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Bremer Verkehrspolitik Der Handel muss das Herz der Innenstadt bleiben

Ein attraktiver Einzelhandel wird auch in Zukunft der wichtigste Grund sein, warum Menschen in die Innenstadt kommen. Die grüne Verkehrspolitik hilft der Bremer City jedoch nicht voran, meint Jürgen Theiner.
14.10.2021, 05:00 Uhr
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Der Handel muss das Herz der Innenstadt bleiben
Von Jürgen Theiner

Die Innenstädte verändern sich. "Sie werden nicht mehr nur Orte sein, an denen man Geld gegen Waren tauscht." Ralph Saxe, der verkehrspolitische Sprecher der Bremer Grünen, hat diesen Satz am Dienstag in der Bürgerschaft formuliert. Es lohnt sich, über den Ausspruch nachzudenken, denn es steckt einerseits Wahres darin, andererseits verleitet er zu falschen Schlüssen.

Zunächst: Der Tausch von Geld gegen Waren ist nichts Banales oder gar Anstößiges. Die meisten europäischen Städte verdanken ihm ihren Ursprung, sie entstanden als Knotenpunkte von Warenströmen. Auch heute noch sind die Innenstädte das pulsierende Herz einer Kommune, weil dort Konsum stattfindet. Wer das für zu schnöde hält und meint, die Stadtkerne seien eigentlich zu Höherem berufen, der müsste präziser formulieren, worin ihre künftige Funktion denn bestehen soll. Meist bleiben diejenigen, die den Abgesang auf die Innenstadt als Geschäftszentrum anstimmen, ein bisschen im Ungefähren, wenn sie zu den Alternativen Auskunft geben sollen. Mehr Events, mehr Aufenthaltsqualität, mehr Erlebnis, heißt es dann.

Natürlich wäre es zu begrüßen, wenn es im Bremer Zentrum mehr zu erleben gäbe. Strahlkraft entfaltet die City tatsächlich besonders dann, wenn dort attraktive Veranstaltungen wie der Weihnachtsmarkt stattfinden. Andererseits kann das Zukunftsmodell der Innenstadt auch nicht die permanente Event-Manege, der urbane Rummelplatz sein.

Mehr Erlebnis erhöht zwar die Attraktivität von Geschäftszentren, ersetzt aber nicht ihre Substanz. Die Politik müsste es deshalb als ihr Ziel begreifen, einen anziehungsstarken Kern an Einzelhandel zu bewahren und ihn beim  Strukturwandel zu unterstützen. Denn es stimmt ja: Austauschbare Filialläden, deren Sortiment oft günstiger im Internet zu haben ist, ziehen immer weniger Publikum an. Es braucht Geschäfte mit individuellem Angebot, auch der Gedanke der Nachhaltigkeit spielt beim Konsum eine immer größere Rolle. Und es braucht einen intelligenten Mobilitätsmix, damit dieses Angebot gut erreichbar ist.

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Es gibt in Deutschland genügend Beispiele für größere und kleinere Städte, die diesem Ziel näher sind als Bremen. Das hat mit vielerlei Faktoren zu tun, unter anderem mit der sozialen Zusammensetzung der Einwohnerschaft. Ganz sicher spielt dabei aber auch der Umgang der Politik mit den wirtschaftlichen Akteuren der Innenstadt eine Rolle.

In Hamburg zum Beispiel ist es dem dortigen grünen Verkehrssenator Anjes Tjarks gelungen, einen konstruktiven Dialog mit City-Kaufleuten und Handelskammer aufrechtzuerhalten und Widerstände gegen das Konzept einer autoarmen City nach und nach zu überwinden. In Bremen dagegen fühlen sich viele Geschäftsleute von der Politik nicht mitgenommen. Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) wird nicht als Kümmerin wahrgenommen, sondern als Vollstreckerin einer Ideologie.

Grüne Innenstadt- und Verkehrspolitik fängt in Bremen schon mit ungeschickter Wortwahl an. Während Hamburgs Verkehrssenator von einer autoarmen Innenstadt spricht und mit diesem Ansatz den Individualverkehr auf dem Jungfernstieg beendet hat, muss es für die Bremer Grünen natürlich gleich die autofreie Innenstadt sein, am besten für den gesamten erweiterten Stadtkern zwischen Hauptbahnhof und Westerstraße. Dass solche Maximalforderungen viele Geschäftsleute verschrecken, scheint egal zu sein. Hauptsache, man vertritt die richtige Überzeugung.

Mit ideologisch einwandfreier Haltung lässt sich aber noch kein Wandel herbeiführen. Und in der Tat ist das, was die Bremer Grünen  verkehrspolitisch in der Praxis erreicht haben, herzlich wenig. Seit 2007 stellen sie den Verkehrssenator. Von den viel zitierten Fahrrad-Premiumrouten existieren bisher nur ein paar kleine Stummel, und keine der drei angekündigten Fahrradbrücken über die Weser wird bis zur nächsten Bürgerschaftswahl im Jahr 2023 stehen – das ist jetzt schon sicher. Die Bremer Grünen ähneln einem Stabhochspringer, der die Latte besonders hoch legt, dann aber darunter hindurchläuft. Für solch eine Darbietung darf man keinen Applaus erwarten.

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