Die Pressemitteilung der CDU klingt dramatisch – fast so, als stünde der deutsch-französische Unterricht am Gymnasium Horn vor dem Aus. Von einer Torpedierung durch die Bildungsbehörde ist da die Rede, der mehrsprachige Unterricht in Horn müsse unbedingt fortgesetzt werden. "Jetzt steht das anerkannte Programm auf der Kippe, weil die Bildungsbehörde sich nicht mehr an ihre Zusagen gebunden fühlt", heißt es in der Mitteilung. Doch aus dem Haus von Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) sind andere Töne zu hören. Tatsächlich geht es nicht um Sein oder Nicht-Sein des bilingualen Zweigs. Sondern um die Frage, ob die Behörde einen bislang mit Spendengeldern finanzierten Zusatzunterricht fördern soll.
Seit dem Schuljahr 2008/09 bietet das Gymnasium Horn als einzige Schule in Bremen das Abi-Bac an, kurz für Abitur und das französische Gegenstück Baccalauréat. Ab der fünften Klasse kann man einen verstärkten Französischunterricht anwählen, parallel werden zwei weitere Fächer auf Deutsch und Französisch gegeben. Der doppelte Abschluss in diesem bilingualen Zweig orientiert sich an den deutschen Lehrplänen, ohne zusätzliche Sprachtests ermöglicht das Abi-Bac den Hochschulzugang in Frankreich und Deutschland. Aus dem gesamten Stadtgebiet kommen die Abi-Bac-Kinder. Das Problem: Für Schülerinnen und Schüler mit französischer Muttersprache ist der Französischunterricht nicht konzipiert. Um dieses Defizit aufzufangen, gibt es für Muttersprachler einen Zusatzunterricht mit französischen Lehrkräften.
Verein bezahlte Französischlehrer mit Spendengeldern
Bis vor zwei Jahren lag dieser Zusatzunterricht in den Händen des Vereins Interkulturelle Schule. Der Verein engagierte zwei französische Lehrkräfte und bezahlte sie mit Spendengeldern. Dabei ging es dem Vernehmen nach um eine Summe von 30.000 Euro pro Schuljahr. Schwierig wurde es, als namhafte Großspender ihre Zahlungen einstellten – offenbar in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Der Verein Interkulturelle Schule stieg als Arbeitgeber aus, der Schulverein Gymnasium Horn übernahm.
Inzwischen gestaltet nur noch eine französische Lehrkraft den Zusatzunterricht, die Aufwendungen belaufen sich auf 24.500 Euro pro Schuljahr. Davon stammen bis zu 5000 Euro aus Fördermitteln der Bildungsbehörde, den Rest steuert der Schulverein bei. Teils handelt es sich um Spenden, teils müssen die eigenen Rücklagen herhalten. Einen Zuschuss gab es von der Schütting-Stiftung, in deren Stiftungsrat Bildungssenatorin Aulepp sitzt.
Als Daueraufgabe des Schulvereins betrachtet der Vorsitzende Siegbert Meß die Finanzierung des Zusatzunterrichts aber nicht. "Mit der Anstellung sollte nur eine schwierige Situation überbrückt werden", sagt er. In der Pflicht sieht Meß jetzt die Bildungsbehörde. Zumal die frühere Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) wie auch Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) den Zusatzunterricht noch im vergangenen Jahr als "förderungsfähige Maßnahme" unterstützt hätten.
Wechsel an der Ressortspitze
Doch mit dem Wechsel an der Ressortspitze hat sich die Tonlage verändert. Offenbar gibt es Vorbehalte gegen den Wunsch, die Finanzierungslücke mit staatlichen Mitteln zu füllen. Frei nach dem Motto: Privater Nachhilfeunterricht soll auch privat finanziert werden. In anderen Stadtteilen werde das Geld dringender gebraucht. Aus dem Umfeld von Aulepp sind Warnungen vor einem Präzedenzfall und einer Doppelstruktur zu hören. Offiziell lässt die Behörde durchblicken, sie habe ihre Hausaufgaben gemacht – sogar besonders gut. "Die senatorische Behörde unterstützt für das Abi-Bac das Gymnasium Horn mit zusätzlichen acht Lehrerwochenstunden für den bilingualen Unterricht", sagt Ressortsprecherin Maike Wiedwald.
Unterdessen widerspricht Meß der Ansicht, dass der Zusatzunterricht als bloße Nachhilfe zu verstehen sei. Ohne den Zusatzunterricht für Muttersprachler befürchtet er eine substanzielle Schwächung des bilingualen Zweigs am Gymnasium Horn. "Von französischer Seite wäre das nötige Vertrauen nicht da", sagt Meß – französische Eltern hätten klare Vorstellungen von der Unterrichtsqualität. Als Beispiel nennt er die beiden Kinder des französischen Abgeordneten der Nationalversammlung, Frédéric Petit. Der 61-Jährige vertritt in Paris die Auslandsfranzosen in Deutschland, Mitteleuropa und auf dem Balkan. Obwohl es in seinem Arbeitsort Hamburg eine französische Schule gebe, gingen seine Kinder aufs Gymnasium Horn – laut Meß eine Anerkennung der Qualität des dortigen Abi-Bac.
Womöglich zeichnet sich aber eine Verständigung ab. Wiedwald will noch nicht einmal von einem Streit sprechen, sie verweist auf einen "Diskussionspunkt". Man sei auf einem guten Weg, eine gemeinsame Lösung zu finden. In Wirtschaftskreisen wird derweil der Wert von Fremdsprachenkenntnissen betont, gerade für das traditionell exportorientierte Bremen. "Auch die zweite Fremdsprache bekommt für die Wirtschaft immer mehr Bedeutung", sagt Michael Zeimet, Leiter der Aus- und Weiterbildung bei der Handelskammer Bremen. Englisch sei für junge Menschen eine Grundvoraussetzung zum Beispiel in der Logistikbranche. "Wenn darüber hinaus Französischkenntnisse intensiv vermittelt werden, umso besser."