Im Kampf gegen knappen Wohnraum und steigende Mieten sollte Bremen verstärkt auf Wohnungsgenossenschaften setzen. Das schlägt der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Niedersachsen/Bremen (VDW) vor. Dabei sei für Neugründungen eine Anschubfinanzierung durch die Hansestadt erstrebenswert, erklärte Verbandsdirektorin Susanne Schmitt im Gespräch mit dem WESER-KURIER. „Bremen hat hier noch viel Entwicklungspotenzial.“ Bei offenen Genossenschaften können Bürger Anteile erwerben und genießen als Nutzungsberechtigte von Wohnungen insbesondere beim Kündigungsschutz mehr Rechte als normale Mieter.
Der im rot-grün-roten Senat diskutierte und im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und Linken als Prüfauftrag festgeschriebene Mietendeckel nach Berliner Vorbild sieht die Organisation dagegen äußerst kritisch. „Wichtig wäre erst einmal ein Mietenspiegel“, fordert Schmitt. Bremen ist die einzige Großstadt in Deutschland, die nicht über eine solche amtliche und gerichtsverwertbare Vergleichsliste verfügt. Ohne einen qualifizierten Überblick über die tatsächlich bezahlten Mieten sei die seit Jahren in der Hansestadt bestehende Mietpreisgrenze „völlig wirkungslos“, beklagen Mieterschutzbund und Eigentümerverband Haus und Grund gleichermaßen. Preisvergleiche auf Immobilienplattformen im Internet seien nicht hilfreich, da sie nur neue Angebote, nicht aber die Bestandsmieten umfassten, gibt Schmitt zu bedenken.
Ihr sozialorientierter Verband vertritt in Bremen und Bremerhaven derzeit fünf kommunale Wohnungsgesellschaften mit insgesamt 57.000 Einheiten sowie acht Genossenschaften mit rund 8500 Wohnungen. Davon ist die Espabau mit 3000 Objekten die größte, Anders wohnen eG mit 23 Wohnungen die kleinste. Ganz anders die Zahlen in Niedersachsen: Hier sind es 70 kommunale Gesellschaften mit einem Bestand von 165.000 Wohnungen sowie 89 Genossenschaften mit insgesamt 118.000 Einheiten. Mit rund 10 000 Wohnungen und 19.000 Mitgliedern zählt die Wiederaufbau in Braunschweig zu den größten in Deutschland.
Genossenschaftsangebot in Bremen ausbaufähig
Der Spar- und Bauverein in Hannover mit 23.000 Mitgliedern verfügt über 8000 Wohnungen und Reihenhäuser. Auch in Hamburg haben die Genossenschaften eine deutlich größere Tradition als in Bremen. Dort gibt es 30 solcher Zusammenschlüsse mit insgesamt 133.000 Wohnungen. Allerdings ist die Quote beim Wohnungseigentum mit rund 20 Prozent an der Elbe laut VDW deutlich niedriger als an der Weser, wo diese nicht zuletzt dank der Bremer Häuser mit 40 Prozent das Doppelte erreicht. Angesichts des längst auch in Bremen angespannten Mietmarkts hält die VDW-Chefin das hiesige Genossenschaftsangebot für ausbaufähig, sowohl im Bestand als auch durch Neugründungen.
„Wohnungsgenossenschaften sind ein Segen“, wirbt Schmitt für diese Form der Wohnraumbeschaffung für Menschen, die sich selbst den Kauf eines Objekts nicht leisten, aber durch ihre Anteile langfristig ein hohes Maß an Sicherheit erwerben könnten. Die Juristin verweist auf die Vorteile wie langfristig moderate Mieten und dem hohen Bestandsschutz: „Die Mitglieder wollen nicht raus, und sie müssen nicht raus.“ Durch seine Anteile habe jedes Mitglied immer eine Art Mitspracherecht. Dazu komme ein soziales Nachbarschaftsleben mit vielen gemeinsamen Projekten wie Gartenfeste oder Kaffeefahrten. Das beuge auch einer Vereinsamung vor.
Allerdings ließen sich neue Genossenschaften nicht aus dem Boden stampfen, warnt die Verbandsdirektorin. „Bevor man in Romantik verfällt, braucht man harte Fakten und hartes Geld.“ Mit Anteilen von 500 Euro seien Neugründungen heutzutage nicht mehr zu schaffen. Man brauche genügend Eigenkapital, geeignete Grundstücke, einen durchdachten Geschäftsplan, fähiges Führungspersonal und eine schlagkräftige Struktur. „Die benötigten Fachkräfte wie Architekten und Techniker sind nicht mal eben auf dem Markt zu finden.“ Öffentliche Finanzhilfen seien sinnvoll und wünschenswert, sagt Schmitt.
Mit dem Bremer Senat befinde man sich diesbezüglich bereits in „ersten Gesprächen“.Als Konkurrenz zu den viel größeren städtischen Wohnungsgesellschaften Gewoba und Brebau seien die Genossenschaften nicht zu verstehen, betont Schmitt. „Sie sind vielmehr eine Ergänzung.“