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Kaisenhaus-Museum Veranstaltungsreihe im Kaisenhaus-Museum zeigt starke Bremerinnen

Starke Frauen und ihre Geschichten: Im Kaisenhaus-Museum können Besucher auf den Spuren von Anna Klara Fischer und ihrer Zeitgenossinnen wandeln.
22.06.2023, 05:00 Uhr
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Von Anke Velten

Anna Klara Fischer war keine Frau, die Plätzchen buk. „Ich habe sie überhaupt nie in der Küche gesehen“, erinnert sich die Enkelin. Dass Oma Wichtigeres zu tun hatte, verstand aber schon die kleine Cecilie, wenn sie sie beispielsweise in eines der Ottilie-Hoffmann-Häuser begleitete, oder mit der Sammeldose für das Müttergenesungswerk losgeschickt wurde. Cecilie Eckler-von Gleich war schon längst erwachsen, als sie ihre Großmutter richtig kennen lernte. Ihr Vortrag bildet am Sonntag, 2. Juli, 15 Uhr, den Auftakt zu einer neuen sommerlichen Veranstaltungsreihe im Kaisenhaus-Museum am Behrensweg 5a. Im Mittelpunkt stehen „Drei starke Frauen“ – so der Titel. Anna Klara Fischer, Käthe Popall und Anna Stiegler hatten 1946 den Bremer Frauenausschuss mitgegründet. Trotz ihrer unterschiedlichen sozialen und parteipolitischen Herkunft verfolgten sie in schweren Zeiten dasselbe Ziel: das Leben der Menschen in Bremen zu verbessern – insbesondere für die Frauen.

Im Falle von Anna Klara Fischer gibt es die charmante Koinzidenz, dass die Erkenntnisse wissenschaftlicher Forschung mit ganz privaten Erinnerungen und Anekdoten gewürzt werden können. „Wenn Oma zu Besuch kam, wurde der Alkohol weggesperrt“, erzählt Eckler-von Gleich, die das Geschichtskontor im Brodelpott mitgründete und jahrzehntelang leitete. Anna Klara Fischer hatte ab 1925 bis zu ihrem Tod im Jahr 1967 die Bremer Abstinenzbewegung angeführt. Die junge Frau war die Wunschnachfolgerin von Ottilie Hoffmann, Gründerin der alkoholfreien Speisehäuser, die ihren Namen trugen.

Eine Studioaufnahme aus dem Jahr 1907 zeigt die Zwanzigjährige brav onduliert und mit hochgeschlossenem Rüschenkragen. Ein Foto, das sechs Jahre später aufgenommen wurde, illustriert, dass sich die Braunschweiger Lehrerstochter zwischenzeitlich vom Korsett gutbürgerlicher Konventionen befreit hatte. Sie folgte der Jugendbewegung der Wandervögel und zeigt sich mit Ehemann Paul barfuß in der Natur und im legeren Reformkleid. Ihren Beruf als Lehrerin für Englisch und Biologie konnte Fischer nach der Heirat im Jahr 1912 nicht mehr ausüben. Das soziale Engagement war für viele gut ausgebildete, emanzipierte Frauen dieser Zeit ein sinnstiftendes Ventil, erklärt Eckler-von Gleich. „Sie durften nicht arbeiten, nicht wählen. Stattdessen kümmerte man sich um die Armen und Gestrauchelten der Gesellschaft.“

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Im Jahr 1913 waren die Fischers während einer Zugfahrt mit Ottilie Hoffmann ins Gespräch gekommen. Die Zufallsbegegnung hatte die junge Frau so beeindruckt, dass sie sich der Abstinenzbewegung anschloss und deren Mission mit großer Überzeugung vertrat. 1934 wurde sie zur Bundesvorsitzenden des Frauenbundes für alkoholfreie Kultur gewählt. Lustfeindliche Moralistinnen waren die Aktivistinnen nicht. Sie sahen vielmehr das Elend, das der maßlose Alkoholkonsum erzeugte, weil „der Wochenlohn versoffen wurde, Gewalttätigkeit in der Familie zunahm und Kinder und Frauen besonders zu leiden hatten“, wie Eckler-von Gleich in einem Text aus dem Jahr 1996 formulierte. Fischer, die sich nie einer politischen Partei zugehörig machte, gelang es, ihr Engagement während des NS-Regimes, durch den Krieg und in der Nachkriegszeit weiterzuführen. Die beiden Töchter hatte sie nach dem Tod des Ehemannes in Kriegszeiten alleine großziehen müssen.

„Ideengeschichtlich entdeckt“ habe sie die Großmutter während ihres Politikstudiums, erzählt Eckler-von Gleich. Getrieben von der Frage, wie es zur Massenbegeisterung für Hitler kommen konnte, habe sie zu bürgerlichen Protestbewegungen und deren Ambivalenz geforscht. „Da war der Blick auf die Lebensreformbewegung zentral, und über die Antialkoholbewegung kam die Verbindung zu meiner Großmutter.“ Das Kaisenhaus-Museum am Behrensweg 5a wurde bewusst als Veranstaltungsort für die vom Kultursenator geförderte Vortragsreihe gewählt: Es ist auch ein Gedenkort für all die vielen namenlosen Frauen, die die zerstörte Stadt unter schwierigsten Bedingungen mit ihren eigenen Händen wiederaufgebaut haben.

Beim zweiten Vortrag der Reihe „Starke Frauen“ spricht Renate Meyer-Braun, Historikerin, Autorin und Mitgründerin des Bremer Frauenmuseums, am Sonntag, 16. Juli, 15 Uhr, über die Bremer Politikerin und Frauenrechtlerin Anna Stiegler. Den vorläufigen Abschluss bildet am Sonntag, 27. August, 15 Uhr, der Vortrag zu Bremens erster Senatorin Käthe Popall, gehalten von Angela Piplak (Geschichtskontor Walle). Nähere Informationen zum Museum, den Öffnungszeiten und Veranstaltungen gibt es im Internet unter www.kaisenhaus.de.

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