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Interview mit neuem Eigentümer der Jacobs-Uni "Wir wollen natürlich wachsen"

Die private Bremer Jacobs University hat einen neuen Eigentümer. Der IT-Unternehmer Serguei Beloussov ist über seine Schweizer Firma SIT dort eingestiegen. Über seine Absichten gibt er im Interview Auskunft.
24.09.2021, 17:58 Uhr
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Von Jürgen Theiner

Sie sind seit dieser Woche Mehrheitseigentümer der Jacobs University in Bremen-Nord, Sie übernehmen damit die unternehmerische Führung. Seit wann besteht Ihr Interesse an der Privathochschule und wodurch wurde es geweckt?

Serguei Beloussov: 2019 haben wir in der Schweiz das Schaffhausen Institute of Technology (SIT) als Forschungs- und Bildungseinrichtung im Bereich der IT-Wissenschaften gegründet. Von Beginn an waren wir daran interessiert, eine Verbindung mit einer oder mehreren Universitäten in Europa einzugehen. Jacobs rückte recht früh in unser Blickfeld, schon bevor die Bremer Wissenschaftsbehörde einen Investor suchte. Eine erste Unterhaltung über Kooperationsmöglichkeiten habe ich bereits vor etwa zwei Jahren mit einem Vertreter der Jacobs-Uni geführt. Nach und nach wurde klar, dass sich die Jacobs-Familie aus der Einrichtung zurückziehen würde und wir eine Chance bekämen, uns zu beteiligen. Das war also ein langer Prozess.

Das Problem der Jacobs University bestand immer darin, dass sie zwar akademisch erfolgreich war, aber wirtschaftlich ein Flop. Privathochschulen müssen jedoch kostendeckend arbeiten. Wie wollen Sie das in Zukunft hinbekommen?

Ich würde nicht von einem wirtschaftlichen Flop sprechen. Die Jacobs University hat in der Vergangenheit einen großen Teil ihrer Ausgaben selbst finanzieren können, auch wenn sie nur eine sehr geringe Unterstützung der öffentlichen Hand erhielt – anders als staatliche Universitäten. Aber natürlich muss jetzt einiges in Angriff genommen werden. Ich nenne drei Dinge. Erstens: ein pragmatischeres Management, ein pragmatischerer Umgang mit den Vermögensgegenständen der JUB, mit den Studenten, dem akademischen Personal, der Marke. Das können wir vielleicht ein bisschen besser.

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Was verstehen Sie unter pragmatisch?

Wir wollen einige Dinge ermöglichen, die bisher nicht gegeben waren. Zum Beispiel sollten die Studenten die Möglichkeit haben, auf dem Campus zu wohnen. Gegenwärtig wohnen viele von ihnen woanders. Das ist sowohl schlecht für sie selbst als auch für die Universität, die ja mit der Bereitstellung von Wohnraum Einnahmen erzielen könnte. Das Gleiche gilt für die Fachbereiche der Uni. Einige von ihnen mieten derzeit Räumlichkeiten außerhalb des Campus. Das ist nicht sinnvoll. Wir sollten diese Kapazitäten in Grohn konzentrieren, wir reden also auch von Neubauten.

Was wollen Sie darüber hinaus ändern?

Wir müssen tatsächlich aggressiver werden beim Vertrieb und der Werbung für unserer Studienangebote. Da wurde bisher das Einnahmepotenzial nicht wirklich professionell ausgeschöpft. Und wir wollen natürlich wachsen. Wir haben uns vorgenommen, die Zahl der Studenten – gegenwärtig sind es ungefähr 1500 – mittelfristig zu verdreifachen. Das bedeutet nicht, dass diese Personen dann alle auf dem Uni-Gelände leben. Es geht um Online-Studienangebote in digitalen Formaten. Solche Angebote sind für uns günstiger und für viele Interessenten bequemer.

Bald sollen Computerwissenschaften und die Erforschung digitaler Zukunftstechnologie das Herzstück der Jacobs University sein. Was bleibt dann übrig vom bisherigen, vergleichsweise breiten Fächerangebot?

Das lässt sich noch nicht abschließend beantworten. Die Studenten, die gegenwärtig ihre Bachelor- oder Masterstudiengänge belegen, werden diese auf jeden Fall abschließen können, das ist sichergestellt. Was man aber grundsätzlich sagen kann: Unsere Studienangebote müssen in Zukunft finanziell tragfähig sein. Wenn sie das nicht sind, kann man sie nicht aufrechterhalten. Wir dürfen diesen Teil der Jacobs-Story der letzten zwanzig Jahre nicht wiederholen. Was den neuen inhaltlichen Schwerpunkt der JUB betrifft, so kann man sagen: Wir wollen Computerwissenschaften und künstliche Intelligenz mit jedem bestehenden Fach inhaltlich verbinden und dort auch zur Anwendung bringen.

Sie sagen: Wissenschaft muss an der Jacobs-Uni grundsätzlich wirtschaftlich tragfähig sein und immer auch einen Anwendungsbezug haben. Aber steht solches Denken nicht im Widerspruch zur Freiheit der Wissenschaft, die einen Wert an sich hat und nicht unmittelbar kommerziellen Zwecken untergeordnet sein sollte?

Die Jacobs University ist eine relativ kleine Einrichtung in einem kleinen Land in einer kleinen Stadt. Sie muss sich also auf etwas konzentrieren, sie muss einen Fokus haben. Dieser Fokus soll künftig auf Quantentechnologie, Maschinenintelligenz und Materialforschung liegen. Das alles hat einen hohen wissenschaftlichen Anspruch, auch wenn die Anwendbarkeit der Ergebnisse ein wichtiges Ziel ist. Ich sehe da keinen Widerspruch.

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Bei Ihrer Vorstellung im Rathaus wurde angekündigt, dass Sie 25 Millionen Euro als Sofort-Investment mitbringen, weitere 25 Millionen Euro könnten später fließen. Was genau soll mit diesem Geld in naher Zukunft realisiert werden?

Das lässt sich noch nicht im Detail beantworten. Aber wir benötigen zum Beispiel weitere Räumlichkeiten für das Lehr- und sonstige Personal. Sinnvoll wäre auch ein Hotel für Studenten, die im Rahmen von Studienangeboten mit Teil-Präsenz nur für wenige Wochen in Grohn sind. Ein weiteres Projekt wäre der Aufbau eines Data-Centers für unsere Forschungsaktivitäten. In drei Monaten sehen wir da bestimmt etwas klarer.

Gegenwärtig ist das Studium an der Jacobs University eine teure Angelegenheit. Wer eingeschrieben ist, zahlt bis zu 28.000 Euro pro Jahr. Es gibt allerdings auch Stipendien für besonders talentierte junge Leute, die sich solche Gebühren nicht leisten können. Behalten Sie das bei?

Das machen wir am SIT, und wir werden das auch hier in Bremen praktizieren für Studenten mit exzellenten akademischen Leistungen.

Der Bremer Senat hofft auf Impulse, die von einer stabilisierten und neu ausgerichteten Jacobs University ausgehen. In welchen Bereichen kann Bremen von Ihrem Projekt insbesondere profitieren?

Da ist zunächst einmal das, was jede Universität macht: Wir bilden junge, qualifizierte Leute aus, die auch Unternehmen gründen und dadurch Arbeitsplätze schaffen werden. Wir hoffen darüber hinaus, durch unseren inhaltlichen Schwerpunkt technologiestarke Firmen nach Bremen zu holen. Auch das wird Jobs schaffen. Und nicht zuletzt unterstützen wir die regionale Wirtschaft in einem Transformationsprozess. Die Häfen sind eines dieser Felder. Häfen sind eine wichtige Sache, aber in Zukunft werden die Arbeiten dort im Wesentlichen von Robotern erledigt. Das heißt nichts anderes, als dass wir für die dort tätigen Menschen neue Arbeitsplätze brauchen, technologiestarke Arbeitsplätze. Ähnliche Herausforderungen gibt es in der Autoindustrie. Wir wollen Bremen in diesem unausweichlichen Wandel unterstützen.

Umgekehrt wird Bremen die Jacobs University allerdings nicht mehr finanziell unterstützen. Das hat der Senat klargestellt. Ist das für Sie in Ordnung? Können Sie zusagen, früher oder später nicht doch um staatliche Hilfen nachzusuchen?

Ob ich das versprechen kann? Nun, in dem Zeitraum, den ich übersehen kann, wird es keine Notwendigkeit für finanzielle Hilfen geben. Ich rede jetzt von den nächsten fünf Jahren. Wir werden nicht auf staatliche Mittel angewiesen sein. Ich sehe also gar keine Notwendigkeit für ein Versprechen.

Das Gespräch führte Jürgen Theiner.

Zur Person

Serguei Beloussov (50)

ist ein international agierender Geschäftsmann und Investor, der die Staatsbürgerschaft von Singapur besitzt. Beloussov wuchs in der Sowjetunion auf. Er studierte Physik in Moskau und promovierte in Computerwissenschaften. 1994 wanderte er nach Singapur aus. Beloussov gründete mehr als zwanzig Firmen, darunter das IT-Sicherheitsunternehmen Acronis, dessen Produkte weltweit im Einsatz sind.

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