Auch wenn Bremen bei der bundesweiten Razzia Anfang Dezember nicht dabei war – die Zahl der "Reichsbürger" im Stadtstaat hat laut Verfassungsschutz zuletzt deutlich zugenommen. Die Sicherheitsbehörden warnen unisono davor, dies auf die leichte Schulter zu nehmen. Auch in Bremen gebe es "Reichsbürger", die schon durch Gewaltdrohungen aufgefallen sind. Und von zwölf Anhängern dieser Szene wurde die waffenrechtliche Erlaubnis widerrufen, was zur Abgabe von 30 Waffen beziehungsweise Waffenteilen wie unter anderem Schalldämpfern führte.
"Wir haben in Bremen sicher nicht die größte Reichsbürger-Szene", sagt Dierk Schittkowski, Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz. Und es gehe bislang sicher weniger um Menschen mit Waffen in der Hand, sondern eher um "Vielschreiber". So nennt der Verfassungsschutz "Reichsbürger", die sich in ellenlangen Briefen an Behörden gegen Mahn- oder Bußgeldbescheide zur Wehr setzten, weil sie die Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennen.
Doch auch die sollte man nicht verharmlosen, betont Schittkowski, der "Reichsbürger" als "hochgradig gefährliche Leute" bezeichnet. "Im Kern sind diese Leute zum Widerstand bereit. Und wir haben die einen, die nur bellen. Und die anderen, die sagen: Ich würde auch beißen."
Zumal die "Reichsbürger"-Szene auch in Bremen zuletzt durch Corona und die damit verbundenen Kundgebungen und Demonstrationen Auftrieb bekommen habe. "Bis vor Corona hatten sie Mühe, sich zu organisieren. Da gab es höchstens kleine Grüppchen, deren Wirkung nach außen eher gering war."

Dierk Schittkowski, Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz in Bremen.
Über die Corona-Proteste und die Vernetzungsstrukturen in den sozialen Medien gebe es jetzt aber andere Gruppen und Grüppchen, in denen "Reichsbürger" schnell Anschluss fänden. In den sozialen Medien verfange deren Gedankengut und überzeuge Menschen davon, sich von der Demokratie abwenden und gegen "die Eliten" vorgehen zu müssen. "Einzelne ergehen sich so lange in Gewaltfantasien, bis sie dann auch ernsthafte Straftaten begehen."
Auf rund 100 Personen taxierte der Verfassungsschutz bislang die Zahl der "Reichsbürger" in Bremen. Im nächsten Jahresbericht, der im Frühjahr veröffentlicht wird, wird diese Zahl deutlich höher ausfallen, kündigt Schittkowski an. Und warnt nachdrücklich davor, "Reichsbürger" als Spinner abzutun. "Natürlich können die nicht die Bundesrepublik stürzen, aber das ist nicht unser Ansatz", erklärt der Verfassungsschutz-Chef. "Wir sagen, da ist eine Gruppe von Menschen, von denen demnächst schwere Straftaten begangen werden."
"Reichsbürger"-Szene eint der Hass auf den Staat
Es handele sich um eine Mischszene, zu der auch gewaltorientierte, zu allem entschlossene Menschen gehörten, geeint durch die Ablehnung oder den Hass auf die Bundesrepublik. "Egal wie – erst mal muss der Staat weg, dann sehen wir weiter."
So vergleichsweise ruhig es um die Szene in Bremen bislang blieb – Zwangsräumungen, bei denen die Polizei vorsichtshalber mit mehreren Streifenwagen anrückte, nur weil es hieß, dass es sich um einen "Reichsbürger" handele, habe es auch hier schon gegeben.
Laut Innenbehörde lag die Zahl der Straftaten, die 2022 durch Personen aus der "Reichsbürger"-Szene begangen wurden, im niedrigen einstelligen Bereich. Dabei sei es vor allem um Bedrohungen und Verstöße gegen das Vereinigungsverbot gegangen.
Auch Waffen waren im Zusammenhang mit Reichsbürgern schon im Spiel. Seit 2016 müssen in Bremen Personen aus dem Spektrum der "Reichsbürger" ihre waffenrechtlichen Erlaubnisse abgeben, da ihnen die dafür erforderliche Zuverlässigkeit aberkannt wird. Laut Innenbehörde wurden seither zwölf Erlaubnisse entzogen, dabei wurden 30 Waffen oder Teile davon abgegeben.
Für den konsequenten Umgang mit "Reichsbürgern" spielten Bremen mehrere Faktoren in die Karten, sagt Schittkowski. Da sei zum einen der gute Austausch zwischen Gerichten, Staatsanwaltschaft, Behörden und Verfassungsschutz. Hinzu komme im Vergleich zu anderen Bundesländern die Überschaubarkeit. "Wir haben zum Beispiel eine Waffenbehörde. In Nordrhein-Westfalen gibt es 50." Zum anderen gebe es in Bremen insgesamt eine besondere Sensibilität für dieses Thema, insbesondere auch wenn es um den Besitz von Waffen gehe.
Bremer Verfassungsschutz hat "Reichsbürger" schon seit Jahren im Fokus
Der Verfassungsschutz seinerseits kümmere sich in Bremen schon seit Jahren intensiv um die "Reichsbürger", verfolge etwa die Aktivitäten der Szene in den sozialen Medien sehr genau. Man sammele aber nicht nur Informationen, sondern fordere die Behörden auch aktiv zu einer Null-Toleranz-Haltung und zur Weitergabe von Informationen auf, erläutert Schittkowski.
Schließlich fielen "Reichsbürger" in den unterschiedlichen Bereichen auf, sei es durch Widerstand gegen Bußgelder, die Weigerung, Steuern zu bezahlen, oder auch dadurch, dass sie ihre Kinder nicht zur Schule schicken. Und anders als bei manch anderem Thema, würden die entsprechenden Hinweise des Verfassungsschutzes von den anderen Behörden hier auch gerne angenommen.