Der Vegesacker Ortsamtsleiter Heiko Dornstedt (SPD) hat Obdachlose wegen ihres Alkoholkonsums des Stadthauses verwiesen – bei Minusgraden. Die Männer hatten sich im Eingang aufgewärmt und dabei zum Teil Alkohol konsumiert. „Das ist wohl nachvollziehbar, dass ich das nicht tolerieren kann“, sagte Dornstedt auf Anfrage. „Hier kommen junge Familien und Brautpaare vorbei, die wollen nicht an volltrunkenen Menschen vorbeigehen.“ Nach Informationen der NORDDEUTSCHEN gibt es mittlerweile keine einzige Notunterkunft nördlich der Lesum mehr. Freitag findet ein internes Treffen zum Thema statt.
„Es gibt kein Schlichthotel mehr, in dem wir kurzfristig Zimmer vermitteln können, jenseits der Lesum“, bestätigt Bernd Schneider, Sprecher des Sozialressorts. Alle bisherigen Pensionen würden aus privatwirtschaftlichen Gründen keine Obdachlosen mehr aufnehmen, so Schneider weiter. Nach internen Verwaltungsunterlagen, die der Redaktion vorliegen, will der Verein Innere Mission im April zwar eine Flüchtlingsunterkunft in Bremen zur vorübergehenden Unterbringung von rund 30 wohnungslosen Menschen umwidmen. Weitere Objekte sollen folgen. Allerdings nicht in Bremen-Nord.
Szenetreff am Aumunder Heerweg
In Bremen-Nord organisiert die Innere Mission seit 2010 den von der Bremischen Kirche und über Spenden finanzierten Szenetreff am Aumunder Heerweg, wo sich nach Schätzungen rund 60 bis 70 Frauen und Männer mit Alkohol- und Drogenproblemen unter einem Überstand aufhalten. An kalten Tagen gebe es die Möglichkeit, sich im Kleinbus der Sozialarbeiterin aufzuwärmen: „Aber die Kapazitäten sind begrenzt.“ Es sei immer eine Idee des Vereins gewesen, ein Gebäude anzumieten. „Aber das ist eine Geldfrage“, sagt Bertold Reetz, beim Verein für Innere Mission für die Wohnungslosenhilfe zuständig.
„Ich weiß nicht, ob Unterkünfte und Tagestreffs in Bremen-Nord notwendig sind“, so Reetz, „ich weiß nicht, wie hoch die Dunkelziffer der Wohnungslosen in Vegesack ist.“ Rund 600 Menschen machten in der Hansestadt Platte, etwa 200 seien es im Norden der Stadt. „Tendenz steigend“, meint Reetz. „Das liegt an den EU-Flüchtlingen, aber auch an geringerem bezahlbaren Wohnraum. In Bremen-Mitte ist kaum noch etwas zu holen.“
Dass im Norden die Not für Wohnungslose groß ist, hat auch Pastorin Ulrike Bänsch festgestellt. Die Pastorin hat die Organisation der seit 1987 in der methodistischen Kirche angebotenen Sonntagsmahlzeit übernommen. Bänsch will wie Reetz am heutigen Freitag auf Einladung des Ortsamtsleiters Heiko Dornstedt überlegen, wie mit der Obdachlosigkeit im Bremer Norden umgegangen werden kann. „Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, diese Menschen in gezielt geförderten Wohnprojekten unterzubringen“, sagt Bänsch. Ins Gespräch kommen möchte sie auch mit Wohnungsbaugesellschaften.
Gesprächsrunde am Freitag
Im Gespräch ist die Pastorin der evangelisch-reformierten Gemeinde in Aumund übrigens auch mit der örtlichen Willkommensinitiative für Flüchtlinge. „Wir müssen sehen, dass die Gruppen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es gibt Obdachlose, die sagen: ‚Wenn ich Flüchtling wäre, hätte ich eine Wohnung.‘ Wir wollen nicht, dass sich so etwas hochschaukelt.“
Die kalte Witterung hat das Problem der fehlenden Unterkünfte für Obdachlose augenfällig gemacht. Nach Informationen der NORDDEUTSCHEN hatte sich der Ortsamtsleiter in den vergangenen Wochen massiv durch die Situation im Erdgeschoss des Stadthauses gestört gefühlt. Nach Darstellung einer Angestellten, die nicht genannt werden möchte, sollen die Mitarbeiter im Stadthaus erschrocken darüber gewesen, wie Heiko Dornstedt verfahren wollte.
Der Ortsamtsleiter legt Wert auf die Feststellung, dass gerade er dafür stehe, dass mit diesen Menschen, „von denen ich noch nicht einmal weiß, ob sie obdachlos sind, anständig umgegangen“ werde. „Ich habe lediglich dafür gesorgt, dass der offene Alkoholkonsum während des Aufenthalts in dem öffentlichen Gebäude Stadthaus Vegesack nicht stattfindet. Die Personen wurden von mir aufgefordert, ihren Alkoholkonsum einzustellen oder das Gebäude zu verlassen. Darin unterscheidet sich das Stadthaus auch nicht von anderen öffentlichen Gebäuden beziehungsweise den Bussen oder Bahnen der BSAG.“
Für die Wirtschaftsförderung (WFB) als Hausherrin ist die Debatte eine „schwierige Sache“, wie WFB-Sprecherin Juliane Scholz sagt. „Wir wissen, dass sich einige Mieter gestört fühlen.“ Im Stadthaus sind auch die WFB selbst, eine Kfz-Zulassungsstelle, das Bürger-Service-Center sowie das Vegesack Marketing untergebracht. „Das Stadthaus ist ein öffentliches Haus und für alle Bürger offen“, sagt Scholz. „Aufgrund der strengen Witterung haben wir davon abgesehen, Platzverweise auszusprechen. Das wollten wir nicht tun, die Menschen aus dem Haus vertreiben. Die waren froh, dass sie sich mal aufwärmen konnten.“