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Personalvertreter klagen über zunehmende Arbeitsbelastung und langwieriges Einstellungssystem „Können Mangel irgendwann nicht mehr verstecken“

Bremen will bürgerfreundlich sein, und doch kommt es immer wieder zu Situationen, die diesem hehren Vorsatz nicht gerecht werden. In jüngster Zeit machten die Ausländerbehörde, das Standesamt und das Amt für Soziale Dienste von sich reden.
03.02.2015, 00:00 Uhr
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„Können Mangel irgendwann nicht mehr verstecken“
Von Anke Landwehr

Bremen will bürgerfreundlich sein, und doch kommt es immer wieder zu Situationen, die diesem hehren Vorsatz nicht gerecht werden. In jüngster Zeit machten die Ausländerbehörde, das Standesamt und das Amt für Soziale Dienste von sich reden.

Alle Bremer Behörden müssen nach der sogenannten PEP-Quote jährlich 1,6 Prozent ihres Personals einsparen. Burckhardt Radtke, stellvertretender Vorsitzender des Gesamtpersonalrats, hält den Beschluss für überholt. Er sagt: „Wir müssen weg von der Betrachtung, generell in allen Dienststellen zu kürzen.“ Sonst könne man den Mangel „irgendwann nicht mehr verstecken“.

Ein Beispiel dafür ist das Amt für Soziale Dienste (AfSD), in dem Radtke früher selbst gearbeitet hat. In allen sechs Sozialzentren sei die Personalsituation sehr angespannt, klagt der Vertreter des Gesamtpersonalrats. „Noch enger wird es in den Urlaubszeiten, und wenn dann noch Krankheiten dazu kommen .. . “

Situationen wie Anfang Januar, als die Abteilung Heimhilfe über mehrere Tage nicht erreichbar war, wolle niemand, so Radtke. Gerade das AfSD sei eine sehr wichtige Behörde, weil zu ihr viele Menschen mit existenziellen Sorgen kämen. Deswegen müsse Schluss sein mit den Personaleinsparungen.

„Dass die Leute bei uns nicht durchkommen, damit werden wir häufiger konfrontiert“, berichtet Wolfgang Klamand, Vorsitzender des AfSD-Personalrats. Und er spricht davon, dass „wir natürlich immer das Problem haben, an der Grenze rumzuschrappen.“ So könne Bremen bei den Amtsvormündern gegenwärtig nicht einmal die gesetzlichen Vorgaben erfüllen, wonach eine Person 50 Fälle zu betreuen hat. In diesem Bereich habe es eine große Fluktuation gegeben. „Jetzt wird da gerade richtig reingebuttert.“

Peter und Marlies Wilkens haben mit dieser Abteilung ihre eigenen Erfahrungen gemacht – gute und weniger gute. Als ehrenamtliche Vormünder kümmerten sie sich seit 2007 um drei Geschwister, deren Mutter immer wieder in die Drogensucht zurückfalle. Im vergangenen Juni war eine Gerichtsverhandlung angesetzt. Es ging um die Frage, ob das Sorgerecht für die Tochter wieder der Mutter übertragen werden sollte. Marlies Wilkens: „Alle waren da, nur die Dame vom Amt nicht.“

Die Richterin sei deswegen sehr ärgerlich gewesen. „Sie hat diverse Male versucht, unter verschiedenen Amtsnummern jemanden vom Amt für Soziale Dienst in Bremen-Nord zu erreichen – ohne Erfolg.“ Sie selbst habe später am Tag nur eine Ansage auf dem Anrufbeantworter gehört: Wegen der Wahrnehmung von Außenterminen würden keine Nachrichten aufgenommen, habe es geheißen. „Dass man nicht einmal auf den Anrufbeantworter sprechen kann, habe ich noch nie erlebt“, so Marlies Wilkens.

An den Tagen danach seien ihre Versuche der Kontaktaufnahme ebenfalls vergeblich gewesen, obwohl der AB der Sachbearbeiterin ihre Nachricht nun aufgezeichnet habe. Wilkens: „Der Rückruf kam aber erst, als ich polemisch gesagt habe, dass sie sich wohl nicht für den Fall interessiert.“ Die Frau habe ihr Fehlen vor Gericht dann damit erklärt, die Ladung erst am Tag der Verhandlung auf den Tisch bekommen habe. Das kann Wilkens nicht nachvollziehen: „Wir hatten sie vier Wochen vorher in der Post.“

Wolfgang Klamand bemängelt nicht nur eine dünne Personaldecke, sondern kritisiert auch das Verfahren zur Wiederbesetzung vakanter Stellen etwa bei Mutterschaft oder längerfristigen Erkrankungen. Nach dem gestaffelten Einstellungssystem müssten Stellen zunächst amtsintern, dann ressortintern und dann verwaltungsweit ausgeschrieben werden. Erst, wenn bis hierhin keine Bewerbungen eingegangen seien oder sich die Bewerber nicht eigneten, dürfe die Stelle extern ausgeschrieben werden. „Schon allein dadurch geht viel Zeit verloren“, so Klamand. Was die Sache bis vor Kurzem noch schwieriger gemacht habe: „Der Senat musste erst zustimmen. Er ist aber nicht so dicht dran und hat die Dringlichkeit nicht immer so gesehen.“ Inzwischen könne zwar die Ressortspitze entscheiden, eine spürbare Verbesserung sei dadurch aber nicht eingetreten.

Und so passiere es, dass Stellen – auch wegen der Einhaltung von Kündigungsfristen – über Monate unbesetzt blieben. Sei es dann endlich so weit, müssten die neuen Kollegen erst eingearbeitet werden. Bis beispielsweise Amtsvormünder ihre Aufgaben vollwertig erfüllen könnten, vergehe ein halbes Jahr. Klamand: „Die müssen für ihre schwierige, verantwortungsvolle Arbeit ja erst qualifiziert werden.“

Die Wiederbesetzung von Stellen führe zudem nicht zwangsläufig zu einer Entlastung, sagt der Personalrat. Die Arbeitsverdichtung nehme durch die Ausweitung von Aufgaben beständig zu, und Reserven, um personelle Ausfälle aufzufangen, gebe es „überhaupt nicht“. Frühere Überlegungen, einen Springerpool einzurichten, sind laut Klamand aus zwei Gründen aufgegeben worden: „Das wäre zum einen wahnsinnig teuer, und zum anderen müssten die Vertretungskräfte in der Regel immer erst eingearbeitet werden.“ Nach Klamands Angaben arbeiten im Amt für Soziale Dienste mehr als 1000 Beschäftigte, deren Arbeitszeiten zusammen rund 600 Vollzeitstellen entsprächen. Zum Krankenstand kann der Personalrat, der darüber nicht informiert werden muss, nur Vermutungen anstellen. Klamand schätzt ihn auf auf etwa zehn Prozent.

Er setze sich seit Langem für Referenzzahlen ein, wie es sie bei den Amtsvormündern gebe, so Klamand. „Vor allem beim Ambulanten Sozialdienst junge Menschen müsste festgelegt werden, wie viele Fälle von einem Sozialarbeiter zu betreuen sind.“ Hoffnungen macht Klamand sich nicht: „Da daddeln wir schon seit 30 Jahren dran rum.“

Das Amt, sagt er desillusioniert, könne zwar fordern, aber in einem Haushaltsnotlageland stoße es rasch an Grenzen. Klamand: „Die Sozialsenatorin muss auch betteln gehen, und die Finanzsenatorin muss sehen, wie sie ihren Haushalt hinkriegt.“

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