Geburtenzahlen auf hohem Niveau, der Mangel an Pflegekräften und Hebammen, krankheitsbedingte Ausfälle wegen Corona sowie knapper werdende räumliche Kapazitäten in Kreißsälen und auf den Wochenbettstationen: Das Bremer Bündnis zur Unterstützung der natürlichen Geburt warnt vor einer Verschlechterung der Versorgung von Schwangeren in Bremen. "Die Situation ist in den vergangenen Jahren dramatischer geworden, wir haben einfach zu wenige Kapazitäten. Die Folge ist ein großer Verschiebebahnhof", sagt Elisabeth Holthaus-Hesse.
Die Gynäkologin ist eine Sprecherin des Bündnisses, das sich vor zehn Jahren gegründet hat. Dem Netzwerk gehören neben Frauenärzten, Hebammen, Kinderärzten, Kliniken und Krankenkassen auch die Gesundheitsbehörde an. Mit dem Verschiebebahnhof meint Holthaus-Hesse, dass Schwangere wegen Engpässen immer häufiger an andere Geburtskliniken verwiesen oder verlegt werden müssten – auch außerhalb Bremens. Wie der WESER-KURIER berichtete, betrifft dies auch Risikoschwangere. In diesen Fällen muss dann ein Platz in einem Zentrum gefunden werden, das auf Frühgeburten spezialisiert ist (Neonatologie). In Bremen gibt es lediglich im Klinikum Mitte ein sogenanntes Perinatalzentrum Level 1, wo sehr kleine und sehr kranke Frühgeborene versorgt werden können.
"Diese Versorgung muss ganz akut sichergestellt sein, dafür gibt es schließlich das Level-1-Zentrum am Klinikum Mitte", sagt die Bündnis-Sprecherin. Ein weiteres Problem seien die generellen Kapazitäten in den Geburtskliniken. "Zwei zusätzliche Kreißsäle zur Entlastung wären absolut wünschenswert – um vor allem auch die Empfehlungen des Bündnisses zur Unterstützung einer natürlichen Geburt umsetzen zu können." Dazu gehöre, dass Frauen den Ort der Geburt frei wählen könnten. Weitere Ziele seien die Eins-zu-Eins-Betreuung durch Hebammen bei der Geburt sowie das Senken der Kaiserschnittrate von etwa 30 auf 25 Prozent. Holthaus-Hesse: "Beides ist aktuell nicht realistisch, es geht um eine akute Krise nach der nächsten."
Anmeldestopp im Klinikum Mitte
Eine besonders hohe Auslastung gibt es derzeit im Klinikum Mitte: Bis zum 20. Januar 2023 sind dort keine weiteren Anmeldungen für Geburten möglich. "Grund ist, dass schon sehr viele Anmeldungen vorliegen, deshalb bitten wir Schwangere, sich nach einer anderen Klinik umzusehen", sagt die Sprecherin der Gesundheit Nord (Geno), Karen Matiszick. Dieses Vorgehen solle dabei helfen, die Geburtenzahlen besser planen zu können. "Räumlich könnten wir noch deutlich mehr Frauen versorgen, der Engpass ist das Pflegepersonal. Wir haben gerade einige Einstellungen vornehmen können, sodass sich die Lage hoffentlich bereits im Januar deutlich entspannt und wir die Zahl der Wochenbetten von 18 auf 28 erhöhen können." Schwangere, die im Notfall kämen oder wenn die Geburt bereits begonnen habe, würden in jedem Fall aufgenommen.
Die Geburtshilfe war Anfang Juli vom Klinikum Links der Weser an die St. Jürgen-Straße umgezogen: Laut der Geno-Sprecherin gab es seit August monatlich im Schnitt 191 Geburten. Hochgerechnet wären dies etwa 2300 Geburten im Jahr, das entspreche den Erwartungen für das erste Jahr. Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) bewertet diese Zahlen grundsätzlich als positives Zeichen.
"Gleichzeitig kann ich verstehen, dass die Information, dass zurzeit keine Termine mehr vereinbart werden, Familien verunsichern kann, die bald ein Kind erwarten", sagt sie. Daher sei es wichtig, zu betonen, dass es in Bremen aktuell selbstverständlich weiterhin möglich sei, sein Kind in einer Klinik zur Welt zu bringen. "Uns liegen aus den Kliniken keine Hinweise dazu vor, dass die Kapazitäten in der Geburtshilfe grundsätzlich ausgelastet oder überlastet sind", so die Senatorin. Dies sind zum einen das Diako und das St. Joseph-Stift, die auf Nachfrage freie Kapazitäten melden. Auch das Klinikum Nord habe freie Kapazitäten, so Geno-Sprecherin Matiszick.
„Sollten die Kapazitäten in Bremen tatsächlich insgesamt zu knapp werden, muss man natürlich auch über die Möglichkeiten der Ausweitung nachdenken", betont die Senatorin. "Allerdings müssen wir auch sehen, dass im Gesundheitswesen inzwischen ein immer stärkerer Personalmangel herrscht, vor allem auch bei den Hebammen." Dieser sei über viele Jahre entstanden.
Im Klinikum Nord liegen solche Ausbaupläne bereits in der Schublade: Der Kreißsaal-Bereich sei eigentlich auf 1600 Geburten im Jahr ausgelegt, 2021 habe es 2246 Geburten gegeben. "Ziel ist es daher, die Räume auszubauen und an die Geburtenzahlen anzupassen. Derzeit haben wir dort vier Kreißsäle, die möglichst auf sechs erweitert werden sollen. Noch steht aber nicht fest, wann diese Baumaßnahme umgesetzt werden wird", so Matiszick.