Anne-Lina Mörsberger: Das ist so unterschiedlich, wie Menschen auch sonst vom Einkommen abhängig sind oder eben sich abhängig fühlen. Der eine geht voller Optimismus an die neue Situation heran, der andere mit dem Gefühl, ihm werde der Teppich weggezogen. Bei großer Unsicherheit – etwa bei der Sorge, den Job zu verlieren – haben Menschen das Gefühl des Kontrollverlustes und bekommen Existenzangst oder gar Panik. Der Beruf ermöglicht oftmals Anerkennung, soziale Kontakte und das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Bricht das weg, fühlen sich viele unruhig, verlieren leichter die Nerven und können die freie Zeit nicht gut nutzen.

Anne-Lina Mörsberger ist Familientherapeutin in der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Familien in der Bremer Neustadt.
Man sollte nicht so tun, als hätten Geldsorgen keine Konsequenzen. Wichtiger ist, sich der Situation zu stellen. Eltern können zum Beispiel einen Finanzplan aufstellen, Prioritäten neu setzen und geplante Investitionen überdenken. Für die seelische Gesundheit ist zentral, handlungsfähig zu bleiben und sich der Situation nicht ausgeliefert zu fühlen. Möglichst aktiv werden, sich dabei am Machbaren orientieren, zum Beispiel in der Nachbarschaftshilfe engagieren. Aber auch selbst Hilfen in Anspruch nehmen. Hilfreich ist, sich auf das Naheliegende und Kontrollierbare im Alltag zu konzentrieren, anstatt auf das, was derzeit niemand wissen kann. Etwa einen Plan mit kleinen Zielen für jeden Tag machen. Das hilft, mit der Unsicherheit zurecht zu kommen.
Wie erkläre ich meinem Kind, dass wir nun weniger Geld haben?Offen und direkt besprechen, auch wenn es schwer fällt. Kinder können in der Regel gut damit umgehen, wenn sie erleben, dass die Eltern die Situation als Herausforderung sehen. Und alle können etwas beitragen, auch im Spiel. Bei Youtube finden sich nützliche Hinweise wie Anleitungen, Grußkarten aus Papierresten zu basteln oder kaputte Dinge zu reparieren. Oder Rezepte zum Kochen und Backen. Das sind zudem schöne Gemeinschaftsaktionen.
Wie gesagt, Kinder orientieren sich in ihrer emotionalen Bewertung sehr stark an ihren Eltern. Deswegen ist eine zuversichtliche Haltung wichtig. Eltern sollten vermitteln, dass sie sich um handfeste Lösungen kümmern. Dazu kann gehören, dass sie ihre Sorgen mit anderen besprechen, zum Beispiel in unserer Telefonsprechstunde. Und wenn jetzt mehr Zeit ist mit der eigenen Familie, dann kann das auch ein großes Geschenk sein. Das wird auf Dauer allerdings nur funktionieren, wenn die existenziellen Sorgen nicht zu groß werden. Dass das nicht passiert, ist jetzt die Herausforderung für uns als Gesellschaft.
Das Gespräch führte Frieda Ahrens.Anne-Lina Mörsberger ist Psychologin, Systemische Psychotherapeutin und Familientherapeutin in der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Familien in der Bremer Neustadt.
Weitere Informationen
Die Bremer Erziehungsberatungsstellen sind von Montag bis Freitag, 10 bis 14 Uhr, telefonisch erreichbar. Informationen dazu gibt es unter: www.amtfuersozialedienste.bremen.de/familien/erziehungsberatung-12306