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Aufruf zu Mahnwache Huchting am Tag danach

Einen Tag nach dem Brandanschlag werden die Stimmen in Huchting laut: Während einige Huchtinger eine Mahnwache planen, vermissen Skeptiker eine ernsthafte Diskussion und Lösungen für die Lage in Huchting.
22.09.2016, 00:05 Uhr
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Von Frank Hethey

Einen Tag nach dem Brandanschlag werden die Stimmen in Huchting laut: Während einige Huchtinger eine Mahnwache planen, vermissen Skeptiker eine ernsthafte Diskussion und Lösungen für die Lage in Huchting.

Einen Tag nach dem Brandanschlag auf die noch unbewohnte Flüchtlingsunterkunft in Huchting herrscht geschäftiges Treiben auf der Baustelle an der Obervielander Straße. Die Polizei ist schon längst wieder abgezogen, an ihrer Stelle machen sich Arbeiter an den Containern zu schaffen.Natürlich mit Ausnahme der ausgebrannten Exemplare, die mit Spanplatten abgedichtet sind.

Ansonsten weist kaum noch etwas auf den Anschlag hin, nirgends eingeschlagene Scheiben, keine Verwüstungen. Zwei lange Reihen mit je 24 Containern in zwei Etagen stehen schon, eine weitere Reihe soll noch dazu kommen, die Betonsockel warten bereits auf ihre Last. Es sieht nach business as usual aus, alles wie immer.

Aber ist auch alles wie immer in Huchting? Sicher nicht. Nach der spontanen Demo, die das Bündnis gegen Rassismus und Rechtspopulismus Bremen bereits am Dienstagabend organisiert hatte, wollen die Huchtinger am Sonnabend um 15 Uhr mit einer Mahnwache am Ort des Geschehens nachlegen.

„Wir dürfen es nicht einfach tolerieren, dass so etwas in Huchting passiert“, schreibt Organisator Erhard Monsig in seinem Aufruf, der über die sozialen Netzwerke verbreitet wurde. „Huchting ist bunt und das ist auch gut so!“, sagt der 60-Jährige. Das frühere SPD-Beiratsmitglied rechnet mit rund 100 Teilnehmern.

Doch es sind auch andere Stimmen zu vernehmen. Hört man sich auf der Straße um, scheint es schon seit längerem zu brodeln und zu gären in Bremens Süden. Wobei kaum jemand namentlich genannt werden möchte. Zu groß ist die Befürchtung, in die rechte Ecke gestellt zu werden. Und doch haben die Menschen im Umfeld des geplanten Containerdorfs viel zu sagen. Etwa eine Anwohnerin aus dem vorderen Bereich der Obervielander Straße.
Über den Gartenzaun hinweg gibt sie bereitwillig Auskunft. „Ich bin keine Rassistin“, sagt die 41-Jährige gleich zu Beginn. Natürlich sei es schrecklich, was in den Bürgerkriegsländern geschehe. „Aber wir wollen nicht noch ein Asylantenheim in Huchting.“

Überbelegung im Stadtteil

Dass sie eine Mehrheitsmeinung vertritt, steht für sie völlig außer Zweifel. „Die meisten hier denken doch so.“ Das hat in ihren Augen auch mit einer Überbelegung des Stadtteils zu tun. Sie zählt die schon bestehenden Flüchtlingseinrichtungen in Huchting auf und kommt auf sechs inklusive der neuen Unterkunft. „Das ist zu viel für unseren kleinen Stadtteil“, sagt sie.

Bedroht fühlt sich sogar ein stämmiger Mann, der ebenfalls namentlich nicht genannt werden möchte. Zusammen mit seinen Kumpeln steht er in der Straße Oldeoog kaum 150 Meter von der Containerunterkunft entfernt auf der anderen Seite der B 75. „Wir wollen hier keine Flüchtlinge“, sagt der Bartträger mit größter Bestimmtheit. „Mit denen gibt’s nur Ärger, die lungern hier herum und machen unsere Frauen und Kinder an.“

Eine denkwürdige Aussage, weil gerade ihm der Migrationshintergrund deutlich anzusehen ist. Er selbst sei Deutscher, erklärt er, sein Vater sei aus Algerien gekommen. „Aber nicht, um Hartz IV zu beziehen. Sondern um zu arbeiten.“ Womit er ganz offenbar sagen will, bei den Flüchtlingen sei das nicht der Fall.

Sammelunterkünfte sind nicht optimal

Von einer „schwierigen Situation für alle Beteiligten“ spricht Marc Millies, Koordinator im Flüchtlingsrat Bremen. Dass Sammelunterkünfte nicht optimal seien, räumt er gern ein. „Wenn ein Geflüchteter ins Nachbarhaus einzieht, ist das eine ganz andere Atmosphäre“, sagt er und meint damit: eine bessere Atmosphäre. Auch die Geflüchteten würden es vorziehen, woanders unterzukommen, in eigenen Wohnungen.

Als Negativbeispiel nennt er das Übergangswohnheim Wardamm. „Das liegt sehr abgelegen in einem Kleingartengebiet, da fährt kein Bus hin.“ Das Problem: Erst nach Ablauf von drei Monaten dürfen sich Asylbewerber um eine private Unterkunft bemühen.

Kein leichtes Unterfangen, „weil es nicht genügend sozialverträglichen Wohnraum gibt“. Schon Einheimische hätten damit zu kämpfen. „Geflüchtete trifft es aber besonders hart“, sagt Millies. Solange sich an dieser Situation nichts ändere, sei die Politik gefordert, mit den Menschen vor Ort zu reden.

Genau daran hapert es aber bisweilen. Zwar suchen Ortsamt und Beirat in Huchting über das „Forum Ankommen“, mit den Bewohnern ins Gespräch zu kommen. Doch gerade bei der jüngsten Zusammenkunft am vergangenen Donnerstag vermissten viele Skeptiker eine problemorientierte Erörterung der Lage in Huchting. Nicht reibungslos verlief auch die Kommunikation zwischen dem Sozialressort und den involvierten Institutionen im Stadtteil.

Transparente Kommunikation notwendig

Das schwang in den Reaktionen auf den Brandanschlag mit. „Auch die Behörden müssen alles daran setzen, eine transparente Kommunikation und breite Information vor Ort bei der Schaffung von Unterkünften zu gewährleisten“, erklärte Yvonne Averwerser, Vorsitzende der Huchtinger CDU-Beiratsfraktion.

Dass es Informationspannen gegeben habe, will Behördensprecher Bernd Schneider gern eingestehen. Aber nicht, dass ein Vorsatz dahinter steckte, man womöglich vollendete Tatsachen schaffen wollte. „Die Politik sollte nicht düpiert werden, im operativen Geschäft wurde einfach versäumt, den Beirat zu informieren.“

Derweil hat die Polizei noch keine neuen Erkenntnisse zu den Hintergründen des Brandanschlags. Dass es einen Zusammenhang mit dem Forumstreffen geben könnte, hält Beiratssprecher Falko Bries (SPD) für abwegig. „Nur weil man im Forum nicht zu Wort kommt, steckt man noch keine Hütte an.“ Dass die Täter aus Huchting kommen, mag er ohnehin nicht glauben.

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