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Geschichte erleben in Bremen Highlights am Tag des offenen Denkmals

Am Tag des offenen Denkmals öffnen über 40 Führungen Türen zu Bremens Geschichte – von der Architektur am Marktplatz bis zum Lloyd-Bahnhof. Ein Einblick in Orte, die Bremer sonst nicht zu sehen bekommen.
14.09.2025, 07:05 Uhr
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Von Karolina Benedyk

Unter dem Motto „Wert-voll: unbezahlbar oder unersetzlich?“ steht in diesem Jahr der Tag des offenen Denkmals. Auch in Bremen und Bremerhaven öffnen am Sonntag, 14. September, zahlreiche historische Gebäude und Orte ihre Türen. Was auf den ersten Blick vertraut wirkt, offenbart beim näheren Hinsehen Geschichten, die tief in die Identität der Stadt eingeschrieben sind: von der Architektur am Marktplatz über Wandbilder, die von Zwangsarbeit erzählen, bis hin zum einstigen Lloyd-Bahnhof, der für viele Menschen der Anfang einer Reise in die Neue Welt war. Über 40 Führungen an verschiedenen Orten machen sichtbar, was geblieben ist.

Haus der Bürgerschaft

Es zählt zu den bekanntesten Gebäuden der Stadt: das Haus der Bürgerschaft. Seit 1992 steht es unter Denkmalschutz. Die Bürgerschaft selbst beschreibt ihr Gebäude mitten auf dem Marktplatz auf ihrer Webseite als „eigenwillig“. Auch Uwe Schwartz vom Landesamt für Denkmalpflege hat bis heute immer wieder mit Kritikern zu tun. Verstehen kann er sie nicht. Für ihn ist es „ein Meisterwerk der Moderne“, vor allem seit das Gebäude 2020 und 2021 nochmals modernisiert wurde. Zum Tag des offenen Denkmals können Besucherinnen und Besucher auch das Innere des Hauses kennenlernen.

Der Außenbau sei ein „Stahlbeton-Skelettbau mit vorgehängter Glasfassade“, wie es auf der Webseite heißt. Die Idee des Berliner Architekten Wassili Luckhardt: Die große Architekturvielfalt des Marktplatzes nicht zu übertrumpfen, sondern sich in das Ensemble einzufügen. Das Dach ist geprägt durch eine Reihe spitz zulaufender Dreiecke, die wie stilisierte Giebel nebeneinanderstehen. Dieses Element greift Eigenheiten der anderen Gebäude am Marktplatz auf; in seiner Höhe ordnet sich das Haus der Bürgerschaft dem gegenüberliegenden Rathaus unter.

Im Inneren dominieren neutrale Töne. Nur der Empfangsbereich setzt mit einem roten Teppich einen markanten Akzent, sowie auch die Treppe. „Die Konstruktion ist extrem aufwendig und raumgreifend“, sagt Schwartz. Für ihre zentrale Lage nehme die Treppe viel Platz ein. Das sei bewusst gewählt, sagt Schwartz, denn das Haus sollte nicht nur funktional, sondern auch repräsentativ sein.

Besonders eindrucksvoll ist der Blick aus den deckenhohen Fenstern über den Marktplatz. Vom Sitzungssaal in der zweiten Etage und von der Empore in der dritten haben Besucherinnen und Besucher freie Sicht. Auch dies ist typisch für die Spätmoderne: Offenheit nach außen und Transparenz dessen, was innen geschieht. „Sprechende Architektur“, sagt Schwartz. Eine Symbolik, die das Gebäude bis heute prägt.

Info

Am Markt 20; Führungen gibt es zwischen 11 und 17 Uhr.

Wandbilder im Haus Heineken

Die Farben sind verblasst, Risse sichtbar: Trotz der Restaurierung sind bei den mehr als zwei Meter hohen Wandgemälden Abschürfungen zu sehen. Das Motiv: ein karges Hochbett, eine herabhängende Glühbirne, ein Mann, der aufsteht, ein anderer, der auf einem Hocker sitzt. Alltagsszenen, die dennoch düster anmuten.

„Die Werke stammen nicht von begnadeten Künstlern“, sagt Jared Schauer vom Landesamt für Denkmalpflege. „Sie wurden von französischen Kriegsgefangenen geschaffen, ehemaligen Bremer Zwangsarbeitern, die im Schuppen 27 am Holzhafen übernachteten und dort an die Wände malten.“

Zwei der insgesamt 13 erhaltenen Bilder hängen heute im Haus Heineken, dem Sitz des Landesamtes für Denkmalpflege. Um das prachtvolle Renaissance-Gebäude selbst soll es bei der Führung am Tag des offenen Denkmals aber nur am Rande gehen. Schauer will in das Gebäude locken und die Geschichte Bremens über die Gemälde erlebbar machen.

Die Wandbilder stehen nicht unter Denkmalschutz. „Sie wurden geborgen, bevor die Schuppen abgerissen wurden“, sagt Schauer. „Die Schuppen konnten wir nicht erhalten. Die Gemälde sind ein wichtiges Zeugnis und wurden wegen ihres besonderen Aussagewertes restauriert und ausgestellt.“

Das Angebot richtet sich ausschließlich an Jugendliche. Ihnen möchte der 30-Jährige zeigen, dass Geschichte nicht in Büchern verstaubt, sondern an Wänden weiterlebt. Es soll um Menschen gehen, deren Stimmen in der Vergangenheit kaum Beachtung fanden, sagt Schauer.

Die beiden präsentierten Bilder im Haus Heineken geben Einblick in den Alltag der Zwangsarbeiter. Sie erinnern an eine Gruppe, die zu Kriegszeiten massenhaft ausgebeutet wurde: Allein in Bremen waren zum Ende des Zweiten Weltkriegs rund 70.000 Zwangsarbeiter im Einsatz: in Schuppen, auf Höfen, am Seehafen. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs war jeder vierte Beschäftige im Deutschen Reich ein Zwangsarbeiter.

„Natürlich wäre ich lieber am Originalort“, sagt Schauer. Dort hätte man die schlichte Ausstattung der Unterkünfte zeigen können, die Enge und Härte des Alltags. Doch schon kurz nach dem Krieg wurden die Scheunen umgenutzt, die Malereien übertüncht und die Schuppen letztlich abgerissen. Nur die Bilder selbst konnten gerettet werden. Heute eröffnen sie einen eindringlichen, niedrigschwelligen Zugang zu einem Kapitel Geschichte, weswegen das Landesamt für Denkmalpflege die Gemälde bewahren möchte.

Sandstraße 3; Führungen für Jugendliche gibt es um 13 und 14 Uhr, um Anmeldung unter 0421/36110040 wird gebeten.

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Ehemaliger Lloydbahnhof (Courtyard by Marriott Hotel)

„F. T. 22.04.1940“ ist an der Wand am Lloyd‘s-Restaurant zu lesen, eingeritzt in einen Ziegelstein. Wer sich hinter diesen Initialen verbirgt, weiß heute niemand mehr. Doch F. T. war nicht der Einzige, der seine Spuren am ehemaligen Lloyd-Bahnhof hinterließ. Zahlreiche kleine Inschriften an der Fassade zeugen von der langen Geschichte des Gebäudes, das einst Ausgangspunkt für Tausende Reisende war.

Heute ist die originale Außenfassade Teil der Lobby des Courtyard by Marriott Hotels am Bremer Hauptbahnhof. Sie wurde in den modernen Bau integriert, ohne ihre Wirkung zu verlieren. Daneben erinnern zahlreiche Ausstellungsstücke an die bewegte Vergangenheit. Es war die Zeit, als der Norddeutsche Lloyd die größte Reederei der Welt stellte, erzählt Fynn Flügger, Verkaufsleiter des Hotels. Von Bremen aus reisten Abenteurerinnen und Auswanderer in die große weite Welt: Zunächst ging es mit dem Zug vom Lloyd-Bahnhof nach Bremerhaven, von dort aus weiter mit dem Schiff über die Meere.

An diese Epoche möchte Flügger beim Tag des offenen Denkmals erinnern. Seine Führung beginnt in der Lobby, an jenem Ort, an dem die Fassade früher das Straßenbild prägte und heute Teil des Innenraums ist. Von dort aus führt er die Besucherinnen und Besucher hinaus an die Gustav-Deetjen-Allee, wo sich noch immer die repräsentativste Fassade des Gebäudes befindet.

Ihre Ausrichtung ist kein Zufall: Die Gustav-Deetjen-Allee galt beim Bau 1913 als die schönste Straße Bremens. Genau dort sollte die prachtvolle Schauseite wirken. „Die imposante Fassade transportiert den Stolz der Bremer dieser Zeit“, erzählt Flügger. Entworfen wurde sie von Architekt Rudolf Jacobs im Stil des Neobarock. Die markante Klinkerfassade greift auf Formen der niedersächsischen Klassik des 17. und 18. Jahrhunderts zurück. Hoch oben ziert bis heute das Wappen des Norddeutschen Lloyd die Fassade, kunstvoll aus Sandstein gearbeitet.

Auch durch das Innere des Hauses führt Flügger. Original erhalten ist lediglich die große Treppe. Doch das Hotel bemüht sich, die norddeutsche Geschichte des Gebäudes weiterzutragen. In den Fluren hängen historische Fotografien, in Vitrinen sind Archivstücke ausgestellt. Immer wieder werden dem Hotel neue Fundstücke übergeben: alte Uniformen, Dienstzeugnisse, Seefahrtsbücher oder Speisekarten. „Nicht zu glauben, wie viel man früher für ein Beck’s bezahlt hat“, sagt Flügger. 70 Pfennig kostete die Flasche, das Exportbier vom Fass war mit 45 Pfennig pro Viertelliter etwas günstiger.

Die Vergangenheit des Lloyd-Bahnhofs lebt auch in den Erinnerungen der Gäste weiter. Bis heute reisen Menschen aus den USA an, die durch das Bremerhavener Auswandererhaus herausgefunden haben, dass ihre Vorfahren von hier aufbrachen. „Genau deshalb möchten wir die Geschichte lebendig halten“, betont Flügger. Der Tag des offenen Denkmals sei eine ideale Gelegenheit, die Türen zu öffnen und den Blick dafür freizugeben. All diese Geschichten möchte Flügger weitergeben.

Theodor-Heuss-Allee 2; Führungen gibt es ab 11 Uhr. Treffpunkt ist in der Hotel-Lobby.

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Insgesamt können Besucherinnen und Besucher am Sonntag, 14. September, in Bremen und Bremerhaven fast 50 Wahrzeichen besichtigen. Das gesamte Programm zum Tag des offenen Denkmals in Bremen ist unter www.denkmalpflege.bremen.de einsehbar. Die Website bietet zusätzlich eine Karte mit den Veranstaltungsorten an.
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