Bis fünf vor zwölf blieben die Bremer Karstadt-Türen am Dienstag geschlossen. "Es war Absicht, bis zu dieser symbolträchtigen Uhrzeit abzuwarten", sagt Sabine Dziadek, Vorsitzende des Betriebsrats der Filiale. Mit der Öffnungszeit wollten die Mitarbeiter ein erstes Zeichen setzen, was die Stunde geschlagen hat. Ab 9.30 Uhr hatte die Arbeitnehmervertretung zu ihrer Betriebsversammlung geladen, nachdem die Geschäftsleitung am Montag das Aus für Karstadt Bremen zum Januar 2024 verkündet hatte. Ein Ende und ein Datum, das der Betriebsrat so nicht akzeptieren will. "Wir werden alles versuchen, um Karstadt Bremen wieder von der Liste der zu schließenden Standorte herunterzubekommen", sagt Dziadek.
Mit Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) und Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) weiß der Betriebsrat politische Mitstreiter auf seiner Seite. Beide sprachen auf der Betriebsversammlung und versicherten den Karstadt-Angestellten die Unterstützung des Senats. Denn alle Beteiligten inklusive Geschäftsleitung betonen durchgehend, dass Karstadt Bremen schwarze Zahlen schreibe und eigentlich eine Zukunft habe. "Es darf nicht sein, dass die wirtschaftlich tragfähige Galeria-Karstadt-Filiale geschlossen wird, nur weil sich der Konzern und der Vermieter nicht über den Mietvertrag einigen können“, sagte Bovenschulte.
Nach Informationen des WESER-KURIER möchte Karstadt in Bremen einen Teil seiner Verkaufsflächen loswerden, schafft das aber nicht so ohne Weiteres, weil der Mietvertrag noch ein paar Jahre Laufzeit hat. Gleichzeitig ist strittig, wie sich Karstadt und die Zech-Stiftung als Eigentümer der Immobilie gewünschte und notwendige Investitionen für das Gebäude aufteilen.
„Es ist jetzt die Aufgabe des Vermieters auf der einen Seite und des Karstadt-Konzerns auf der anderen Seite, sich zu einigen", sagte Bovenschulte. Denn trotz des verkündeten Endes laufen die Verhandlungen um die Modalitäten der Gebäudenutzung im Hintergrund auch jetzt noch weiter. Daher werten einige Beteiligte das öffentlich bekundete Aus für die Bremer Filiale zumindest in Teilen auch als taktische Maßnahme des Konzerns. Damit erhöht sich der Druck auf Zech, dem Unternehmen entgegenzukommen, weil so die Alternative komplett wegfallender Mieteinnahmen realistischer wird. "Ähnlich, wie man seinen Mobilfunkvertrag kündigt, in der Hoffnung, dass der Anbieter dann bessere Konditionen bietet", formuliert es ein Beteiligter.
Der Bürgermeister bekräftigt, dass niemand bei diesem Poker auf finanzielle Hilfe des Landes setzen sollte. "Der Senat kann nicht mit Steuergeld einen Teil der Miete übernehmen." Er bot aber Hilfe an, wenn es darum gehen sollte, in festgefahrenen Gesprächen zwischen den Parteien zu vermitteln. Vogt wurde an dieser Stelle im Nachhinein noch eine Spur deutlicher. "Wenn Zech-Stiftung und Karstadt nicht zueinanderkommen, werden wir beide Parteien in Rathaus einladen, und dann müssen sie sich mit uns auseinandersetzen. Wir werden den Standort nicht aufgeben", sagte sie im Anschluss ihrer Teilnahme an der Betriebsversammlung.
Aus Sicht des Betriebsrates folgt aus alldem eine zweigleisige Strategie. Einerseits will man die Schließung abwenden, andererseits muss man sich mit möglichen Folgen ernsthaft befassen. So standen auf der Betriebsversammlung am Dienstag tatsächlich bereits Fragen von Abfindungen, Kündigungsfristen, möglichen Transfergesellschaften und die Rolle der Arbeitsagentur auf der Tagesordnung. Gleichzeitig setzt Dziadek weiterhin auf den Erhalt. "Es wurden in der Vergangenheit schon Karstadt-Häuser gerettet, die bereits mit dem Ausverkauf begonnen hatten", macht sie sich und den Beschäftigten Mut.
Dass die Schließung für den Januar 2024 angekündigt ist, sieht Dziadek ebenso wie Bovenschulte als gutes Zeichen. Dadurch bleibe mehr Zeit, um doch noch eine Einigung zu erzielen. "Der Betrieb kann weitergehen, wir stehen nicht unmittelbar vor einer Abwicklung." So etwas starte erfahrungsgemäß erst drei Monate vor dem endgültigen Aus.
Bis Juli dieses Jahres sollte eine Streichung von der Streichliste gelingen, hofft sie. So lange könnten auch die Beschäftigten bei dem Kampf mitziehen. Denn anders als bei Diskussionen um die Karstadt-Schließungen in den Vorjahren ist der Arbeitsmarkt heute nicht von Stellen-, sondern von Personalmangel geprägt. Sollte sich eine mögliche Hängepartie zu lange hinziehen, könnten sich qualifizierte Mitarbeiter darum bereits lange vor einem tatsächlichen Aus neu orientieren.