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Justizvollzugsanstalt Warum der Bedarf an besonders gesicherten Hafträumen in Bremen steigt

Gefängnisinsassen, die für andere oder sich selbst eine Gefahr darstellen, werden vorübergehend in besonders gesicherten Hafträumen untergebracht. In Bremen ist das aus mehreren Gründen häufiger der Fall.
10.02.2025, 05:00 Uhr
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Warum der Bedarf an besonders gesicherten Hafträumen in Bremen steigt
Von Ralf Michel

Keine gute Idee, Jörg Köster nach der Zahl der "Bunker" im Bremer Gefängnis zu fragen. Denn diesen Begriff hört der stellvertretende Leiter der Bremer Justizvollzugsanstalt (JVA) gar nicht gern. "Besonders gesicherte Hafträume" lautet die korrekte Bezeichnung. Und deshalb gleich zu Beginn des Besuchs in Oslebshausen eine weitere Klarstellung: Die Unterbringung in einer dieser speziellen Zellen dient weder der Disziplinierung noch der Bestrafung von aufsässigen Gefangenen, sondern ist ausschließlich eine Sicherungsmaßnahme.

Wer hier landet, ist in diesem Moment eine akute Gefahr für andere oder sich selbst. Ist komplett ausgerastet, nicht mehr ansprechbar, attackiert andere Gefangene oder droht damit, sich umzubringen. 184 solcher Fälle gab es 2023 in der JVA Bremen. Tendenz: "deutlich steigend".

Zwei gewaltige Stahltüren sichern den speziellen Haftraum. Dahinter hohe, weiß geflieste Wände, ein grauer Fußboden. Kein Tisch, kein Stuhl, kein Bett. Nichts, womit der Gefangene sich oder andere verletzten könnte. An der Wand lehnt eine graue Matratze, daneben ein blauer Sitzwürfel und ein Dreieckpolster. Als Toilette dient ein Metallauslass im Boden, die Spülung kann nur von außen bedient werden.

An der Decke ist eine Überwachungskamera angebracht, an einer der Seiten eine Uhr, auch sie hoch oben. Fenster gibt es nicht, für Licht sorgen Leuchtstoffröhren, auch sie in drei Meter Höhe angebracht. "Vandalensicher", sagt Köster. Und erzählt, dass es Gefangenen trotzdem immer wieder gelingt, etwas kaputtzumachen. Vor allem die Überwachungskamera. Wenn sie denn nicht mit Kot verschmiert wird.

Wäsche aus Papier

Auf dem Sitzwürfel liegt eine Decke und darauf ein Jogginganzug. Für manche, die hier landen, wäre selbst er noch zu viel. Sie erhalten Wäsche aus Papier, um auszuschließen, dass sie sich strangulieren.

Auffällig ist die Größe des Raumes. Etwa 22 Quadratmetern, deutlich mehr als die "normalen" Zellen. Und es ist sehr warm. Gerade diese Gefangenen müssten sich bewegen können, erklärt Köster. Und die Temperatur sei notwendig, weil die Gefangenen ja auf einer nackten Matratze direkt auf dem Boden schlafen müssten.

Die Kontaktaufnahme zu dem Gefangenen erfolgt zunächst durch eine Klappe in einer der Türen. "Geht nicht anders", sagt Köster. Von vielen, die hier landen, ginge eine extreme Fremdgefährdung aus. Trotzdem sei diese Unterbringung nur die Ultima Ratio, betont eine Mitarbeiterin des psychologischen Dienstes der JVA. Wenn jemand randaliere oder drohe, einen anderen oder sich selbst umzubringen, würde immer zuerst versucht, mit ihm zu reden, auf ihn einzuwirken, um zu deeskalieren.

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Gleichwohl steigt die Zahl dieser Unterbringungen in der JVA Bremen. "Die Zahl der psychisch Auffälligen bei uns geht kontinuierlich hoch, vor allem in der Untersuchungshaft", nennt die Psychologin einen wesentlichen Grund dafür. "Und oft sind es hochgradig psychisch Erkrankte!" In Gesprächen und bei vorhandener Bereitschaft, Medikamente zu nehmen, könnte dies zwar meist reguliert werden. "Aber es bleiben psychisch kranke Menschen, und der Umgang mit ihnen ist eigentlich nicht Schwerpunkt der Arbeit in einer JVA."

Hinzu käme die veränderte Drogenlandschaft. Crack und synthetische Drogen wie Spice verursachen psychotische Zustände. Die Gefangenen leiden unter Wahnvorstellungen, hören Stimmen, fühlen sich bedroht, erzählt Jörg Köster. "Früher hatten wir unter unseren Gefangenen immer mal wieder einen Systemsprenger, heute sind es regelmäßig vier bis fünf."

Während der Unterbringung in einer besonders gesicherten Zelle werden die Gefangenen engmaschig überwacht, auch medizinisch. Dazu gehört, dass die Psychologen der JVA versuchen, möglichst schnell mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Angesichts der Situation schon schwer genug, doch hinzukämen zunehmend Sprachprobleme, berichtet der stellvertretende Anstaltsleiter. 669 Insassen hatte die JVA Bremen Anfang des Jahres. 320 von ihnen seien rein ausländischer Herkunft. Ganz zu schweigen davon, dass nicht wenige aus Kulturkreisen kämen, die Probleme mit dem weiblichen Personal hätten.

Drogen und Sprachprobleme

Auch dies gehört für Köster zur Wahrheit: "Bis 2015 hatten wir meist unter 500 Gefangene, heute sind es fast 700. Und ein Großteil davon sind Ausländer." Allein 70 der derzeitig Inhaftierten kämen aus den Maghreb-Staaten, Stichwort "Junge Räuber".

Generell versuche man, eine Unterbringung in diesen Hafträumen zu vermeiden oder zumindest so kurz wie möglich zu halten, erklärt die Psychologin. "Machen wir uns nichts vor, so ein Raum führt nicht gerade dazu, dass es dem Gefangenen besser geht."

Hinzu komme, dass eine solche Unterbringung oft verbunden mit einem Anstaltsalarm sei, ergänzt Köster. Dies alles koste Zeit und Personal und störe die friedliche Arbeit der übrigen Insassen. "Bin ich hier eigentlich noch im Knast oder in der Psychiatrie", habe unlängst mal einer der Gefangenen gefragt.

Wann ein Gefangener den Spezialraum wieder verlassen kann, entscheidet der Vollzugsabteilungsleiter in Abstimmung mit dem psychologischen Fachdienst. Die meisten Gefangenen blieben weniger als acht Stunden oder maximal ein bis zwei Tage dort. "Aber es ist immer eine Ermessensentscheidung: Nehme ich ihn raus und riskiere, dass er sich umbringt oder andere angreift?", sagt Köster. "Es bleibt heikel. Wie ein Tanz auf Eiern."

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