Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Handlungskonzept Straßenbaum Kritiker bemängeln fehlende Mittel für Bremens Straßenbäume

Die Umweltsenatorin sieht das Handlungskonzept Straßenbäume als Meilenstein für ein grünes Bremen. Kritiker vor allem aus den eigenen Reihen bemängeln fehlende Mittel für die praktische Umsetzung.
21.03.2022, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Kritiker bemängeln fehlende Mittel für Bremens Straßenbäume
Von Timo Thalmann

Wer genau hinschaut, sieht den Unterschied: Einer der Bäume entlang der Admiralstraße in Findorff ist etwas größer und dicker als seine Kollegen. "Unweit davon war lange Zeit das Fallrohr einer Regenrinne undicht und bei jedem Regen floss Wasser über den Gehweg zu genau diesem Baum", erklärt Ulf Jacob, Sprecher des  Bündnisses lebenswerte Stadt, in dem zahlreiche Bremer Umwelt-, Garten- und Landschaftsverbände zusammen arbeiten.

Für Jacob ist dieser zufällig besser versorgte Baum der lebende Beweis, dass die Bremer Straßenbäume insgesamt ein schwieriges Dasein haben. Zu viel städtischer Alltag setzte ihnen zu: angelehnte Fahrräder, dicht parkende Autos, Baustellen, die das Wurzelwerk schädigen, zunehmende Hitze und Trockenheit durch den Klimawandel und häufig schlicht zu wenig Platz zwischen Fahrbahn und Fußweg. "Die Stadtbäume sind meist in schlechtem Zustand und werden daher in der Regel nur noch 30 bis 40 Jahre alt" sagt Jacob. Sein Bündnis hat deshalb einen ganzen Katalog von Vorschlägen und Forderungen vorgelegt. Den unkoordinierten Einzelfall aus der Admiralstraße würde man zum Beispiel gern zum Regelfall machen: Was auf die Dächer benachbarter Häuser fällt, soll systematisch zur Bewässerung genutzt werden. "Wir wollen natürlich keine kaputten Regenrinnen, sondern geplante Abzweigungen zu den Baumscheiben."

Lesen Sie auch

Zu wenig Raum für den Baum

Jacobs Forderungen treffen auf das gerade erst von der Deputation für Mobilität, Bau und Stadtentwicklung verabschiedete Handlungskonzept Straßenbäume, das Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) hat erarbeiten lassen. Es ist eine Art Gesamtstrategie für die knapp 73.000 Bäume entlang Bremens Straßen. Von Schutz und Pflege des vorhandenen Bestandes bis zur Neupflanzung sind nahezu alle Aspekte darin enthalten. „Ich bin mir sicher, dass dieses Handlungskonzept dazu beitragen wird, unsere Straßenbäume noch besser zu schützen und die Anzahl weiter zu erhöhen“, gibt sich die Senatorin optimistisch. Jacob sieht das zwar prinzipiell auch so, findet aber, dass viele Maßnahmen aus dem Konzept nicht ausreichend mit Geld und Personal unterlegt sind.

Da ist zum Beispiel die Sache mit den zu kleinen Baumscheiben. Gemeint ist der Platz mit offener Erde um die Bäume herum. Er begrenzt das Wachstum und damit die Lebensdauer des Baumes, insbesondere wenn das Wurzelwerk anfängt, Fahrbahn oder Gehwege aufzubrechen. Das Handlungskonzept sieht nun vor, wo immer es baulich möglich ist, die Baumscheiben zu vergrößern, um die Altbäume zu erhalten.

Eine Bestandsaufnahme hat rund 1500 Bäume gezählt, bei denen das bald notwendig wird. Kostenpunkt: zwischen 1300 und 2000 Euro je Baum. Die senatorische Behörde geht von etwa 2,83 Millionen Euro Gesamtkosten aus. In den Jahren 2020 und 2021 wurden dem Umweltbetrieb aber nur insgesamt 100.000 Euro für die Vergrößerung von Baumscheiben zur Verfügung gestellt. In den kommenden Jahren sieht die Haushaltsplanung sogar nur noch 25.000 Euro pro Jahr vor. "Eine zeitnahe Verbesserung bestehender Altbaumstandorte im Zuge der Haushaltsmittel ist somit nicht möglich", heißt es aus dem Haus der Senatorin.

Kaum Baustellen-Kontrollen

Auch der Bürgerschaftsabgeordnete Ralph Saxe (Grüne) begrüßt das Handlungskonzept, sieht aber ebenfalls Lücken im Unterbau. Ihn treiben die vielen Baustellen um, die derzeit im Zuge des Ausbaus des Glasfasernetzes in verschiedenen Stadtteilen entstehen. "Da gibt es zwar Auflagen für die Tiefbauer, rund um das Wurzelwerk von Bäumen entsprechend vorsichtig zu graben, ohne Baggereinsatz, aber in der Praxis wird das oft nicht eingehalten", hat er beobachtet. Gleichzeitig gibt es im Umweltbetrieb nur zwei Mitarbeiter für die Kontrolle solcher Vorgaben in ganz Bremen. "Das können die gar nicht schaffen" kritisiert er.

Lesen Sie auch

Laut Umweltbetrieb fallen durchschnittlich 500 Baustellen im Jahr an, von denen tatsächlich nur etwa ein Drittel vor Ort besucht werden können. Bei etwa zwölf Prozent davon würden die Vorgaben durch die Baufirmen missachtet. Hinzu kommt: Der Umweltbetrieb ist keine Ordnungsbehörde und hat aus formalrechtlichen Gründen keine Möglichkeiten, grobes Fehlverhalten auf den Baustellen zu sanktionieren, etwa durch einen Baustellenstopp. "Das heißt, bei Verstößen melden wir das der senatorischen Dienststelle, damit die eine Ordnungswidrigkeit aussprechen. In drastischen Fällen wird auch die Polizei benachrichtigt", sagt Kerstin Doty, Sprecherin des Umweltbetriebes. "Wir prüfen derzeit, ob es durch eine Gesetzesänderung möglich ist, dem Umweltbetrieb einen größeren Handlungsspielraum zu geben, Verstöße gegen die Baumschutz-Auflagen direkt zu sanktionieren", kommentiert Jens Tittmann, Sprecher der Umweltsenatorin.

Um Bäume herum planen

Er zeigt prinzipiell Verständnis für die Parteifreunde seiner Senatorin, denen die anstehende Umsetzung des Handlungskonzeptes zu langsam und zu schlecht ausgestattet erscheint. "Aber in das Konzept konnten zahlreiche Akteure eingebunden werden." Da sei ein richtig dickes Brett gebohrt worden, findet Tittmann und verweist etwa auf das geänderte Planungsrecht. So sei die Naturschutzbehörde künftig frühzeitig einzubeziehen. Investoren und Bauherren würden verpflichtet, noch vor ihrer Planung den Baumbestand auf dem betreffenden Grundstück sowie im Umkreis von fünf Metern zu kartieren und diesen Bestand möglichst zu erhalten. "Im Grunde ist die Idee, dass künftig um alle vorhandenen Bäume herum geplant werden muss", sagt Tittmann.

Langfristig werde man den Baumbestand zudem erhöhen. In diesem und dem kommenden Jahr würden etwa 130 bis 140 neue Bäume gesetzt. Dafür stehen rund eine Million Euro aus dem Klimafonds zur Verfügung. Und schon bislang habe sich der Straßenbaumbestand erhöht: Gab es 2012 insgesamt 69.002 Straßenbäume, seien es aktuell 72.993.

Zur Sache

Bäume melden ihren Durst

Wie viel Wasser Bremer Stadtbäume tatsächlich aus natürlichen Quellen bekommen ist Thema eines Pilotprojekts, dass dieses Jahr startet. Bis 2026 sollen dafür Sensoren an ausgewählten Bäumen in unterschiedlichen Tiefen messen, wie viel Wasser dort jeweils ankommt. Ermittelt wird die sogenannte Wasserspannung im Boden. Sie lässt Rückschlüsse auf die Versorgung des Baumes mit Wasser zu. Vereinfacht gesagt: Je geringer die Spannung, desto besser geht es dem Baum. Die Sensoren senden ihre Messdaten automatisch über das Mobilfunknetz. Auf diese Weise meldet der Baum praktisch, wie durstig er jeweils ist und kann gezielt bewässert werden.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)