So langsam beißt sich Stefan Ladenberger in den Toprängen fest. Wie schon in den beiden Vorjahren überzeugte der Küchenchef von „Das kleine Lokal“ die Tester des am Montag publizierten Restaurantführers Gault & Millau 2018: Abermals gab es 15 von 20 Punkten für seine geradlinige Art, einfallsreich und mit Sorgfalt frische saisonale Produkte auf den Tisch zu bringen. „Das freut mich natürlich“, sagt der 49-Jährige, „damit werden die Mühen eines Jahres belohnt.“ Auf die gleiche Punktzahl kommt auch „Grashoff’s Bistro“, es büßte im Vergleich zum Vorjahr allerdings einen Punkt ein und muss sich deshalb von Gault & Millau als „Absteiger“ bezeichnen lassen.
Insgesamt fällt die Bilanz ziemlich durchwachsen aus. Nur sechs Restaurants im Land Bremen finden überhaupt Berücksichtigung, davon zwei aus Bremerhaven. Aus dem stadtbremischen Gebiet haben es gerade mal vier Lokale in die Wertungsränge geschafft: neben den beiden Top-Adressen auch das „Topaz“ und die „Küche 13“, die freilich wie Grashoff’s Bistro um jeweils einen Punkt zurückgestuft wurden.
Ein trauriges Gesamtergebnis
Für seine Kollegen bringt Ladenberger allerhand Mitgefühl auf. Es sei natürlich bitter, wenn man „einen über den Deckel kriegt“ – er kennt das, er hat es selbst schon erlebt. Dennoch erfüllt es ihn mit Sorge, wenn er den Blick über den eigenen Tellerrand schweifen lässt. Von einem „traurigen Gesamtergebnis“ spricht der Spitzenkoch, Bremen sei ein „kulinarisches Niemandsland“. In seinen Augen gibt es einigen Nachholbedarf, die Stadt müsse wieder attraktiver werden für Feinschmecker. Und nicht nur für die – auch den Nachwuchs am Herd dürfe man nicht vergessen. Denn der mache derzeit „einen großen Bogen“ um Bremen. „Bei einem besseren Ergebnis würden auch wieder mehr junge Köche nach Bremen kommen, um sich auszuprobieren.“
Doch nach Lage der Dinge werden sich Jungköche eher in Niedersachsen versuchen. Das „Aqua“ in Wolfsburg rangiert in der bundesweiten Wertung mit 19,5 von 20 Punkten ganz oben. Anzumerken wäre, dass der französische Restaurantführer sich wenig überraschend am französischen Schulnotensystem orientiert. Und in dem gelten 20 Punkte als Idealwert und als unerreichbar. Mit anderen Worten: 19,5 Punkte sind der Spitzenwert, mehr geht nicht.
Sieben mal höchste Punktzahl
Nur sieben Köche im Bundesgebiet haben diese Punktzahl erreicht, darunter erstmals Sven Elverfeld vom „Aqua“. Dicht gefolgt vom „La Vie“ in Osnabrück, das mit 19 Punkten seinen Platz in der „Verfolgergruppe“ behaupten konnte. Beide Restaurants gehören schon länger zu den Topanwärtern bei der Prämierung von Gourmettempeln, erst vor zwei Wochen holten sie sich beim konkurrierenden Restaurantführer Guide Michelin mit je drei Sternen die bestmögliche Auszeichnung.
Davon ist Bremen weit entfernt. Schon seit vier Jahren muss das Land ohne Sterne-Restaurant auskommen. Und nun auch noch die magere Bilanz im neuen Gault & Millau: nur zwei Gourmetstätten mit 15 Punkten in der Kategorie der besten Restaurants in Deutschland. Warum das so ist, kann man dem Text des Restauranttesters für Grashoff’s Bistro entnehmen. Mit seiner Küche „in nicht alltäglicher Qualität“ habe das Bistro zwar „den Status einer Institution“ erlangt. Wie alle Institutionen müsse Grashoff aber „achtgeben vor Selbstzufriedenheit und Behäbigkeit“.
Aus seiner Enttäuschung macht Grashoff-Küchenchef Christian Wichtrup keinen Hehl. Auf einen Stern im Guide Michelin kann er verzichten, an der Bewertung im Gault & Millau liegt ihm deutlich mehr. Nachvollziehbar findet der 38-Jährige die Bewertung nicht, vor allem an der Warnung vor zu viel Selbstzufriedenheit hat er zu knapsen: „Das hieße ja, dass wir hochnäsig sind – und das sind wir bestimmt nicht.“ Die Kritik des Testers an einem zu trockenen Dorsch nimmt Wichtrup schon fast fatalistisch hin: „Dann war es wohl nicht unser Tag, als die Tester da waren. Für uns kann das nur ein Ansporn sein, wieder besser zu werden, falls wir nachlässig waren.“
Auch das Topaz zählt zu den Verlierern
Zu den Verlierern nach Punkten zählt auch das Topaz im Kontorhaus. Warum, das weiß Inhaberin Hannah Kühnhold nicht. „Die Tester halten sich bedeckt.“ Doch natürlich hat sie sich Gedanken darüber gemacht, weshalb die Bewertung nicht so gut ausfiel wie in den zwei Jahren zuvor. „Ich vermute, dass es neue Tester gibt“, sagt sie. Im Topaz habe sich im vergangenen Jahr nichts geändert. „Unser Traditionsgericht Wiener Schnitzel ist niedriger bewertet worden, obwohl es nach gleichem Rezept gebraten wurde und von den Gästen nach wie vor geliebt wird.“ Das Interieur habe eher eine Aufwertung erfahren. Gewechselt habe nur der Chefkoch. Zum Zeitpunkt des Tests leitete Michael Sünramm das Topaz. Jetzt ist Gordon Ott in der Küche Chef.
Nicht einfach schlucken will auch Jan-Philipp Iwersen die bittere Pille, der Küchenchef von Küche 13. Zwei Jahre lang erhielt das Lokal jeweils 13 Punkte, diesmal nur noch zwölf. Den Testern von Gault & Millau steht er nach eigenem Bekunden „ein bisschen kritisch gegenüber“. Moniert werde jedes Jahr das Gleiche – das angeblich schäbige Mobiliar, das Stahlbesteck. Doch sein Restaurant habe die beste Resonanz, die man sich wünschen könne, nämlich den Zuspruch der Gäste. Im vollen Haus sieht der 42-Jährige deshalb auch den besten Grund, so weiterzumachen wie bisher. Denn: „Wir sind kein Restaurant für Gault & Millau, sondern für unsere Gäste.“
Klassifizierung der Küche
Die Tester des Gault & Millau bewerten Restaurants nach dem französischen Schulnotensystem. Möglich sind 20 Punkte, die weltbesten Restaurants erhalten 19,5 oder 19 Punkte. Mit 18 und 17 Punkten werden höchste Kreativität, Qualität und bestmögliche Zubereitung ausgezeichnet. 16 und 15 Punkte gibt es für einen hohen Grad an Kochkunst, 14 und 13 Punkte für sehr gute Küche. Mit 12 Punkten darf sich die ambitionierte Küche schmücken. 11 Punkte erhält eine durchschnittliche Küche.