Die Zahl der Fälle, in denen Betrüger am Telefon ältere Menschen mit der Masche „falscher Polizist“ unter Druck setzen, ist in Bremen im ersten Halbjahr 2018 noch einmal sprunghaft angestiegen. 736 solcher Straftaten registrierte die Polizei bis Ende Juni. Womit schon zur Jahreshälfte fast die Gesamtzahl des Vorjahres erreicht wurde. Für 2017 standen insgesamt 811 Fälle zu Buche.
Allerdings kann die Polizei auch Erfolge vermelden – mehrere der falschen Polizisten werden im Oktober vor dem Landgericht stehen. Schon die Zahlen von 2017 kommentierte die Polizei mit Besorgnis. Bremen sei offensichtlich ein Hotspot von Betrügern, die mit unterschiedlichen Maschen ältere Menschen skrupellos um ihr Erspartes bringen wollen, sagte Polizeipräsident Lutz Müller.
Bei dieser Masche versuchen die Täter am Telefon, ihre Opfer unter verschiedenen Vorwänden dazu zu bringen, Geld- und Wertgegenstände an einen Unbekannten zu übergeben, der sich ebenfalls als Polizist ausgibt, erklärt Polizeisprecher Nils Matthiesen die Vorgehensweise. Gezielt nutzen die Betrüger dabei die Gutgläubigkeit, Hilflosigkeit und Einsamkeit vieler älterer Menschen aus.
Da werde beispielsweise behauptet, das Diebesbanden die Opfer überfallen wollten. Geld und Wertgegenstände seien zu Hause oder auf der Bank nicht mehr sicher und sollten deshalb vorsichtshalber den falschen Polizisten übergeben werden. Zum Einsatz kommt dabei modernste Telefon-Technik, erläutert Matthiesen. So zeige etwa die Telefonanzeige der Angerufenen die Polizei-Notrufnummer 110 oder eine andere örtliche Nummer der Polizei.
Nur ein schwacher Trost für die Polizei ist in diesem Zusammenhang, dass es der überwiegende Teil der bekannten Fälle in Bremen bereits im Versuchsstadium scheitert. Denn für den Erfolg dieses millionenträchtigen Geschäftsmodells sorgt allein schon die Masse der Anrufe, mit denen die falschen Polizisten ihre Opfer unter Druck setzen.
Angerufen wird nach Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden zum großen Teil aus Callcentern in der Türkei. Polizeipräsident Müller spricht von besten internationalen Vernetzungen der Täter in die Türkei und nach Osteuropa. Oft würden die Drahtzieher dabei zwar aus dem Ausland agieren, hätten aber Bezüge zu Bremen.
"Erhebliche Anstrengungen der Bremer Polizei"
„Wo immer derzeit in Deutschland einer dieser Trickbetrüger festgenommen wird, führt eine Spur nach Bremen“, fasste schon im vergangenen Jahr ein Insider aus Reihen der Polizei in Nordrhein-Westfalen die Situation gegenüber dem WESER-KURIER zusammen. Verbunden mit der leisen Kritik, dass sich Bremen mit diesem Wissen durchaus ein bisschen besser aufstellen könnte.
Auch innerhalb der Bremer Polizei gibt es Stimmen, die das so sehen. „Wir behandeln dieses Thema noch viel zu stiefmütterlich“, ist dort zu hören. Angesichts des hohen Organisationsgrades der Täter müsste gezielter und mit mehr Manpower gegen sie angetreten werden.
„Wir sind durch die überregional agierenden Tätergruppen stark gefordert“, räumt Bremens Kripo-Chef Daniel Heinke ein, spricht aber auch von „erheblichen Anstrengungen“ der Bremer Polizei. So gibt es zum Beispiel eine gemeinsamen Ermittlungsgruppe mit der Polizeidirektion Oldenburg. Zudem beteiligen sich die ermittelnden Dienststellen der Polizei Bremen laut Heinke „an intensiv vernetzter bundesweiter Zusammenarbeit der von diesem Kriminalitätsphänomen betroffenen Polizeibehörden“.
Für Niedersachsen ist Zahlenmaterial speziell zu diesem Phänomen nicht verfügbar. Gefühlt hätten die Fallzahlen auch hier zugenommen, heißt es aus dem Innenministerium. In der Statistik werde die Masche aber nicht gesondert ausgewiesen, sondern falle ganz allgemein unter Betrug. Die Polizeidirektion Oldenburg kann dagegen für 2017 etwa 1200 Straftaten mit falschen Polizisten vermelden.
Zahlen für das laufende Jahr gebe es noch nicht, sagt Patrick-Christopher Koch, Sprecher der Direktion. „Allerdings ist von einer Steigerung auszugehen.“ Der jüngste Erfolg der bremisch-oldenburgischen Polizeikooperation datiert vom April dieses Jahres. Nach zweimonatiger Ermittlungsarbeit gelang es, zwei Männer auf frischer Tat festzunehmen, die zuvor in Ritterhude und Lesum als falsche Polizisten unterwegs waren.
Callcenter in der Türkei
Und auch vor Gericht finden die Aktivitäten der Ermittlungsbehörden inzwischen ihren Niederschlag. Im Oktober stehen gleich mehrere falsche Polizisten vor dem Landgericht Bremen. Ein besonderer Coup gelang der Staatsanwaltschaft Bremen dabei im Falle eines Mannes, der als „Keiler“ oder auch „Mediator“ innerhalb der Betrugsmaschinerie tätig war. So bezeichnen die Ermittlungsbehörden die Personen, die bei den Opfern anrufen.
Zuvor hatte die Polizei zumeist lediglich die in der Hierarchie der kriminellen Organisationen nachgeordneten „Logistiker“ oder „Abholer“ gefasst, die in Deutschland vor Ort eingesetzt werden. Jetzt wurde ein Mann festgenommen, der in einem der Callcenter in der Türkei gearbeitet hat. „Wir hatten mit einem europäischem Haftbefehl nach dem Mann gesucht“, berichtet Oberstaatsanwältin Claudia Helberg, bei der Bremer Staatsanwaltschaft Leiterin der Abteilung Organisierte Kriminalität. In Griechenland ging er der Polizei schließlich ins Netz. Vor seinem Einsatz in der Türkei wohnte der Mann in Bremen.