ein Antrag gestellt werden. "Über die Anträge auf freiwillige Wiederholung entscheidet die Zeugniskonferenz", sagt Wiedwald. Die Entscheidung müsse dokumentiert werden. Die Eltern erhielten dann eine schriftliche Mitteilung, ob dem Antrag stattgegeben wurde oder nicht. "Wenn das nicht der Fall ist, muss die Schule das näher begründen." Sind die Eltern mit der Entscheidung nicht einverstanden, steht ihnen der Rechtsweg offen – sie können Widerspruch einlegen und beim Verwaltungsgericht klagen. 

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Schlicht und einfach ablehnen dürfen Schulen weder Anfragen noch Anträge. Soll heißen: Die lapidare Antwort, die Wiederholung der neunten Klasse sei nicht vorgesehen, ist im offiziellen Prozedere nicht vorgesehen. Im Normalfall sollten solche Auskünfte auch gar nicht vorkommen. In der Praxis sprächen Lehrkräfte schon vor der Antragstellung mit Schülern und Eltern, so Wiedwald. "Es geht um Beratung, ob eine Klassenwiederholung überhaupt sinnvoll ist." Der Antrag selbst sei dann oft nur die formale Seite, die abgearbeitet werde. Was natürlich voraussetzt, dass die Beratung auch wirklich stattfindet.   

Laut Bildungsbehörde bringen Eltern häufig am Ende der zehnten Oberschulklasse den Wunsch nach Wiederholung vor. In einer Statistik der Bildungsbehörde vom Herbst 2016 schlug sich dieser Wunsch allerdings nicht nieder. Im Oberschuljahr 2015/16 wiederholten 64 Neuntklässler, aber nur 26 Zehntklässler. Ähnlich im Schuljahr 2014/15: Damals wiederholten 48 Neuntklässler und 18 Zehntklässler.

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Eine andere Frage ist, wie erfolgversprechend das freiwillige Wiederholen ist. "Die Eltern erhoffen sich, dass ihr Kind den Durchschnitt des Abschlusses – durch die Wiederholung der Klasse – verbessern würde", sagt Wiedwald. Viele Untersuchungen wie auch die Praxis zeigten aber, dass die Leistungen der wenigsten Schülerinnen und Schüler durch Wiederholen besser würden. "Deshalb werden in Beratungsgesprächen auch andere Wege aufgezeigt, die es vor allem an den berufsbildenden Schulen gibt." 

In einer Antwort auf eine FDP-Anfrage von 2016 wies die Bildungsbehörde noch auf einen anderen Umstand hin. Die Oberschule ermögliche einen Wechsel zwischen den Bildungsgängen zur Erweiterten Berufsbildungsreife, zum Mittleren Schulabschluss und zum Abitur "ohne dass die Schulart gewechselt oder eine Jahrgangsstufe wiederholt werden müsste".

Der stellvertretende Leiter der Wilhelm-Olbers-Oberschule in Hemelingen, Carl Böhm, befürwortet den Kurs der Bildungsbehörde. "Das Zurückstufen ist meistens nicht zielführend", sagt er. Allerdings räumt er ein, dass es mitunter an der stattdessen vorgesehenen Förderung hapert. "An bestimmten Oberschulen und gerade an Schulen in der Peripherie haben wir eben einen Personalmangel", so Böhm im Gespräch mit dem WESER-KURIER. "Wir müssen schon kreativ sein, um Förderung zu gewährleisten." 

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