Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Mehr Übergriffe Gewalt gegen Retter und Polizisten wächst

Sie werden beschimpft, bedroht, bespuckt und es kommt zu tätlichen Übergriffen: Für den Leiter der Zentralen Notaufnahme im Klinikum Bremen-Mitte und seine Kollegen gehört das inzwischen zum Alltag.
23.02.2017, 22:49 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Gewalt gegen Retter und Polizisten wächst
Von Sabine Doll

Sie werden beschimpft, bedroht, bespuckt und es kommt zu tätlichen Übergriffen: Für den Leiter der Zentralen Notaufnahme im Klinikum Bremen-Mitte und seine Kollegen gehört das inzwischen zum Alltag.

Sie werden beschimpft, bedroht, bespuckt und es kommt zu tätlichen Übergriffen: Für den Leiter der Zentralen Notaufnahme im Klinikum Bremen-Mitte und seine Kollegen gehört das inzwischen zum Alltag. „Wir müssen jederzeit damit rechnen, die Situation hat sich in den vergangenen Jahren extrem geändert“, sagt Klaus-Peter Hermes.

Und sehr oft seien es Nichtigkeiten, die Patienten regelrecht ausrasten ließen. „Zum Beispiel wegen Wartezeiten, weil zuerst ein echter Notfall behandelt werden muss. Die Hemmschwelle für Gewalt und aggressives Verhalten ist extrem gesunken, die Respektlosigkeit hat deutlich zugenommen“, stellt der Chefarzt fest.

Jeden Tag werden 100 bis 150 Patienten im Klinikum Mitte behandelt. „Der Großteil benimmt sich vernünftig oder zeigt nach Zureden Einsicht. Aber bei der anderen Gruppe, die immer größer wird, ist die Bereitschaft zu verbalen und körperlichen Übergriffen gewachsen. Auch der Alkohol spielt eine große Rolle“, sagt Hermes.

Auch Polizeibeamte werden häufiger angegriffen

Die Situation hat sich so sehr verändert, dass die Pläne für den Neubau der Zentralen Notaufnahme in dem Klinikum der Lage angepasst werden müssen: Ursprünglich sei ein offener Wartebereich geplant gewesen. Jetzt werde es eine Wartezone mit einem Zugang von außen geben, von dort werden die Patienten nachts nur per Knopfdruck weitergeleitet.

Der Empfang bekommt eine 1,50 Meter hohe Glasscheibe, damit die Mitarbeiter dahinter vor Übergriffen geschützt sind. Jeder Untersuchungsraum ist bereits mit einem Notknopf ausgestattet, der Alarm geht direkt zur Polizei. „Außerdem ist ein Sicherheitsdienst vor Ort“, sagt Hermes.

Aber auch Polizeibeamte werden immer häufiger angegriffen, ebenso wie Mitarbeiter von Rettungsdiensten und Feuerwehr. Die Politik hat darauf mit einem Gesetzentwurf reagiert, der härtere Strafen dafür vorsieht. Tätliche Übergriffe auf Polizisten beispielsweise sollen künftig schon dann mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden, wenn sie sich gegen Beamte richten, die mit einfachen Diensthandlungen wie Streifenfahrten und Unfallaufnahmen beschäftigt sind. Bisher droht dies nur bei Vollstreckungshandlungen wie Festnahmen.

Zahl der Gewalttaten steigt jährlich

„Wir haben das jahrelang gefordert“, sagt Jochen Kopelke, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in Bremen. „Jeden Tag werden zwei Polizisten Opfer einer Straftat, im Streifendienst besteht die größte Verletzungsgefahr.“ Auch wenn Verdächtige in Polizeigewahrsam genommen würden, komme es zunehmend zu allen Formen von Übergriffen. „Es wird getreten, gebissen, Blut und Speichel in den Mund gespuckt.“

Laut der Kriminalstatistik der Polizei steigt die Zahl der Gewalttaten jährlich: Waren es 2012 noch 360 Fälle, wurden 2015 bereits 418 Taten registriert. Nach einem Lagebild des Bundeskriminalamts verzeichnet das Land Bremen beim Widerstand gegen Polizeibeamte – darunter sind nicht nur Gewalttaten gespeichert – von 2014 auf 2015 mit 14,6 Prozent sogar den höchsten Anstieg. „Wir haben für den Gesetzentwurf gestimmt“, sagt Rose Gerdts-Schiffler, Sprecherin von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). „Es ist wichtig, ein Signal zu setzen. Es kann nicht sein, dass Einsatzkräfte, die als Helfer kommen, angegriffen werden.“

Gefährdungsanalyse

Auch Feuerwehr und Rettungsdienste hätten mit dieser „besorgniserregenden Entwicklung“ zu kämpfen. Zahlen würden nicht erfasst. „Das ist sogar ein großes Thema“, bestätigt Andreas Wübbena, Leiter des Rettungsdienstes beim Deutschen Roten Kreuz. „Über Beschimpfungen regt sich schon niemand mehr auf, eine andere Sache sind körperliche Attacken.“ Einige Kollegen hätten sich privat stich- und schusssichere Westen zugelegt, es gebe Deeskalationstrainings. „Das ist eine negative Entwicklung, die sich wie ein roter Faden durch die Gesellschaft zieht.“

Zum Beispiel in Ämtern und Behörden wie dem Jobcenter Bremen. Bei einer Gefährdungsanalyse vor drei Jahren gaben 27 Prozent von 600 befragten Mitarbeitern an, körperliche Gewalt, eindeutige Bedrohung und Nötigung erlebt zu haben. Die Situation hat sich nicht geändert: „Was uns auffällt, ist, dass Gefährdungssituationen für unsere Mitarbeiter gefährlicher werden“, sagt der Sprecher des Jobcenters Bremen, Christian Ludwig.

Neben verbalen Attacken und Bedrohungen würden beispielsweise Gegenstände auf die Kollegen geworfen. In allen Dienstgebäuden gebe es Sicherheitskräfte an den Türen, die auch bei Konflikten dazu gerufen würden. „Parallel schulen wir Mitarbeiter in Deeskalationstechniken, haben Fluchttüren und ein Notrufsystem eingebaut.“

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)