Es hat lange gedauert von der Tat bis zur Verurteilung, über drei Jahre. Aber wenn es etwa gab, was sich wie ein roter Faden durch dieses Verfahren zog, dann war es das Verhalten der Angeklagten gegenüber staatlichen Autoritäten. Das war im Juli 2017 so, als die drei Männer auf eine simple Verkehrskontrolle der Polizei in Bremerhaven derart aggressiv reagierten, dass es am Ende mehrere Verletzte gab. Das war während des Gerichtsverfahrens so, als die Angeklagten die Vorsitzende Richterin anbrüllten, den Staatsanwalt beleidigten oder auch einfach mal mitten im Prozess den Saal verließen. Und das war auch Montag bei der Urteilsverkündung im Landgericht so, die einer der Angeklagten lang hingefläzt, die Arme genüsslich hinter dem Kopf verschränkt, entgegennahm, während sein Bruder sich lieber seinem Smartphone widmete, statt zuzuhören. Von „fehlendem Respekt vor der Staatsmacht“, sprach die Vorsitzende Richterin. „Auch im Gerichtssaal.“
Am Ende standen Gefängnisstrafen: Das Gericht sprach die Brüder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, tätlichen Angriffs und/oder Körperverletzung schuldig. Zwei Jahre und acht Monate muss einer von ihnen ins Gefängnis, zwei Jahre und drei Monate der zweite. Der Dritte im Bunde erhielt neun Monate auf Bewährung, verbunden mit 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Die Verteidiger hatten auf Freispruch oder maximal auf eine Geldstrafe plädiert.
Bei den beiden Haftstrafen ohne Bewährung handelt es sich um Gesamtstrafen, in die auch Strafen für weitere Vorfälle sowie ein anderes Urteil mit einflossen. Zwei der drei Brüder hatten 19 beziehungsweise 17 Vorstrafen und waren während der Tat, um die es in diesem Verfahren ging, auf Bewährung auf freiem Fuß.
Am 3. Juli 2017 kam einem Streifenwagen der Polizei in Bremerhaven ein Fahrzeug entgegen, in dem einer der Angeklagten nicht angeschnallt saß. Die Streife wendete und fuhr dem Wagen hinterher. Als sie ihn erreichte, stand der Pkw bereits vor einem Gebäude, in dem mehrere andere Mitglieder der Familie des Autofahrers wohnten.
Vorfall eskaliert
Auf die nachfolgende Verkehrskontrolle durch die Polizei habe der eine Angeklagte sofort äußerst aggressiv reagiert und die Überprüfung abgelehnt, schilderte die Vorsitzende Richterin den Ablauf des Geschehens. Als eine Schwester des Mannes aus dem Haus hinzukam, das Ganze mit dem Handy filmen wollte und einer der Polizisten daraufhin auch ihre Personalien aufnehmen wollte, eskalierte der Vorfall. Es kam zu Handgreiflichkeiten, in deren Verlauf einer der Polizisten zu Boden ging. Der Angeklagte gab hierzu an, dass er nur seiner Schwester habe helfen wollen, denn die hätte schließlich mit all dem nichts zu tun gehabt.
Als die Polizisten, die inzwischen Verstärkung herbeigerufen hatten, versuchten, den aufgebrachten Mann zu Boden zu bringe, leistete dieser erheblichen Widerstand und schlug um sich. Inzwischen hatte sich vor dem Haus bereits eine Menschentraube gebildet, darunter auch mehrere Brüder des Mannes, den die Polizei ursprünglich hatte kontrollieren wollen. Einer von ihnen schlug einem Polizisten ins Gesicht und bedrohte die Beamten mit einem abgebrochenen Flaschenhals. Ein anderer warf eine Flasche, die nur knapp ihr Ziel verfehlte und direkt hinter den Polizisten an einer Wand zerschellte. Erst nach dem Einsatz von Pfefferspray beruhigte sich die Lage. Bis dahin hatte einer der Polizisten aber bereits eine Kieferprellung, ein anderer eine Prellung am Knie davongetragen sowie ein dritter Beamter mehrere Schürfwunden und eine zerrissene Uniform.
Dieses Geschehen aufzuklären, bereitete dem Gericht letztlich wenig Mühe, denn es gab mehrere Handyvideos davon, auf denen das Meiste „klipp und klar zu erkennen war“. Dass die gerichtliche Aufarbeitung dieses Falles trotzdem so lange dauerte, lag erst an der Justiz selbst, dann an einem der Schöffen. Zunächst wurde kein Verhandlungstermin gefunden. Es verging sogar so viel Zeit, dass sich die Angeklagten mit Erfolg aus der Untersuchungshaft klagten. Und als dann im September 2018 der Prozess eröffnet wurde, musste er nach 13 Verhandlungstagen im März 2019 wieder abgebrochen werden. Einer der Schöffen hatte nicht öffentliche Details zu dem Verfahren ausgeplaudert und wurde wegen Befangenheit abgelehnt. Der Prozess musste komplett von vorne beginnen. Bis es im Januar 2020 so weit war, vergingen weitere acht Monate.
Die Verteidigung des Brüdertrios machte geltend, dass letztlich die Polizei selbst die Auseinandersetzung ausgelöst habe, weil sie ungerechtfertigt auch die unbeteiligte Schwester kontrollieren wollte. Erst danach sei es zu den Auseinandersetzungen gekommen. Was von der zeitlichen Abfolge stimme, räumte das Gericht ein, letztlich aber keine Rolle gespielt habe. Natürlich seien Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Polizeimaßnahme erlaubt, betonte die Vorsitzende Richterin. Dagegen könnte jedermann mit den Mitteln des Rechtsstaates vorgehen.
Zunächst jedoch müsse den Aufforderungen der Polizei Folge geleistet werden. Genau dies sei das Problem der Angeklagten: „Sie erkennen das Gewaltmonopol des Staates nicht an.“ Was niemand so gut zum Ausdruck brachte wie einer der Angeklagten selbst. Die Polizisten seien so aufgetreten, als ob sie das Sagen hätten, gab er während einer Vernehmung an. „Wir hatten den Eindruck, dass wir gehorchen sollten.“