Wenn der Tag das Dunkel der Nacht über dem 0421-Land verdrängt, dann beginnt bei uns im Haus ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Mein Teil besteht darin, die berechtigten Ansprüche der Nachkommenschaft auf schulische Pausenverköstigung zu erfüllen. Und um dem Vorurteil entgegenzuwirken, Männer seien nicht multitaskingfähig: Ich beanspruche dafür, an der Arbeitsplatte bei der verantwortungsvollen Tätigkeit des Broteschmierens zugleich gepflegt unterhalten zu werden. So die Abmachung.
Allerdings kommt aus der Ecke der Verschlafenen in meinem Rücken in der Regel: nichts. Nicht mal dann, wenn es um entscheidende Fragestellungen des frühen Morgens geht. Etwa ob als Zugabe noch Möhre oder Apfel in die Dose soll. Was letztlich nur zu flehentlichen Bitten nach irgendeinem Feedback führt, und sei es in Form eines Brummgeräusches. Immerhin brummte es diese Woche einmal „Beides“ zurück. Womit die Möhre-oder-Apfel-Sache aber auch schon erschöpfend behandelt war. Gut, dass wir darüber gesprochen haben.
Wie empfehlenswert es ist, miteinander zu reden, veranschaulicht in diesen Tagen die Diskussion über die künftige Gestaltung des Domshofs. Endlich mal wieder eine leidenschaftlich geführte Debatte in der Stadt! Düne, Fahrradtiefgarage, Radwegeführung, feste Gastronomie-Pavillons, Begrünung? Ja? Nein? Unbedingt und auf gar keinen Fall? Vielleicht? Wer dabei jetzt noch für welche Position und welches Wenn und Aber steht – da habe ich inzwischen vor lauter Wortmeldungen allerdings ein wenig den Überblick verloren. Womöglich ist, frei nach Karl Valentin, auch schon alles gesagt, nur eben noch nicht von allen. In der Wartezeit darauf bin ich ja schon froh, wenn keiner auf die behördliche Idee kommt, den Domshof zwischenzeitlich mit einer – genial! –mobilen Surfanlage bespielen zu wollen. Da ist Bremen ja recht kreativ.
Die ganze Unentschiedenheit, die noch darüber herrscht, was mit dem Domshof wann und wie womöglich geschehen könnte, sie passt andererseits ganz hervorragend zu diesem Platz. Zumindest für Menschen wie mich, die auf dem Weg zum Erwachsenwerden vom Bremen der Achtziger geprägt worden sind. Rein in die Zeitmaschine, zurück zum 22. April 1986: Wen kümmerte die Schule am nächsten Tag, an jenem Dienstagabend standen wir mit wenigstens der halben Stadt vor einer Riesenleinwand auf dem Domshof, um mitzuerleben, wie Werder mit einem Sieg gegen die Bayern die Meisterschaft klar machen würde. Der Rest ist Fußball- und 0421-Land-Geschichte. Lerbys Handspiel im Strafraum gegen Völler in der 88. Minute, Kutzops Elfmeter an den Außenpfosten. Es blieb beim: Unentschieden. Dass der Fehlschuss am Ende den Titel kosten würde, es ahnten alle, die später mit uns in der Straßenbahn zurück nach Hause saßen. Also wurde geschwiegen in jener Nacht. So wie bei mir zu Hause, wenn der Tag anbricht.
Tagebucheintrag: Manche Dinge möchte man aber ja auch gar nicht hören. So verstörte mich mein Handy am Donnerstag mit der Warnung vor dem Eintreten von Trümmerteilen in die Erdatmosphäre über Deutschland. Wenn wir uns kommende Woche wiederlesen, ist alles gut gegangen.