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Probleme bei der Anzeige Handtasche gestohlen: Opfer kommt nicht zur Bremer Polizei durch

Es müssen nicht immer Anzeigen wegen Hasskriminalität sein, mit denen es Probleme bei der Polizei gibt. Auch den Diebstahl einer Handtasche anzuzeigen, ist in Bremen nicht immer einfach.
01.06.2022, 05:00 Uhr
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Handtasche gestohlen: Opfer kommt nicht zur Bremer Polizei durch
Von Ralf Michel

Einen kurzen Augenblick nur nicht aufgepasst und schon war sie weg, die Handtasche im Kofferraum. Blitzschnell gestohlen, vermutlich von einer Gruppe junger Männer, die sie kurz zuvor in ihre Richtung hatte gehen sehen, vermutet B. Meyer, der die Tasche gehört. "Sonst war da ja weit und breit niemand." Personalausweis, Schlüssel, Kreditkarten, mehr als 300 Euro Bargeld – alles weg. Und der Ärger war damit für sie noch nicht vorbei. Für einen Nachschlag in dieser Hinsicht sorgten ausgerechnet diejenigen, an die sich die 69-Jährige hilfesuchend wendete – die Polizei unter Notruf 110.

Vor einer Woche hatte Meyer, die in Schwanewede wohnt, einen Arzttermin in der Hemmstraße in Bremen. Ihren Wagen stellte sie in der Nähe der Praxis ab, rückwärts direkt an einem Zaun geparkt, die Tasche im Kofferraum verwahrt. Weil sich der Arzttermin verzögerte, ging sie noch einmal zurück zum Fahrzeug. "Ich wollte meinem Mann Bescheid sagen, mein Handy lag aber in der Tasche im Kofferraum." 

Während sie den Kofferraum öffnete, nahm sie ein paar junge Männer wahr, die in ihre Richtung gingen. "Adrett gekleidet, bester Laune und sehr laut", wie sie sich erinnert. Sie schenkte ihnen aber keine Beachtung mehr, sondern drehte ihnen wegen der lautstarken Unterhaltung den Rücken zu, um mit ihrem Mann zu telefonieren. Als sie sich kurz darauf wieder zum geöffneten Kofferraum wandte, um ihr Handy zurück in die Handtasche zu stecken, war diese verschwunden. Im ersten Impuls habe sie noch vorne im Wagen gesucht, sei dann sogar zurück in die Arztpraxis gegangen, berichtet die 69-Jährige. "Ich wollte ganz sichergehen. Man ruft ja nicht sofort die Polizei an."

Zwischenstopp auf der Wache in Schwanewede

Als die Tasche nicht wieder auftauchte, wählte Meyer den Notruf 110. "Ich war in dem Moment einfach ein bisschen hilflos. Dass mir so was passiert. Nicht zu fassen. Da geht einem so viel durch den Kopf." Unter 110 habe sich sofort jemand gemeldet, sie dann aber an die Nummer 36 21 27 00 verwiesen. "Dort habe ich dann sofort angerufen, aber da ist keiner drangegangen." Sie habe es dann noch mehrfach versucht – ohne Erfolg. "Es war zwar nicht besetzt, aber niemand hat abgenommen." Sie habe sogar  noch einmal die 110 angerufen, um sicherzugehen, dass sie sich die Nummer richtig gemerkt hatte. "Aber die hat gestimmt." Sie solle es einfach wieder versuchen. "Habe ich gemacht, aber da hat sich immer noch keiner gemeldet." Schließlich fuhr die 69-Jährige nach Hause. Mit einem Zwischenstopp bei der Polizeiwache in Schwanewede. "Dort konnte ich dann Anzeige erstatten."

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Die Weiterleitung ihres Notrufs könne sie ja noch nachvollziehen, sagt B. Meyer mit einer Woche Abstand. Die Polizei müsse sich sicher um wichtigere Dinge kümmern als ihre Handtasche. Aber dass sich dann unter der angegebenen Nummer niemand gemeldet habe, ärgere sie schon. "Ich war ziemlich enttäuscht. Ich hab' mich von der Bremer Polizei alleingelassen gefühlt."

Dass nach dem Notruf der 69-Jährigen keine Streife ausrückte, liege zum einen an der Art der Straftat, zum anderen an der Zeit, die bis zu dem Anruf vergangen war, sagt Polizeisprecherin Franka Haedke. "Es handelte sich um einen Diebstahl, ohne den Aufbruch eines Fahrzeuges und damit auch ohne Potenzial zur Sicherung von Spuren." Und da zwischen Diebstahl und Notruf etwa eine halbe Stunde vergangen war, sei erfahrungsgemäß davon auszugehen gewesen, dass eine Fahndung nach den Tätern selbst mit starken Kräften ohne Erfolg bleiben würde. 

Straftaten telefonisch anzeigen

Deshalb sei der Anruferin an die telefonische Anzeigenaufnahme verwiesen worden. Ein Bürgerservice in Zeiten der Pandemie, erklärt Haedke: Weil die zentralisierten Anzeigenaufnahmen wegen Corona derzeit nur in den drei Revieren Schwachhausen, Innenstadt und Vegesack möglich sind, bietet die Polizei montags bis samstags zwischen 9 und 17 Uhr die Möglichkeit an, Straftaten telefonisch anzuzeigen. "Das ist ein etabliertes Verfahren, das eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung genießt." Allerdings könne es zu Stoßzeiten mit erhöhtem Anrufaufkommen zu längeren Wartezeiten kommen, räumt die Polizeisprecherin ein. 

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Für Meyer endete die Sache am Ende trotzdem versöhnlich. Bei ihr meldete sich ein Ehepaar aus Findorff. Das hatte die Handtasche gefunden und mithilfe des darin befindlichen Personalausweises deren Besitzerin ermittelt. Noch am selben Abend konnte Meyer ihre Tasche wieder in Empfang nehmen. Das Bargeld fehlte, aber Schlüssel, Papiere und Kreditkarten waren noch da. Selbst den bereits bestellten Schlüsseldienst zum Austausch der Haustürschlösser habe sie noch abbestellen können, obwohl der sich schon auf den Weg gemacht hatte. "Es hätte alles viel schlimmer kommen können", zieht die 69-Jährige letztlich ein versöhnliches Fazit. Sie freue sich über die ehrlichen Finder, die sich eigens die Mühe gemacht hätten, mithilfe eines alten Telefonbuchs ihre Nummer in Schwanewede herauszusuchen. Und über den kulanten Mitarbeiter des Schlüsseldienstes. "So habe ich am Ende sogar noch ein paar wirklich nette Erfahrungen gemacht."

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