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Kriminalitätsbekämpfung Bürgerschaftsdebatte: Sicherheitspaket der CDU fällt durch

Die CDU macht sich in der Bremischen Bürgerschaft für mehr technische Eingriffsmöglichkeiten der Polizei bei der Kriminalitätsbekämpfung stark. Und erhält von fast allen Seiten Gegenwind.
16.06.2022, 19:41 Uhr
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Bürgerschaftsdebatte: Sicherheitspaket der CDU fällt durch
Von Ralf Michel

"Die notwendigen Ermittlungsgrundlagen im Kampf gegen Organisierte
Kriminalität auch in Bremen schaffen", war ein Dringlichkeitsantrag der CDU überschrieben, über den die Bremische Bürgerschaft am Donnerstagnachmittag abgestimmt hat. Darin fordert die CDU, Bremens Polizei personell und technisch so auszustatten, dass sie Drogenhändler und Sexualstraftäter effektiv bekämpfen kann. Notwendig seien aber auch Gesetzesänderungen.

Was sagt die CDU?

Der Anstieg der gemeldeten Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Kinder sei erschreckend und die Politik gefordert, alles Menschenmögliche dagegen zu tun, sagte Marco Lübke. Dabei könne es nicht der Anspruch der Polizei sein, den Straftätern nur mithilfe ausländischer Sicherheitsbehörden und Organisationen auf die Spur zu kommen. Auch hierzulande brauche es die Möglichkeit, zumindest IP-Adressen von Computern zu speichern. Im Bremischen Polizeigesetz will die CDU sowohl die Quellentelekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ), also die Möglichkeit der Sicherheitsbehörden,  Daten mitzulesen, bevor sie verschlüsselt werden, als auch die Möglichkeit der Online-Durchsuchung  verankern. Erforderlich sei darüber hinaus der Einsatz von künstlicher Intelligenz bei der Auswertung von Datenträgern mit kinderpornografischem Material sowie die Ausstattung der Polizei mit ausreichend Personal.  

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Was sagen die Regierungsparteien?

Darüber, dass es wichtig sei, die Täter zu ermitteln und vor Gericht zu stellen, gebe es keine zwei Meinungen, betonte Kevin Lenkeit (SPD). Unredlich sei es jedoch von der CDU, ständig zu suggerieren, dass die Koalition der Polizei wichtige Ermittlungsinstrumente vorenthalte. "Vollkommener Blödsinn", schimpfte Björn Fecker (Grüne). Zudem biete die Strafprozessordnung in dieser Hinsicht schon heute ausreichend Instrumente. Die Forderung nach einer Quellen-TKÜ bezeichneten Lenkeit und Fecker als "Popanz": technisch nahezu unmöglich, ein "exotisches Instrument", das bundesweit so gut wie nicht genutzt werde. "Und wenn dieses Thema das zentrale Bekämpfungsinstrument für die CDU ist – warum haben Sie es dann auf Bundesebene in 16 Jahren Regierungsverantwortung nicht geschafft, es vernünftig zu regeln?"

Der CDU nutze ein emotionalisierendes Thema wie sexualisierte Gewalt an Kindern für ihre Belange, konstatierte Nelson Janßen (Die Linke). "Aber warum brauchen Sie gerade hier die Quellen-TKÜ? Was soll sie hier leisten?" Ein präventives Vorgehen außerhalb eines Anfangsverdachts sei unrealistisch. Und mit Anfangsverdacht könne die Polizei schon heute ermitteln. "Sie betreiben Symbolpolitik mit autoritärem Zungenschlag. So etwas brauchen wir nicht." 

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Was sagen die Oppositionsparteien?

Die digitale Sicherheitspolitik sei eine große Herausforderung, dass die CDU diese Debatte ins Parlament hole, sei daher gut, sagte Birgit Bergmann FDP). Allerdings vergesse die CDU dabei das eigentlich diskussionswürdige Dilemma, nämlich die Frage, ob Deutschland für einen Superüberwachungsstaat stünde oder für Freiheit, Weltoffenheit und Menschenrechte. Die CDU positioniere sich dabei auf der Seite des Überwachungsstaates, obwohl sie bei der Vorratsdatenspeicherung mit ihren verfassungswidrigen Vorstößen auf Bundesebene 16 Jahre lang wieder und wieder gegen die Wand gefahren sei. Mit der FDP werde es keine anlasslose Überwachung der gesamten Bevölkerung geben. 

Für Thomas Jürgewitz (AfD) ist es nicht nachvollziehbar, "warum Deutschland nicht in der Lage ist, solche Straftaten mit modernen Mitteln verfolgen zu dürfen". Für ihn nicht nur eine Frage von fehlender Technik und  zu wenig Personal. Es mangele am Willen des Staates, der Täter- vor Opferschutz stelle.

Ein Ordnungsruf des Präsidenten

Martin Günthner (SPD) kommentierte den Wortbeitrag von Thomas Jürgewitz (AfD), der das Thema Kriminalität immer wieder mit Ausländern in Verbindung brachte, mit dem Zwischenruf "Volksverhetzer". Ob er das zurücknehmen wolle, fragte Bürgerschaftspräsident Frank Imhoff (CDU) Günthner. Wollte er nicht. Und kassierte dafür einen Ordnungsruf von Imhoff.

Was meint der Innensenator?

Für Ulrich Mäurer (SPD) sind der Kampf gegen die Organisierte Kriminalität und hier vor allem den Drogenhandel sowie gegen sexuelle Gewalt zwei Schwerpunktthemen. Um dagegen vorzugehen brauche man ausreichend Ermittler und modernste Technik. Aber das Thema Vorratsdatenspeicherung, die er persönlich für unverzichtbar halte, läge nun einmal in der originären Zuständigkeit des Bundes. Bei der Speicherung von IP-Adressen seien die Bundesländer sich einig. Man arbeite an einer Regelung, dass IP-Adressen nicht länger unter Fantasienamen angemeldet werden dürften. Die Provider sollen die personenbezogenen  Daten ihrer Kunden sicherzustellen und in die Pflicht genommen werden, diese auch zu überprüfen. In Sachen Quellen-TKÜ wies Mäurer darauf hin, dass die meisten Bundesländer überhaupt nicht in der Lage seien, dieses Instrument einzusetzen. Das könne nur das Bundeskriminalamt. "Und wenn wir da mal Hilfe brauchen, bekommen wir sie auch."

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Das letzte Wort

Hatte der in der Debatte viel gescholtene Marco Lübke. Alle wollten diese Straftaten bekämpfen und seien sich eigentlich auch einig, dass die bisherigen Instrumente nicht ausreichten. Er habe jetzt von vielen Seiten gehört, dass man die CDU-Vorschläge nicht wolle. "Alternativen habe ich von Ihnen aber nicht gehört."

Die Abstimmung

Der Antrag der CDU wurde in allen Punkten von der rot-grün-roten Regierungsmehrheit abgelehnt.

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