Bundesweit herrscht Lehrermangel, in Berlin war deshalb zuletzt sogar jeder zweite neu eingestellte Grundschullehrer ein Quereinsteiger. Diese Dimension hat der Einsatz von Personal ohne Lehrerausbildung in Bremens Schulen nicht. Doch auch hier setzt die Stadt stark auf Studierende und Quereinsteiger, um die größten Löcher zu stopfen. Und die Zahl der Studenten, die in Schulen als Lehrer arbeiten, ist stark gestiegen.
Zuletzt waren beim Verein Stadtteilschule laut Personalrat Schulen 740 Studierende beschäftigt, die ohne zweites Staatsexamen an Bremer Schulen unterrichten. „Das sind etwa zehn Prozent der gesamten Belegschaft an Lehrkräften in der Stadt“, stellt Michal Myrcik vom Personalrat Schulen fest. Der Einsatz von Studierenden habe überhandgenommen, kritisiert er. „Das ist eine Notmaßnahme, der wir angesichts des Lehrermangels vor vier Jahren zugestimmt haben, aber wir hätten damals nie gedacht, dass es einmal so viele studentische Lehrer geben würde, und wir wollen, dass es nicht weiter ausartet.“
Der Verein Stadtteilschule ist zum größten Personaldienstleister für die Bildungsbehörde aufgestiegen: Vom Verein werden Lehrkräfte beschäftigt, die entweder Studierende oder Quereinsteiger sind. Die Stadtteilschul-Beschäftigten fungieren als Vertretungs- und Feuerwehrpool für die Schulen. Bei der Bildungsbehörde werden keine Lehrkräfte ohne zweites Staatsexamen beschäftigt, da der Personalrat dem nicht zustimme, sagt Myrcik. Die Gewerkschaft GEW bemängelt ebenfalls, dass mehrere Hundert Lehrkräfte ohne vollständige Lehrerausbildung an Bremer Schulen arbeiten – in Bremerhaven habe jede sechste Lehrkraft kein zweites Staatsexamen.
Deutliche Kritik am Einsatz von Studierenden als Aushilfslehrer kommt nun auch von führenden Persönlichkeiten der Universität Bremen. „Dass Bachelor-Studenten vor einer Schulklasse stehen, gehört sich schon mal gar nicht“, sagt Thomas Hoffmeister, Konrektor für Studium und Lehre. Lehramtsstudierende sollten erst nach dem zweiten Semester im Master an Schulen arbeiten dürfen, fordert Hoffmeister. Eine entsprechende Vereinbarung müsse mit der Bildungsbehörde getroffen werden. Im zweiten Semester des Masters steht im Lehramtsstudium eine Praxisphase an. Studierende unterrichteten dann an einer Schule, werden dabei aber von einem ausgebildeten Lehrer und von Lehrenden der Uni begleitet, die zu Hospitationen vorbeikommen. Parallel gibt es an der Uni ein Begleitseminar, in dem Studierende ihre praktischen Erfahrungen reflektieren. Nach dieser begleiteten Praxisphase könnten Studierende an Schulen als Aushilfskraft arbeiten, sagt er.
Studenten fehlen in Seminaren
Hoffmeister kritisiert auch das zuletzt von der Behörde eingeführte System, das Erfahrung im Unterrichten mit Bonuspunkten belohnt. Wer schon im Studium als Lehrer jobbt, kann damit seine Chancen auf ein Referendariat etwas erhöhen. „Das übt Druck auf die Studierenden aus, in die Schulen zu gehen“, sagt Hoffmeister. Von denjenigen, die bereits im Studium an einer Schule arbeiten, werde die Praxis oft höher bewertet als die Theorie: „Dann denken die Studierenden: Ich mache das ja schon, was soll ich da noch lernen.“ Es sei spürbar, dass mehr Studierende die Seminare nicht besuchten, seit immer mehr von ihnen an den Schulen jobben. Das Fehlen in den Seminaren werde zudem unterstützt durch ein neues Bremer Gesetz, das die Anwesenheitspflicht für die meisten Lehrveranstaltungen an der Uni aufgehoben habe, beklagt Hoffmeister.
„Ich halte es für unverantwortlich, Studierende vor dem zweiten Jahr im Master eigenverantwortlich im Unterricht einzusetzen“, sagt auch Sabine Doff, Direktorin des Zentrums für Lehrerbildung an der Uni Bremen. „Uns sagen jetzt viele Studierende: ,Wir können nicht zum Seminar kommen, da arbeiten wir in der Schule'“, beschreibt sie. „Das ist nicht tragbar.“ Bei denjenigen, die zu früh ins kalte Wasser geworfen würden, entstehe oft der Eindruck, man könne auch ohne Didaktik-Wissen durchkommen. Das schlage aber mittelfristig auf die ganze Berufslaufbahn durch. „Oft wollen diejenigen, die einmal direkt in die Praxis gestartet sind, später die fachliche Ausbildung nicht mehr nachholen.“
Als ein Beispiel, wo fachliche Ausbildung in der Praxis wichtig ist, nennt sie die Förderung von Kindern, die gerade erst Deutsch lernen. „Wenn ein Lehrer weiß, in welchen Phasen Spracherwerb abläuft, wird er ein Kind zum Beispiel nicht auf jeden Fehler hinweisen, den es in der neuen Sprache macht, sondern kann zwischen wichtigen und unwichtigen Fehlern unterscheiden.“
Statt so massiv Studierende als Lehrkräfte einzusetzen, solle Bremen sich stärker darum bemühen, Ruheständler und Teilzeitkräfte in die Schulen zu holen, fordert Doff. Temporäre Mehrarbeit könne über Arbeitszeitkonten erfasst und zu anderen Zeiten ausgeglichen werden. „Das sind allerdings Maßnahmen, die teurer sind als der Einsatz von Studierenden“, kommentiert Doff. Dass Studierende im Tandem mit ausgebildeten Lehrkräften unterrichten oder bei der Hausaufgabenbetreuung helfen, hält sie dagegen für sinnvoll. In der Praxis sieht es an Bremer Schulen meist anders aus, zum Teil wurden Studierende sogar als Klassenlehrer eingesetzt. Nach den jüngsten Zahlen einer Studie der Bertelsmann-Stiftung fehlen bis 2025 bundesweit allein in den Grundschulen rund 35 000 Lehrkräfte.