Urban Gardening nennt sich, was seit ein paar Jahren zum Trend geworden ist. Gärtnern in der Stadt, könnte man auch sagen. Doch auf versiegelten Flächen lässt es sich nun mal schlecht gärtnern, im Asphalt wachsen keine Zwiebeln. Doch das hält Gartenbegeisterte und andere Gemüsebauern in spe nicht davon ab, auch an Orten zu pflanzen, die eigentlich gar nicht nach Garten aussehen. Einer, der daraus ein Geschäftsmodell entwickelt hat, ist Michael Scheer. Der Bremer ist Geschäftsführer der Gesellschaft für integrative Beschäftigung, die auch Menschen mit eingeschränkter Erwerbsbefähigung eine sozialversicherte Anstellung bietet. Zum Beispiel eben als Hochbeet-Gärtner.
Scheer bezeichnet sich selbst als größten Anbieter von Hochbeeten in Norddeutschland. Rund 1000 Beete pflegt seine Firma selbst. Zum Beispiel auf der Gemüsewerft zwischen Stephanikirchweide und dem alten Silo-Turm der Cornflakes-Mühle von Kellog an der Weser. „Hochbeete funktionieren eigentlich überall. Ob auf versiegelten Flächen, auf verseuchten Flächen oder auf Flächen, die nur für einen begrenzten Zeitraum genutzt werden können“, sagt Scheer. Denn zur Not könne ein LKW die Hochbeete abholen und an einen anderen Ort bringen.
Seine Hochbeete sind recht simple Konstruktionen, die sich am Normierungsprinzip der Logistikwirtschaft orientiert. Aus ausrangierten Euro-Paletten zimmern Scheer und seine Mitarbeiter die überdimensionalen Pflanzkübel. „Da gehen 400 Liter Erde rein. Die sind zwar leer schon nicht leicht, aber gefüllt braucht man echt schweres Gerät, um die zu bewegen“, sagt er mit einem lang gezogenen Bremer Akzent. „Im Grunde wiederverwerten wir Verpackungsmaterial.“ Auf die Paletten kommen Aufsetzrahmen. Meistens in drei Lagen, manchmal – dann werden die Hochbeete entsprechend flacher – auch nur eine oder zwei Lagen. Denn die Höhe des Beets definiert am Ende die Wurzeltiefe. Ein Salatkopf wurzelt weniger tief als eine Tomate.
Große Hopfenernte unter Scheers Aufsicht
Auf der Gemüsewerft wird Hopfen angebaut. Hopfen wurzelt in der freien Natur in Tiefen von fünf Metern. Als er vor Jahren in die Hallertau fuhr, um sich über den Anbau der spektakulären Pflanze zu informieren, wurde er ausgelacht. Zwar ist nach Scheers Meinung auch die Hallertau klimatisch nur bedingt geeignet, aber dort, im größten zusammenhängenden Hopfenanbaugebiet der Welt, wird mehr als ein Drittel des Weltbedarfs geerntet. So schlecht kann es dort also nicht sein. Und auch in den Bremer Hochbeeten ist die Ernte in den vergangenen Jahren eindrücklich gewesen. Die benachbarte Bremer Braumanufaktur nimmt den Hopfen ab und verwendet ihn für ihre eigene Bierproduktion. Und Scheer meint, dass er das größte Hopfenanbaugebiet nördlich der Hallertau beackert. „Auf Sylt wird jetzt auch Hopfen angebaut, aber die haben bestimmt nicht so viel wie wir.“
Hochbeete sind also dort praktisch, wo kein Acker zur Verfügung steht. Und Hopfen wächst jeden Tag um die 15 Zentimeter. Er wird hoch und spendet Schatten. „Eigentlich eine perfekte Pflanze für wenig grüne Orte in der Stadt“, sagt Scheer. Aber man muss lernen, mit einem Hochbeet umzugehen. Die klimatischen Bedingungen in einem Hochbeet sind andere als auf einem Acker. „Unsere Beete sind von allen Seiten von Luft umgeben, ein Acker wird von oben aufgeheizt, also von einer Seite. Unsere Hochbeete bekommen Luft und Hitze gleich von allen sechs Seiten“, so Scheer. Aus gärtnerischer Sicht ist so ein Hochbeet also eigentlich weniger gut geeignet. Zumindest dann, wenn man einen Acker haben kann.
Folie ist wichtig
Äcker gibt es in verdichteten Städten nun mal eher selten, dafür aber Brachflächen oder feste Plätze. Doch das sind keine Orte, auf denen Kartoffeln angebaut werden sollten. Zwar könnte man in größter Not auch einen steinigen Platz wie die Domsheide zum Acker machen, wie es in anderen Städten im Krieg geschehen ist. In Friedenszeiten aber liefert ein Hochbeet nicht bloß Gemüse, sondern eben auch Schatten und einen Beitrag für bessere Luft.
„Wir müssen unsere Hochbeete mit PPX-Folie ausschlagen, sonst wäre nach einem Jahr das Holz morsch“, sagt Scheer. Eigentlich verschreibt er sich einer ökologischen Landwirtschaft, aber ganz ohne Abstriche geht es nicht. „In Hochbeeten leben keine Tiere, deshalb bildet sich auch kein Humus und man muss düngen“, so Scheer. Jeden Winter werden in Scheers Beete Gründünger gesät, dann wird umgegraben und alle zwei Jahre mit Pferdemist ergänzt.
Das Wissen über das urbane Gärtnern ist schon fortgeschritten. Auch wenn der „potenzielle Multi-Millionen-Markt“, so Scheer, noch in den Anfängen steckt. „Wir machen gerade gemeinsam mit der Hochschule ein Forschungsprojekt zur Stadtgärtnerei der Zukunft“, sagt Michael Scheer. Darum scheint es letztlich zu gehen: Wie kann man in der Stadt gärtnern, Gemüse anbauen, und dabei auch noch die gute Landluft genießen? Die Baumärkte in den Städten entdecken diesen Markt langsam für sich. Scheer ist da schon weiter, und trotzdem Landwirt geblieben. Weitere urbane Hobbygärtner werden ihm folgen.
Der Weg zum eigenen Beet
Was ist ein Hochbeet überhaupt?
Im Grunde genommen sind Hochbeete überdimensionierte Balkonkübel, die aber etwas besser auf klimatische Gegebenheiten abgestimmt sind.
Wo kann man ein Hochbeet aufstellen?
Hochbeete haben den Vorteil, dass sie fast überall platziert werden können, wo ein gerader und einigermaßen befestigter Untergrund zu finden ist. Allerdings kann so ein Hochbeet ganz schön schwer werden. Die Beete der Gemüsewerft wiegen an die 500 Kilos. Eine große Dachterrasse mag zwar viel Platz bieten, aber die Statik des Gebäudes könnte den Plan vereiteln.
Was kostet ein Hochbeet?
Bausätze für Hochbeete gibt es in den Bau- und Gartenmärkten. Hochwertige Pflanzkästen aus robusten Hölzern können an die 1000 Euro kosten. Günstigere Bausätze gibt es auch für unter hundert Euro. Sammelt man das Material auf dem Sperrmüll zusammen, kann man die Kosten stark reduzieren, allerdings sollte man darauf achten, dass das Holz nicht mit Giftstoffen kontaminiert ist. Zu dem eigentlichen Pflanzkasten kommen noch die Kosten für Erde. Und mit einem handelsüblichen 70-Liter-Sack Torferde ist es bei einem Raummaß von beispielsweise einem Kubikmeter nicht getan. Je nach Höhe des Beets werden es eher 400 Liter und mehr.