Die Bremer Gastronomiebranche sieht sich durch die Corona-Krise in ihrer Existenz bedroht. In einem Offenen Brief an den Senat, der am Donnerstagabend bereits von mehr als 200 Wirten unterzeichnet war, appelliert das Gewerbe an den Senat, schneller und gezielter zu helfen. Viele Betriebe hätten kaum oder keine finanziellen Reserven, müssten aber Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten und Mitarbeitern bedienen. „Wenn jetzt nicht für Klarheit und echte finanzielle Soforthilfe gesorgt wird, steht Bremens Gastroszene vor dem Aus!“, heißt es in dem Schreiben.
Die Autoren erkennen die bisherigen Bemühungen der Landesregierungen durchaus an, halten sie aber nicht für passgenau. So sei den meisten Gastro-Unternehmen mit Überbrückungskrediten nicht geholfen. Diese sorgten zwar für Aufschub, aber nicht für Lösungen. Gefragt seien eher die Übernahme von Lohnkosten und der Erlass von Steuerzahlungen statt einer Stundung. Zugleich bieten die Wirte an, sich bei der Sicherstellung einer Grundversorgung helfend einzureihen. Das könne durch die Organisation von Lieferdiensten für Risikogruppen geschehen oder durch „Bereitstellung einfacher To-Go-Mahlzeiten für die Menschen aus unseren Vierteln“.
Verfasser des Aufrufs ist Oliver Trey, Mit-Betreiber der Schlachthofkneipe in Findorff. Er hatte zur Wochenmitte die Idee, eine „Interessengemeinschaft Bremer Gastronomiebetreiber/innen“ ins Leben zu rufen, damit die Belange der Branche gehört werden. Er sieht die Dinge so: „Die Gastronomie ist ein sogenanntes ,Penny Business‘. Hier geht es immer um den letzten Cent, in jeder Kalkulation.“ Viele Betriebe hätten deshalb kein finanzielles Polster, um einer Krise über einen längeren Zeitraum standzuhalten. Schon Ende März könne sich angesichts ausbleibender oder drastisch verringerter Umsätze für viele Gaststätten und Restaurants die Existenzfrage stellen. Spätestens aber einen Monat später. Ein solches flächendeckendes Kneipensterben könne niemand wollen.
Rechtlicher Schutz vor Vollstreckungsmaßnahmen
Die Unterzeichner des Appells an den Senat bilden die ganze Bandbreite der örtlichen Gastro-Szene ab, vom Feinschmecker-Restaurant bis zur Eckkneipe, von Grashoff bis Achim’s Beckshaus. So gut wie keiner dieser Betreiber hat sich nach Darstellung von Oliver Trey bisher um die vom Senat offerierten Kredite bemüht. Das bringe nichts. Neben Lohnkostenzuschüssen und dem Erlass von Steuern erwarteten die Gastronomen rechtlichen Schutz vor Vollstreckungsmaßnahmen, die von Schulden herrühren (Miet-, Leasing-, Kreditverträge). Das Ganze möglichst unbürokratisch.
Nicht eben wenig also, was die Wirte da vom Senat erwarten. Die Landesregierung wird versuchen, diesen Wünschen zumindest teilweise zu entsprechen, wie der Sprecher des Wirtschaftsressorts, Kai Stührenberg, am Donnerstag durchblicken ließ. Der Senat werde an diesem Freitag ein weiteres Maßnahmenbündel schnüren, das insbesondere auf die Existenzsicherung von Kleinunternehmen abzielt. Und genau in diese Kategorie fallen die meisten gastronomischen Betriebe. „Wir sind dabei, einen guten Auffangschirm aufzuspannen“, sagte Stührenberg dem WESER-KURIER. Nach seinen Worten arbeiten die Mitarbeiter der sogenannten Task Force bei der landeseigenen Bremer Aufbaubank (BAB) am Anschlag. Allein am Donnerstag seien 150 Beratungsgespräche geführt worden, um individuelle Lösungen zur Stabilisierung von Firmen zu finden, die von der Corona-Krise gebeutelt sind.
Dazu gehören nicht nur Gastro-Betriebe, sondern beispielsweise auch Einzelhändlerinnen wie Mirja Hehenberger, die mit ihrem Mann zwei Schuhgeschäfte im Viertel und in Achim betreibt. Auch sie hofft auf den Senat, zumal sich die eigene Hausbank bisher wenig kooperativ gezeigt habe. Die Geschäftsfrau kritisiert aber auch Ungereimtheiten im staatlichen Handeln gegen die Corona-Krise. Ihr ist es schleierhaft, warum kleine boutique-artige Läden mit wenig Laufkundschaft schließen mussten. „Die Ansteckungsgefahr in solchen Geschäften liegt bei null, würde ich sagen – im Gegensatz zum Frisör, der einen direkten Kontakt hat, oder zu Baumärkten, in denen Klimaanlagen laufen“, argumentiert Hehenberger. Sollten ihre beiden Geschäfte über einen längeren Zeitraum geschlossen bleiben müssen, werde dies mit Sicherheit die Insolvenz bedeuten.
Solche Szenarien will der Senat abwenden. Die Wirtschaftsbehörde hat in einem ersten Schritt die Informationsmöglichkeiten für betroffene Unternehmen weiter ausgebaut. Gebündelt sind sie auf der Website bremen-innovativ.de. Dort kann man sich über Steuererleichterungen, rechtliche Fragen, Kurzarbeitergeld, die Task Force des Landes Bremen und zahlreiche weitere Aspekte auf den aktuellen Stand bringen. Die Informationen richten sich auch an von der Corona-Krise betroffene Arbeitnehmer.